Lieferketten sind gestört oder ganz unterbrochen und Unmengen von Produkten kommen nicht zu den Händlern und damit auch nicht zu den Endkunden. Werden die Kunden Verständnis für die Lieferengpässe haben? Das wird wohl erst die Zukunft zeigen. Für die Logistikbranche und den Online-Handel geht es jedoch bei den drohenden Lieferschwierigkeiten nicht mehr nur um die Zufriedenheit der Kunden, sondern auch um viel Geld. In der ganzen Hektik sollte man als Betroffener einen kühlen Kopf bewahren und einen Überblick über die Rechtslage behalten.
Verhältnis Händler – Endkunde
Vertrag ist Vertrag!
Für alle Händler, die unter Zuhilfenahme eines Transportunternehmes an Endkunden ausliefern müssen, gilt es zunächst zu prüfen, ob tatsächlich ein verbindlicher Kaufvertrag geschlossen wurde, der zur Lieferung verpflichtet. Dazu muss man den jeweiligen Absatzkanal unterscheiden. Im Online-Shop genügt ein Blick in die AGB, denn dort ist diese individuelle Festlegung ein Muss. Bei Ebay kommen alle Verträge rechtsgültig zustande, sobald der Artikel per Sofortkauf erworben wurde. Bei Amazon wird es erst mit der Versendung verbindlich. Ist der Vertrag tatsächlich bereits zustande gekommen, muss dem Kunden die versprochene Ware grundsätzlich auch im versprochenen Zeitfenster geliefert werden.
Händler können Bestellungen nicht ausliefern
Nun kommt ein Corona-Virus (Gott sei Dank) nicht alle Tage vor. Man kann also tatsächlich von einem globalen Phänomen sprechen, welches man einem Naturereignis wie der Aschewolke eines isländischen Vulkans aus dem Jahre 2011 gleichsetzen kann. Damit könnte ein neues Problem auftauchen: Die Transportbranche ist derart ins Wanken geraten, dass Bestellungen insbesondere international nicht mehr (rechtzeitig) zugestellt werden können.
Hier ist es dem Händler möglich, darzulegen, dass er den Engpass nicht zu vertreten hat, weil ein Fall von sog. höherer Gewalt vorliegt. Im Allgemeinen ist von höherer Gewalt dann zu sprechen, wenn unerwartete, nicht zu beeinflussende äußere Umstände eintreten, die eine Vertragspartei daran hindern, ihre Verpflichtungen zu erfüllen. Das zugrunde liegende Ereignis muss unvorhersehbar sein und darf nicht das Ergebnis von Handlungen der Vertragspartei sein. In erster Linie ist dabei zum Beispiel an Naturkatastrophen und Terroranschläge zu denken. Voraussetzung ist jedoch zudem, dass die Vertragspartei, die sich auf höhere Gewalt beruft, auch beweisen muss, dass sie den Vertrag unmöglich erfüllen kann. Kann sie dies, muss sie dem Kunden für die Nichterfüllung des Vertrages regelmäßig nicht mehr einstehen.
Es hängt wie so oft vom Einzelfall ab, ob eine Berufung auf höhere Gewalt in Frage kommt. Die aktuelle Lage rechtfertigt es derzeit wohl noch nicht, dass man sich auf höhere Gewalt berufen kann. Die Lieferung der Ware ist durch das Corona-Virus derzeit noch nicht unmöglich, sondern bislang nur erschwert, beispielsweise verzögert. Erst, wenn der Handelsverkehr durch das Corona-Virus komplett eingestellt wird, könnte man von einer höheren Gewalt sprechen.
Selbstbelieferungsvorbehalt bei Ausbleiben der Lieferung
Ein Problem, mit denen der Handel konfrontiert wird, ist die ausbleibende Belieferung des Händlers selbst. So soll beispielsweise Amazon damit begonnen haben, Produkte aus China für den Ernstfall zu horten, und sich damit für mögliche Unterbrechungen der Lieferkette zu rüsten. Nun haben findige Anwälte schon immer eine Lösung gefunden, wie zumindest Händler sich gegenüber ihren Kunden wieder von einer Lieferpflicht befreien können: Für den Fall, dass der Engpass durch eine unverhofft ausbleibende Lieferung seitens des Zulieferers entstanden ist, enthalten viele AGB einen sog. Selbstbelieferungsvorbehalt. Das Lösungsrecht von einem Vertrag gegenüber einem Verbraucher ist ausdrücklich auf den Fall beschränkt, dass der Verwender ein konkretes Deckungsgeschäft abgeschlossen hat und von dem Partner dieses Vertrages im Stich gelassen wird.
Verhältnis Händler – Logistikpartner
In vielen Fällen sind auch die Vertragsbeziehungen zwischen dem Händler und seinem Logistikunternehmen gestört. Viele Transportverträge enthalten eine Klausel zu höherer Gewalt. In internationalen Verträgen ist die sogenannte Force-Majeure-Klausel sogar die Regel. Unternehmer wollen sich damit einfach für den Fall der Fälle eine Fluchttür offen halten. Die genauen Voraussetzungen und Rechtsfolgen sind jedoch von Vertrag zu Vertrag unterschiedlich geregelt. Meist ist auch die unverzügliche Benachrichtigung ein Vertragsbestandteil, um sich auf höhere Gewalt berufen zu können. Im Ernstfall sollten beide Parteien die Maßnahmen evaluieren, die zur Schadensminderung führen können. Für eventuelle Rechtsstreitigkeiten sollten alle Parteien eventuelle Beweise sichern. Dazu gehören beispielsweise auch Meldungen von Behörden.
Übrigens: Eine weitere Option ist die Beantragung eines „Force Majeure Certificate“ beim China Council for the Promotion of International Trade. Dies ist auch für Unternehmen ohne Sitz in China möglich. Durch die AHK China wurde eine Übersicht zu wesentlichen Fragen & Antworten zur Verfügung gestellt, welche umfassende Informationen und Empfehlungen zur aktuellen Sachlage gibt.
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