Zunehmende Paketberge, enge Straßen und Fahrverbote in Innenstädten – die Arbeit von Paketzustellern ist in den letzten Jahren nicht einfacher geworden. Eine effektive und vor allem nachhaltige City-Logistik zu schaffen, stellt hiesige KEP-Dienstleister vor immer größere Probleme. Statt spritfressender Transporter erwarten vor allem auch die Kunden eine umweltfreundliche Zustellung, Stichwort grüne letzte Meile. Um den Anforderungen gerecht zu werden, aber auch den Boten vor allem die Zustellung in den Innenstädten zu erleichtern, haben die großen KEP-Dienstleister um DHL, Hermes, GLS, aber auch Amazon in den letzten Jahren etliche Projekte gestartet, um die Paketlieferung auf der letzten Meile zu revolutionieren. Eines ist den Konzernen in dieser Zeit besonders bewusst geworden: Ein Allheilmittel für alle Städte wird es nicht geben, es braucht individuelle Lösungen.
Lastenräder und Micro-Depots
Für eine effiziente und vor allem umweltfreundliche City-Logistik setzten viele KEP-Dienstleister in den vergangenen Jahren verstärkt auf Lastenräder in Verbindung mit Micro-Depots. GLS hat bereits im Jahr 2016 in Konstanz die ersten Lastenräder für die Zustellung auf der letzten Meile genutzt. Grund war damals die recht kurzfristige Entscheidung der Stadt, die Innenstadt für den Lieferverkehr zu sperren. Da GLS aber dennoch Geschäfte beliefern musste, griff der Logistiker zu den Lastenrädern. Dieses „Diesel-Gate“ war der Startschuss für den Konzern, sich intensiv mit alternativen Zustellmethoden auseinanderzusetzen, denn dem KEP-Dienstleister war klar, dass sich ähnliche Probleme schon bald in anderen Städten auftun könnten.
Inzwischen fahren die Cargobikes nicht nur von GLS, sondern auch von Hermes und DPD durch zahlreiche Städte in ganz Deutschland. Besonders Hermes treibt neben der Problematik, die Innenstädte trotz der Widrigkeiten weiterhin ordnungsgemäß beliefern zu können, noch ein ganz anderes Ziel an. So plant der Logistiker im Rahmen des Projekts „Urban Blue“, bis 2025 die Innenstädte der 80 größten deutschen Städte emissionsfrei beliefern zu wollen. Dafür setzt der Konzern auch auf den Einsatz von elektrischen Transportern.
Die Vorteile der Lastenräder im Vergleich zu konventionellen Fahrzeugen sieht der Paketdienst vor allem darin, dass die Räder auch bei dichtem Verkehrsaufkommen und Stau sehr flexibel und mobil sind und direkt an die Haustür fahren können. Zusätzlich sind weder Parkplätze noch Ladezonen erforderlich und durch die fehlende Führerscheinpflicht wird eine ganz neue Gruppe möglicher Zusteller angesprochen. Dieser Punkt spielt besonders mit Blick auf den stetig steigenden E-Commerce und den gleichzeitig drastisch wachsenden Fahrermangel für viele KEP-Dienstleister eine entscheidende Rolle.
KoMoDo: Zusammen an einem Strang
Unter dem Namen „Kooperative Nutzung von Mikro-Depots durch die Kurier-, Express-, Paket-Branche für den nachhaltigen Einsatz von Lastenrädern in Berlin“, kurz KoMoDo, entstand im Sommer 2018 ein bis jetzt einmaliges Forschungsprojekt der fünf größten nationalen Paketdienstleister DHL, DPD, GLS, Hermes und UPS. Die Unternehmen haben sich zusammengetan und in Berlin eine kooperative Nutzung von Micro-Depots für den nachhaltigen Einsatz von Lastenrädern vereinbart. Für das Projekt wurde eine Logistikfläche zur Verfügung gestellt, auf der insgesamt sieben Mikro-Depots Platz haben, von da beliefern die Logistiker ihre Kunden mit den emissionsfreien Lastenrädern.
Im November 2019 wurde die erste Testphase erfolgreich beendet, da die beteiligten Firmen allerdings größtenteils zufrieden mit dem Verlauf waren, wurde eine Verlängerung des KoMoDo-Projekts bekannt gegeben. Allerdings nur noch mit DHL, DPD, GLS und Hermes. Der fünfte im Bunde, UPS, hatte sich nach einem Jahr aus dem Forschungsprojekt zurückgezogen, nach eigenen Angaben war es für den Konzern schwer, im betreffenden Stadtteil die Lastenräder einzubinden. Auch eine solche Zusammenarbeit unter eigentlich konkurrierenden Firmen kann Möglichkeiten für eine nachhaltige Zustellung schaffen.
Das Scheitern der Streetscooter
Einer der größten Hoffnungsträger für die emissionsfreie Paketzustellung auf der letzten Meile waren lange Zeit die Streetscooter. Das StartUp aus Aachen wurde im Jahr 2010 von Günther Schuh, Professor für Produktionssystematik an der RWTH Aachen und Achim Kampke gegründet, 2014 hat die Deutsche Post DHL Group das Jungunternehmen gekauft und als Tochterunternehmen fortgeführt. Unter der Flagge des Bonner Konzerns erlebten die E-Transporter einen rasanten Aufschwung, innerhalb kurzer Zeit konnte die Flotte der elektrischen Lieferwagen auf über 11.000 erhöht werden. Nach eigenen Angaben von Postchef Frank Appel hat man „eine der größten elektrisch betriebenen Lieferflotten der Welt und bedeutende Impulse in Sachen Elektromobilität gesetzt“. Auch an Drittunternehmen wurden die kleinen E-Transporter verkauft, eine echte Alternative also zu den herkömmlichen, benzinbetriebenen Wagen.
So positiv die Streetscooter auch für eine umweltfreundliche Zustellung auf der letzten Meile waren, rein wirtschaftlich hat sich die Entwicklung der E-Transporter wohl nicht gelohnt. Die Deutsche Post DHL Group hatte bereits seit einigen Jahren einen Käufer für die Konzerntochter gesucht, im Jahr 2019 soll das StartUp einen Verlust von stolzen 100 Millionen Euro eingefahren haben. Aus Mangel an einem neuen Investor hat der Bonner Logistiker schließlich im vergangenen Jahr die Reißleine gezogen und bekannt gegeben, die Produktion der Streetscooter einzustellen. „Wir haben immer gesagt, dass wir kein Autohersteller sein wollen“, begründete damals Vorstandschef Frank Appel.
Ein herber Schlag auch für den einstigen Mitgründer Günther Schuh, der mit dem Ende der Streetscooter-Produktion Deutschland ein Armutszeugnis ausstellt. „Wir schaffen das Unmögliche nicht, weil wir es gar nicht erst versuchen“, lautete sein Fazit in einem Kommentar. Die Deutschen suchen „eher nach kleinen, machbaren Ideen“, so seine Kritik. Trotz des Produktionsendes der Streetscooter hält die Deutsche Post auch weiterhin an einer grünen letzten Meile fest und hat sich mit ihrer Mission 2050 zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2050 eine Null-Emissionen-Logistik zu erreichen. Dafür werde man auch weiterhin die Flotte auf E-Mobilität umstellen, so das Versprechen des KEP-Dienstleisters. Der Produktions- und Verkaufsstopp der umweltfreundlichen Streetscooter an Drittfirmen bedeutet allerdings auch einen kleinen Dämpfer auf dem Weg hin zu mehr Umweltschutz.
Roboter für die letzte Meile
Die steigenden Paketmengen, der zunehmende Verkehr und die rappelvollen Innenstädte machen aber auch Alternativen neben Lastenrädern und Co. dringend notwendig. Schon seit Längerem arbeiten viele Firmen an Robotern, die laufend oder rollend eigenständig Pakete zustellen. Das sorgt nicht nur für eine Entlastung im Stadtverkehr, auch die Zusteller erhalten durch die autonomen Helferlein tatkräftige Unterstützung. Einer der Vorreiter in Sachen Roboter-Technologie ist das Unternehmen Starship. Das StartUp entwickelt kleine autonome Roboter und arbeitet bei der Zustellung mit verschiedenen Lieferdiensten oder auch Restaurants zusammen.
2016 hat sich auch der deutsche KEP-Dienstleister Hermes für eine Kooperation mit Starship entschieden. Gemeinsam mit dem Technologie-StartUp wurden die Roboter von Oktober 2016 bis März 2017 in Hamburg sowie ab Frühjahr 2017 für mehrere Monate im Londoner Bezirk Southwark für die Paketzustellung erprobt, mit den Ergebnissen war der Logistiker durchaus zufrieden. Über 100.000 Roboter hat Starship bereits ausgeliefert. Anzutreffen sind die Roboter beispielsweise auf dem Universitätsgelände der George Mason University im US-Bundesstaat Virginia, wo sie die Lieferung von Nahrungsmitteln sowohl aus Restaurants als auch Lebensmittelgeschäften an die Studenten übernehmen.
Neue und innovative Liefertrends sind natürlich auch das Spezialgebiet von Amazon. Im Jahr 2017 kaufte der Online-Riese heimlich, still und leise das Roboter-StartUp Dispatch und präsentierte zwei Jahre später dank der erworbenen Technik seinen eigenen kleinen Lieferroboter mit Namen Scout der Öffentlichkeit. Das kleine blaue Lieferfahrzeug auf sechs Rädern hat seine Arbeit bereits in der Stadt Irvine im US-Bundesstaat Kalifornien aufgenommen, hier wurden Prime-Kunden mit Scout beliefert. Der Online-Händler setzt bereits in seinen Lagern zu großen Teilen auf automatische Helfer, kein Wunder also, dass der US-Konzern auch die schwierige letzte Meile ins Auge gefasst hat, um hier Roboter auf den Weg zu schicken.
Egal ob nun E-Transporter, Lastenräder oder doch Roboter: Vor allem auch die immer größer werdenden Kundenanforderungen für eine möglichst umweltfreundliche Paketlieferung stellt die großen KEP-Dienstleister vor die Aufgabe, alternative Transportmittel zu den herkömmlichen Dieselfahrzeugen zu schaffen und den eigenen Prozess möglichst emissionsfrei zu gestalten. Man darf gespannt sein, was die Zukunft dahingehend noch alles bereithält.
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