„Schrei vor Glück! Oder schick's zurück“ – Mit diesem Slogan und dem damit einhergehenden Versprechen der kostenlosen Lieferung und Retoure hat sich Zalando zu einem Global Player im Online-Fashionbereich gemausert. Wer im Online-Geschäft heute noch Versandkosten verlangt, kann sich eigentlich gleich den scharlachroten Buchstaben auf die Website setzen. Konsumenten sind verwöhnt, Lieferkosten werden kaum akzeptiert. In den letzten Monaten konnte man allerdings einen leichten Trend weg von dieser Gratismentalität erkennen. Sind die fetten Jahre möglicherweise bald vorbei?

Hand aufs Herz: Wie schockiert sind Sie, wenn Sie als Kunde in einem Online-Shop „Versandkosten 4,50 Euro“ lesen? Nachdem man sich als Konsument in den letzten Jahren an kostenlose Lieferungen gewöhnt hat, würde ein solcher Hinweis wahrscheinlich auf vielen Kundengesichtern ein Stirnrunzeln verursachen. Der kostenlose Versand inklusive Retoure gehört heute schon fast zum guten Ton im Online-Handel. Wer das nicht bietet, kann schnell Kunden verlieren.

Wie eine Studie des Payment-Anbieters Klarna aus dem letzten Jahr zeigt, würden ganze 62 Prozent der Online-Shopper einen Händler meiden, der eben keine kostenfreien Retouren anbietet. Der Service, der sich für Konsumenten also schon zur Selbstverständlichkeit entwickelt hat, stellt aber nicht nur die Online-Händler, sondern auch die Zusteller vor immer größere Herausforderungen. Aus diesem Grund haben in den vergangenen Monaten immer mehr Unternehmen die Reißleine gezogen und sich langsam aber sicher von dieser bedingungslosen Gratismentalität abgewandt.

Zalando: Reaktion auf geändertes Einkaufsverhalten

Ein Online-Shop, der sich durch die kostenlosen Lieferungen und Retouren zu einem Global Player im Fashion-Bereich gemausert hat, ist Zalando. Allerdings zeigten die Berliner im vergangenen Jahr eine deutliche Abkehr von ihrem zu Beginn noch so groß angepriesenen kostenlosen Versandversprechen. So hat der Online-Händler bereits Ende 2018 erst in Italien und schließlich auch in den Ländern Großbritannien, Irland, Spanien, Dänemark, Finnland, Schweden, Norwegen und Frankreich einen Mindestbestellwert für kostenlose Lieferungen eingeführt.

„Die Entscheidung zur Einführung steht im Zusammenhang mit dem Wachstum von Zalando und unserem Bestreben trotz des sich verändernden Einkaufsverhalten unserer Kunden den bestmöglichen Service zu bieten“, so die Erklärung von Anne Gläßer, Sprecherin des Unternehmens.

Seit der Anpassung müssen italienische Kunden beispielsweise 3,50 Euro für die Lieferung bezahlen, wenn der Bestellwert unter 25 Euro liegt. Zalando selber betont, dass sowohl der kostenlose Versand als auch die gebührenfreien Retouren weiterhin ein wichtiger Bestandteil des eigenen Serviceangebotes bleiben. Aber: „Wir sehen jedoch, dass die Kunden anders einkaufen. Zum einen haben insbesondere Mobiltelefone dazu geführt, dass App-Benutzer häufiger bei uns einkaufen, aber auch weniger Artikel in den Warenkorb legen. Zum anderen sehen wir, dass das Einkaufsverhalten unserer Kunden sehr unterschiedlich ist. Einige wünschen sich ein Basic-Shirt für 15 EUR, andere wollen mehr ausgeben und für die ganze Familie einkaufen. Um unseren Kunden diese unterschiedlichen Optionen bieten zu können und dabei als Unternehmen zu wachsen, haben wir den Mindestbestellwert eingeführt“, führt Anne Gläßer weiter aus.

Dahingehend spielt auch das Thema Nachhaltigkeit bei Zalando eine immer größere Rolle, weshalb der Modehändler eine entsprechende neue Strategie eingeführt hat. Mit dieser hat sich der Online-Händler verpflichtet, beim eigenen Geschäft inklusive der Lieferung und Retoure klimaneutral zu arbeiten. „Es ist uns wichtig, nicht länger Teil des Problems, sondern Teil der Lösung zu sein. Deshalb wollen wir mit gutem Beispiel vorangehen, erhöhen die Standards, ergreifen die Initiative und arbeiten mit unseren Partnern gemeinsam daran, die wichtigsten Herausforderungen unserer Zeit zu lösen – Klimawandel, Ressourcennutzung und Arbeitnehmerrechte“, so die Zalando-Sprecherin. Ob auch Kunden in Deutschland künftig einen Mindestbestellwert für kostenlose Lieferungen erreichen müssen, dazu wollte der Online-Händler noch keine Aussagen machen. Allerdings lebe man eine „Kultur des Wandels“ und werde entsprechende Maßnahmen ergreifen, wann immer diese nötig sind.

Viel-Retournierer landen auf der schwarzen Liste

Neben Zalando haben auch andere Händler in den vergangenen Monaten einen strengeren Blick auf die Liefergewohnheiten der Kunden geworfen. Im Fall des britischen Modehändlers Asos betrifft das vor allem die Retouren. So achtet das Unternehmen seit dem letzten Jahr verstärkt auf das Retourenverhalten seiner Käufer. Kommt es hier zu ungewöhnlichen Aktivitäten – wenn beispielsweise viel und in größeren Mengen zurückgesandt wird oder bereits getragene Kleidungsstücke Teil der Retoure sind – sperrt Asos das entsprechende Kundenkonto.

Ähnlich geht neuerdings auch der Billig-Marktplatz Wish vor. Die Plattform ist bereits dazu übergegangen, vermehrt Kundenkonten zu sperren. „Dein Konto wurde wegen übermäßig vieler Rückerstattungen markiert“, so die Erklärung in der entsprechenden Benachrichtigungsmail. Der Käufer hätte die „großzügigen Rückerstattungs- und Rückgaberichtlinien“ von Wish missbraucht und demzufolge den Zugriff auf sein Konto verloren. Allerdings gibt der Marktplatz keine konkrete Auskunft darüber, was unter „übermäßig vielen Rückerstattungen“ verstanden wird. So sollen einige User bereits bei der ersten Retoure gesperrt worden sein. Besonders prekär: Hat der Nutzer erst einmal den Zugriff auf seinen Account verloren, ist auch der Zugang zum Kundenservice blockiert. So lassen sich auch keine Artikel mehr reklamieren oder mögliche verlorengegangene Lieferungen melden. Diese Vorgehensweise ist der Verbraucherzentrale Brandenburg ein Dorn im Auge, da Wish die Kunden daran hindert, ihre Käuferrechte wahrzunehmen. 

Dass sich ausgerechnet Wish zu diesem Schritt entschieden hat, ist auf den ersten Blick zwar löblich, allerdings ist der Billig-Marktplatz bekannt dafür, Produkte mit minderwertiger Qualität, falschen Größenangaben oder abweichenden Produktbeschreibungen anzubieten. Aus diesem Grund liegt die Retourenrate von Kunden der Plattform relativ hoch. Und noch ein Punkt lässt daran zweifeln, dass Wish aus Umweltschutzgründen nun Viel-Retournierer auf dem Kieker hat: Um sich als Nutzer wieder zu rehabilitieren und den eigenen Account zu entsperren, muss der Kunde seinen guten Ruf auf der Pklattform wieder herstellen. Und das lässt sich nur durch weitere Einkäufe erreichen.

Der tägliche Kampf mit den Retouren

Wie sehr vor allem die kleinen und mittelständischen Online-Händler unter dem Retourenwahnsinn leiden, zeigte auch die Händlerbund Logistik-Studie 2019. Hier gaben 78 Prozent der befragten Verkäufer an, beschädigte Retouren zu erhalten. Vielen Verkäufern bleibt dann nichts anderes übrig, als diese zu vernichten, denn oft ist dies die günstigste Variante. 18 Prozent der befragten 531 Verkäufer gaben demnach an, dass Recycling unwirtschaftlich sei. Bei diesen Zahlen ist es also kein Wunder, dass sich viele Online-Händler sogar eine gesetzliche Pflicht für eine Retouren-Gebühr wünschen.

Wirtschaftsforscher von der Universität Bamberg haben Ende letzten Jahres eine entsprechende Befragung unter Händlern durchgeführt, die ergeben hat, dass sich ein Großteil eine eben solche Gebühr wünschen würde. Auf eigene Faust eine solche zu erheben, kommt für viele Verkäufer momentan allerdings nicht in Frage. Der Wettbewerbsdruck ist einfach zu hoch.

Ob und wann es eine solche Regelung geben wird, steht aktuell noch in den Sternen. Die Entwicklungen – vor allem im letzten Jahr – zeigen allerdings, dass Händler verstärkt daran arbeiten, ihre Kunden hin zu bewussterem Online-Shopping zu erziehen und ihnen klarzumachen, dass der kostenlose Versand längst keine Selbstverständlichkeit mehr ist.