1. Wie zusätzlicher Verpackungsmüll im Online-Handel überhaupt entsteht
2. Forderungen nach Nachhaltigkeit im Online-Handel werden lauter
3. Das leisten Mehrwegverpackungen
4. Mehrwegverpackungen in der Praxis
5. Recycelte und recycelbare Materialien
6. Wildplastic – Verpackungen aus alter Plastik
7. Passendes Design durch engen Austausch von Hersteller und Händler
8. Nachhaltige und optimierte Verpackungsmaterialien einsetzen
Das Wachstum im Online-Handel führt zu immer mehr Bestellungen und Paketen: Insgesamt wurden im Jahr 2020 ca. 3,6 Milliarden Sendungen befördert, schätzt die Bundesnetzagentur – 17 Prozent mehr, als noch 2019. Natürlich erlebte die E-Commerce-Branche infolge der Corona-Lockdowns einen erheblichen Schwung nach oben, doch sie wächst seit Jahren.
Analog zur Bestellmenge nehmen auch der Verpackungsverbrauch und somit der Verpackungsmüll zu – dieser erreicht längst Rekordhöhen. Aus diesem Grund kommt umweltfreundlichen, nachhaltigen Konzepten für Verpackungen eine immer größere Bedeutung zu. Wir geben einen Überblick über die verschiedenen Ansätze, Herausforderungen und Möglichkeiten des umweltfreundlicheren Verpackens.
Wie zusätzlicher Verpackungsmüll im Online-Handel überhaupt entsteht
Ohne Verpackungen geht es im Online-Handel in der Regel nicht. Händler müssen schließlich sicherstellen, dass ihre Produkte heil, sauber bzw. hygienisch und sicher beim Kunden eintreffen. „Nichts wäre weniger nachhaltig als ein beschädigter Artikel, daher bekommen alle Waren für den Versand eine Schutzverpackung“, bringt es Zalando auf den Punkt. Hinzu kommt, dass sich verpackte Waren mit deutlich weniger Zeit-, Platz- und somit Kostenaufwand befördern lassen. Deshalb sind die Anforderungen an die perfekte Verpackung hoch.
Allerdings begünstigt allein die Tatsache, dass die Waren für den Distanzhandel verpackt werden müssen, auch den Einsatz von mehr Materialien als unbedingt notwendig. Versandverpackungen kommen meist zusätzlich zu den Primärverpackungen zum Einsatz, Produkte sind also doppelt verpackt. Viele Hersteller gestalten die primäre Abpackung ihres kompletten Sortiments inzwischen außerdem noch robuster, um beispielsweise Anforderungen an den Stauchschutz beim Online-Versand zu entsprechen. Dabei unterscheiden sie hinsichtlich des Materialeinsatzes allerdings nicht, ob die Produkte tatsächlich in den Distanz- oder aber in den Einzelhandel gelangen, erläutert das Umweltbundesamt in einer Untersuchung von 2019. Das sei beispielsweise besonders bei Elektrogeräten der Fall.
Für den Versand greifen einige Online-Händler überdies auf Kartons in Standardgrößen zurück. Solche Norm-Kartonagen können allerdings auch stark überdimensioniert sein, wodurch nicht selten zusätzlicher Abfall entsteht. Für den Schutz des Produkts kommen weitere Materialien zum Einsatz: Luftpolster und Luftpolsterfolie aus Plastik, Polstermittel und Einschläge aus Packpapier, Seidenpapier etc., Formteile, Versteifungen aus Polyethylen, Schaumstoffe, Wellpappe und dergleichen. Bei den Kartons und Verpackungsmaterialien handelt es aber vor allem meist um Einwegmaterialien, die nach einmaliger Verwendung entsorgt werden.
Forderungen nach Nachhaltigkeit im Online-Handel werden lauter
So ist es nicht verwunderlich, dass immer öfter umweltfreundlichere Alternativen erwartet und eingefordert werden. Gut drei Viertel der deutschen Verbraucher wünschen sich von Herstellern Produkte, bei denen möglichst wenig Verpackungsmüll entsteht, zeigte eine Ipsos-Studie von 2019.
Ebenso rückt das Thema politisch stärker in den Fokus, wodurch auch der öffentliche Druck auf Online-Händler wächst: Als etwa kürzlich Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) einen neuen Gesetzesentwurf vorlegte, der beim Verkauf von Getränken und Speisen außer Haus ab Januar 2023 Mehrwegbehälter zur Pflicht macht, forderte Greenpeace, dies auch auf den E-Commerce auszuweiten: „Statt allein die Plastikfluten aus Schnellrestaurants und Bäckereiketten einzudämmen“, müsse Mehrweg zum Standard in ganz Deutschland gemacht und somit auch der Online-Handel in die Mehrwegpflicht genommen werden – ein „Paradigmenwechsel“ sei notwendig, um die Plastikflut zu bewältigen, so die Umweltorganisation. Auch Umweltverbände wie die Deutsche Umwelthilfe sowie und die Partei Die Grünen, fordern verstärkt, im Online-Handel Mehrweg-Lösungen einzusetzen.
Das leisten Mehrwegverpackungen
Mit Mehrwegverpackungen ließen sich laut dem Umweltbundesamt zwischen 180.000 und 370.000 Tonnen Verpackungsabfall pro Jahr einsparen – das wären 45 Prozent weniger Müll. Zalando, Otto und Tchibo sowie Avocadostore haben diese Variante ausprobiert und dabei die Versandtaschen des finnischen StartUps RePack verwendet. Diese bestehen aus langlebigem und recyceltem Kunststoff und können mindestens 20 Mal verwendet werden. Dadurch könnten potenziell CO2-Emissionen aus Versand und Retoure um bis zu 80 Prozent sowie Verpackungsabfälle generell merklich reduziert werden.
In dem zweiwöchigen Pilottest hat Otto knapp 5.000 solcher Mehrwegversandtaschen genutzt. Wer die Tasche erhielt, wurde nach einem Zufallsprinzip entschieden. Der Test lief „besser als gedacht!“, wie uns der Handelskonzern auf Nachfrage erklärte. „Wir haben alle Kund*innen, die im Rahmen unseres Testlaufs eine wiederverwendbare Versandtasche erhalten haben, gebeten, an einer freiwilligen (nicht repräsentativen) Umfrage teilzunehmen. Der Mehrheit fiel die Mehrwegversandtasche positiv auf – zudem gefiel der großen Mehrheit, dass wir eine Alternative zur klassischen Einwegverpackung zumindest testen.“
Zalando hatte 2019 mit RePack einen Pilottest gestartet und diesen im September 2020 fortgesetzt. Konkrete Zahlen oder Ergebnisse könne man uns nicht nennen, man habe aber „wichtige Erkenntnisse zu Umsetzbarkeit und Kundenakzeptanz gewinnen“ können. Für Zalando seien Mehrwegversandverpackungen sehr interessant, das Unternehmen beschäftige sich laufend damit.
Mehrwegverpackungen in der Praxis
Für eine großflächige Verwendung dürften sich in der Praxis allerdings noch verschiedene Hürden stellen – denn wenn die Beutel ohnehin zurückgeschickt werden, könnten viele Kunden diese Möglichkeit für Retouren nutzen. Das wäre wahrlich nicht im Interesse der Händler und auch alles andere, als nachhaltig. Bei Otto wurden insgesamt 75 Prozent der im Test verschickten RePack-Taschen zurückgesendet – „darunter natürlich ein signifikanter Anteil mit zu retournierenden Artikeln, aber eben auch leere Taschen, ohne Inhalte“, erklärte ein Konzernsprecher. Doch sei die hohe Quote durchaus hervorzuheben, da man kein Pfand oder sonstige Sondergebühren erhoben und somit „rein an den guten Willen appelliert“ hat. „Wir hatten mit einer geringeren Rücksendequote gerechnet“, so Otto.
Möglich wäre es, ein Pfandsystem zu etablieren – der Otto-Umfrage nach dem Test zufolge sei ein Großteil sogar dazu bereit. Damit es funktioniert, spricht sich der Konzern für eine individuelle, freiwillige Wahlmöglichkeit pro / contra Mehrwegverpackung im Checkout-Prozess aus, z. B. mit Vorteilen für Kunden, die sich für die Mehrwegvariante entscheiden. Auch hält Otto die Einführung im kleineren Rahmen für möglich. „Vor einer flächendeckenden oder gar branchenweiten Einführung aber gilt es, insbesondere die erheblichen Mehraufwände in der Logistik zu durchdenken. Der Aufwand für Rückversand, Reinigung, Aufbereitung und Desinfektion ist nicht zu unterschätzen, zumal der Personalbedarf in der Logistik bekanntlich schon heute beträchtlich ist und teils nur schwer gedeckt werden kann. Auch der zusätzliche Platzbedarf in den Fahrzeugen ist bei zehn- oder gar hunderttausenden zu transportierenden Mehrwegversandtaschen pro Tag signifikant“, gibt das Unternehmen zu bedenken.
Recycelte und recycelbare Materialien
Damit überhaupt weniger Müll entsteht, gibt es drei ökologische Grundsätze: „Reduce, Recycle, Reuse“ – Reduzieren, Recyclen, Wiederverwenden. Das letzte Kriterium spielt auf Mehrwegverpackungen an – doch diese sind nicht immer eine Option. In diesem Fall könnten verstärkt Produkte, die im Recyclingprozess entstehen (sogenannte Rezyklate) für die Verpackungsherstellung verwendet werden, fordert Dirk Messner vom Umweltbundesamt. So könnte man vermehrt Rezyklate aus den Abfällen, die in der gelben Tonne landen, nutzen – bisher würden sie nur in Verpackungen für Reinigungsmittel und Farben eingesetzt.
Zalando hat dieses Thema bereits auf dem Schirm: Nach eigenen Angaben bestehen inzwischen mehr als 96 Prozent des Verpackungsmaterials aus recycelten oder aber erneuerbaren Substanzen. Insgesamt verbrauchte Zalando 2019 mehr als 44.000 Tonnen Verpackungsmaterial – davon kämen bereits 91 Prozent aus erneuerbaren Quellen. Die eigenen Kartons würden schon zu 100 Prozent recycelter Pappe bestehen und mit einem Klebstoff aus Pflanzenstärke zusammengehalten. Da Klebekanten integriert sind, kommen 60 Prozent der Kartons ohne zusätzliches Klebeband aus. Und auch die typische weiße Außenschicht der Kartons wurde nicht weiß bedruckt, sondern bestehe aus Recyclingpapier, für den Markenaufdruck wird wasserbasierte Tinte verwendet. Für zerbrechliche Produkte, wie etwa aus dem Kosmetikbereich suchte das Unternehmen nach Lösungen – sie wurden früher in Luftpolsterfolie und anschließend in einem Karton verpackt. Inzwischen bestünden die „Beauty Bags“ zu 100 Prozent aus recyceltem Papier und anderen nachhaltigeren Materialien.
Aber nicht nur die großen, sondern auch kleinere Händler schreiben sich die Nutzung umweltfreundlicher Verpackungen auf die Fahnen: Die Wäsche-Marke erlich-Textil verwendet beispielsweise Kartons mit dem RESY-Siegel, das die Recyclingfähigkeit der verwendeten Materialien laut Verpackungsverordnung garantiert. Die Kartonagen kommen ohne Zusatz- oder Verbundstoffe (wie Beschichtungen, Klebstoffe o. ä.) aus, was deren Rückführung in den Kreislauf erleichtert.
Wildplastic – Verpackungen aus alter Plastik
Neben den Kartonagen ist vor allem der entstehende Plastikmüll ein gravierendes Umweltproblem: In jeder Minute landet eine Lkw-Ladung Plastik in den Weltmeeren, veranschaulicht die Webseite Oceana. Jährlich kämen 4,8 bis 12,7 Millionen Tonnen hinzu, so der WWF. Der Online-Handel, u. a. Amazon, soll an dieser Verschmutzung wesentlich beteiligt sein.
Ganz verzichten kann man auf das Material nicht, denn Ware lässt sich in Plastik teilweise besser verpacken, als in Papier, weil der Stoff robuster ist. Allerdings: „Wenn man weiß, wie viel Plastik in die Umwelt gekippt wird, stellt sich die Frage: Warum nicht aus den vorhandenen Materialien neue recyclebare Produkte herstellen und somit die Herstellung von Neuplastik vermeiden?“ fragt deshalb das Hamburger StartUp Wildplastic. Ihre Mission: „Wiederverwerten, statt immer mehr Ressourcen zu verbrauchen. Produkte herstellen, die den Planeten aufräumen. Dafür stehen wir. Deshalb besteht die Wildbag aus wildem Plastik und ist vollständig recycelbar“.
Diese Idee macht sich auch Otto zunutze und hat Mitte 2020 einen Testlauf mit Versandtaschen gestartet, die das junge Unternehmen aus recyceltem Plastik gefertigt hat, welches zuvor in der freien Natur von Kollektiven und Initiativen aufgesammelt wurde. Die Arbeit mit dem StartUp werde in Zukunft fortgesetzt, erklärte Karla Jabben aus dem Nachhaltigkeitsteam des Konzerns im Otto-Podcast zum Jahresende 2020.
Beispielsweise hat Otto Anfang 2020 auch einen Pilotversuch mit Polybeuteln – jene dünnen Kunststoffhüllen, die Textilien während des Versands schützen – aus recyceltem Plastik gestartet. Etwas fortgeschrittener ist der Einsatz mit den Beuteln aus recyceltem Material bereits bei Modehändler Zalando: Nach Unternehmensangaben konnte der Anteil an Recyclingmaterialien in diesen Hüllen mittlerweile von 64 auf 90 Prozent angehoben werden, sodass Frischplastik immer weniger zum Einsatz kommen müsse. Um Kunststoff-Versandtaschen gänzlich zu ersetzen, testet Zalando derzeit in Schweden, Finnland, Norwegen und Dänemark sowie in einem der deutschen Logistikzentren Alternativen aus Recyclingpapier.
Bei der bereits erwähnten Marke erlich-Textil bestehen Kunststoffhüllen aus 100 Prozent recyceltem LDPE. Das Kürzel steht für „low density polyethylen“ und meint, dass die Beutel aus alten Plastikflaschen, Seifenspendern, Tuben, Eimern oder Folien hergestellt werden.
Passendes Design durch engen Austausch von Hersteller und Händler
Auch Online-Riese Amazon liegt das Thema Verpackungen am Herzen, seit 2008 werden Initiativen unter dem Motto „frustfreie Verpackung“ unterstützt, informiert das Unternehmen auf seinem Blog. Unter anderem arbeitet Amazon dafür auch eng mit den Herstellern zusammen, um die optimale Verpackung zu finden. Die frustfreien Verpackungen kämen ohne überflüssige Bestandteile wie Plastik-Clamshells oder Kabelbinder, sollen zu 100 Prozent recycelbar sein – und sich einfach öffnen lassen. Ein Beispiel für die enge Entwicklung einer nachhaltigen Verpackung ist die Zusammenarbeit mit Henkel für die Beauty-Marke N.A.E, für die eine solche Lösung kreiert wurde. Hier wurde neben den Materialien auch ein materialsparendes Design entworfen, das die Ware schützt, gleichzeitig aber auch ansprechend präsentiert.
Nachhaltige und optimierte Verpackungsmaterialien einsetzen
Daneben gibt es weitere Möglichkeiten, den Einsatz des Verpackungsmaterials zu verbessern. So hat sich beispielsweise das Unternehmen Enviro der Verpackungsoptimierung verschrieben und etwa eine spezielle Stretchfolie entwickelt, durch deren Zusammensetzung sich der Materialeinsatz bis zu 50 Prozent verringert. Auch ein vom Unternehmen entwickeltes Packband sowie Füllmaterial folgt diesen Prinzipien.
Darüber hinaus gibt es bereits zahlreiche Anbieter, die online nachhaltige Verpackungsmaterialien an Unternehmen verkaufen – dazu zählen beispielsweise Anbieter wie Papacks oder Packhelp. Die größte Herausforderung beim Einsatz nachhaltiger Verpackungen ist, so Manuel Leibrock, CMO und Head of Sales der Papacks Sales GmbH, ob diese für das Produkt funktioniert. Gerade für Lebensmittel oder Pharmaprodukte müssen Lösungen in der Regel individuell und gemeinsam mit dem Kunden geprüft bzw. angepasst werden. Hingegen: „Für technische Produkte ist eine Umstellung eher unproblematisch.“ Papacks bietet Verpackungen, die komplett aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt wurden und zum Beispiel ins Altpapier oder in der Biotonne entsorgt werden können. Wichtig für nachhaltige Verpackungen sei, so Leibrock, dass der Recycling- bzw. Kreislaufprozess real existiert und auch nachvollziehbar ist. Ein No-Go ist seiner Ansicht nach Greenwashing, also wenn die Verpackung äußerlich nachhaltig wirkt, innen aber Plastik oder Aluminium eingesetzt werden.
Ehrgeizige Ziele, hohes Potenzial und viel Druck
Große Händler und Plattformen wie Otto, Amazon oder Zalando haben die Verpackungsoptimierung bereits auf dem Schirm. Zalando will beispielsweise bis 2023 alle verwendeten Verpackungen so entworfen haben, dass Abfälle minimiert und Materialien wieder verwendet werden können – auf Einwegplastik will man vollständig verzichten. Viele kleinere Marken, die auch ein nachhaltiges bzw. umweltbewusstes Sortiment anbieten, setzen oft bereits von Anfang an auf entsprechende Verpackungsmaterialien und unterstreichen dadurch ihre gesamte Glaubwürdigkeit.
Und das hat Folgen: Nach Beobachtungen des Papacks-CMO Leibrock häufe sich das Interesse an nachhaltigen Varianten seit dem letzten Jahr merklich – insbesondere auch durch politische Arbeit, Plastikverboten sowie erhöhte Verpackungsabgaben für Plastik. Aber eben auch der Druck der Kunden nehme zu, der nicht zuletzt durch die Vorreiter der Branche ausgelöst wird und die Nachzügler zum Handeln zwinge. Wer künftig weiterhin bei seinen Kunden punkten möchte bzw. diese nicht an Anbieter nachhaltiger Alternativen verlieren will, wird sich kurz- oder langfristig also verstärkt mit seinem Verpackungskonzept auseinandersetzen müssen.
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