Die Versandriesen Otto und Tchibo sowie Avocadostore, ein Online-Marktplatz für Eco Fashion, nehmen an einem auf drei Jahre angesetzten Forschungsprojekt teil, um Mehrweg-Versandtaschen in der Praxis zu testen. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt praxPACK wird vom Hamburger Institut für Ökologie und Politik (Ökopol) koordiniert. „Wenn es im Handel so weitergeht, knacken wir in vier Jahren die Eine-Million-Tonnen-Marke für Versandverpackungsmüll“, sagt Lisa Rödig von Ökopol. Schon jetzt werden in Deutschland etwa 800.000 Tonnen Versandverpackungen aus Papier, Pappe, Karton oder Kunststoff verbraucht.
„Eine Lösung, um diesen Ressourcenverbrauch einzudämmen, ist, die Einweg- mit Mehrweg-Verpackungen im Versandhandel zu ersetzen“, erklärt Rödig weiter. Im Rahmen des Tests werden RePack-Mehrwegversandtaschen aus recyceltem Kunststoff verwendet. Erfahrungen und Ergebnisse von Otto, Tchibo und Avocadostore sollen aufbereitet, in eine Online-Toolbox überführt und der E-Commerce-Branche zur Verfügung gestellt werden. Die RePack-Tasche könne auf Briefgröße zusammengefaltet und frei per Post zurückgeschickt werden. Sie soll bis zu 20 mal verwendet werden können.
Mehrwegtaschen in eigene Logistik integrieren
In dem Forschungsprojekt gehe es darum, herauszufinden, wie Mehrwegverpackungen in die eigene Logistik eingeführt werden können und wie die Akzeptanz beim Kunden ausfällt und gesteigert werden kann. Tchibo will ab Ende August 7.500 Einwegversandtaschen durch die RePack-variante ersetzen. Dabei sollen vor allem Versandaufträge für Textilien innerhalb Deutschlands berücksichtigt werden. Parallel soll eine Kundenbefragung durchgeführt werden. „In der Testphase sind einige Punkte entscheidend: Wie gut durchläuft die Mehrwegtüte die logistischen Prozesse? Welche Auswirkungen verursacht die Mehrwegtüte am Packplatz? Und nicht zuletzt: Werden die Kunden die Mehrwegtüten auch zurücksenden?“, erklärt Alexander Ralfs, Director Supply Chain Management & Logistics bei Tchibo.
Avocadostore will etwa 2.000 RePack-Verpackungen nutzen. Anders als bei Tchibo, wo die Kunden, die ihre Ware mit einer Mehrwegtasche bekommen, zufällig ausgewählt werden, will Avocadostore die Tasche als Option beim Check-out anbieten – gegen einen Aufpreis. Der Kunde soll sich bewusst für die umweltfreundlichere Variante entscheiden. Der Avocadostore hat für diese Option allein wegen seiner Fokussierung auf Nachhaltigkeit wohl die empfänglichere Käuferschaft. Man wolle die gesammelten Erfahrungen später explizit an kleine Eco-Unternehmen weitergeben.
Langfristig einheitliches Pfandsystem?
Bei Otto geht es auch darum, zu überprüfen, welche Hürden das RePack-System für den Logistikpartner Hermes mit sich bringt. Eine offene Frage ist dabei, wie die Rückholung der RePack-Taschen funktionieren wird. Man wisse noch nicht, wie die Kunden auf den Mehraufwand reagieren werden und wie die Aufbereitung und Wiederverwendung der Versandtaschen in die eigenen Prozesse integrierbar ist. Otto will den Test mit einer Kundenumfrage flankieren.
Zunächst werde man auf den guten Willen und die Kooperationsbereitschaft der Kunden setzen. „Eine Dauerlösung kann das aber nicht sein. Langfristig müsste hier über ein einheitliches Pfand- und Rückführungssystem nachgedacht werden. Das aber kann nur als Branchenlösung funktionieren“, betont Benjamin Köhler, Leiter der Nachhaltigkeitsabteilung bei Otto.
Bis zum Projektende Anfang 2022 sollen umfangreiche Erkenntnisse generiert werden, „wie Mehrwegsysteme gestaltet sein müssen, damit sie praxistauglich und wirtschaftlich tragfähig sind, und welche branchenspezifischen und politischen Rahmenbedingungen hierbei unterstützen können“, so Lisa Rödel von Ökopol. Der offizielle Startschuss für das Projekt fiel am 1. Juli 2019. Seitdem wurden Rahmenbedingungen, Abläufe und zeitliche Meilensteine des Projekts festgelegt.
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