Dieser Artikel ist Teil unserer Logistik-Themenreihe. In verschiedenen Beiträgen stellen wir zentrale Schwerpunkte wie Hürden innerhalb der Lieferketten, moderne Arbeitszeitmodelle in der Branche, Potenziale künstlicher Intelligenz, rechtliche Absicherung beim Versand oder die Optimierungen von Verpackungen in den Fokus.
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Neben dem eigentlichen Produkt wird auch die Art und Weise, wie ein solches präsentiert wird, immer wichtiger. Sogenannte „Unboxing-Erlebnisse“ sind schon seit langem ein Trend auf diversen Social-Media-Plattformen. Dabei wird das Auspacken von Waren regelrecht zelebriert und gefilmt. Solche Clips sind für Firmen unbezahlbar und steigern den Wert der Marke enorm. „Ein gut durchdachtes Design kann dabei helfen, die Werte einer Marke zu vermitteln, das Produkt hervorzuheben und eine emotionale Verbindung zum Kunden aufzubauen, bzw. zu festigen. Für Luxus- und Premiumprodukte kann ein anspruchsvolles Unboxing-Erlebnis das Gefühl von Exklusivität und Wertigkeit verstärken. Nicht zu vergessen, dass der Empfang eines Paketes der erste physische Kontakt mit der Marke ist“, erklärt Boris von Brevern, Berater auf den Gebieten E-Commerce, Fulfillment, Omnichannel, Digitalisierung und Vertrieb, die Wichtigkeit einer guten Verpackung.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch unzählige Einträge, in denen sich User über zu große Verpackungen oder unnötig viel Verpackungsmaterial beschweren. Wenn ein kleiner Stift in einem riesigen Paket mit 90 Prozent Leerraum versendet wird, entspricht das nicht dem Nachhaltigkeitsgedanken, auf den so viele Kunden immer größeren Wert legen. Neben den Kundenbedürfnissen dürfen Verkäufer aber auch nicht die Kosten aus dem Blick verlieren. Und auch die Stabilität spielt eine entscheidende Rolle. Was nützt die beste Verpackung, wenn der Gegenstand dann kaputt beim Kunden ankommt?
All diese Punkte zeigen, wie komplex das Thema Verpackung für Händler ist, aber auch, dass die Bedeutung dieser für den eigenen Markenwert in den vergangenen Jahren immer weiter zugenommen hat.
Maximaler Kompromiss aller Komponenten muss gefunden werden
Bis vor einem Jahr waren vor allem die hohen Kosten für Verpackungen eine der größten Herausforderungen für Händler. Obwohl sich die Preise derzeit wieder etwas stabilisieren, ist es für Verkäufer nicht einfacher geworden, die „perfekte Verpackung” zu finden. „Als größte Herausforderung für Händler sehe ich die diametralen Anforderungen an eine Verpackung aufzulösen“, so Boris von Brevern. „Einerseits möchte das Marketing eine hochwertige Verpackung, die ein maximales Unboxing-Erlebnis erzeugt. Andererseits wünscht sich die Logistik eine Verpackung, die einfach im Handling und sicher im Versand ist. Gleichzeitig kommt der Nachhaltigkeitsbeauftragter und will eine umweltfreundliche Verpackung hinsichtlich Material und maximale Volumennutzung und schließlich sagt das Controlling, dass die Kosten so niedrig wie möglich sein sollten.“ Für den Experten lässt sich die Frage nach der perfekten Verpackung also einfach beantworten: Es gibt sie nicht. Für Händler gilt es, den größten Kompromiss für das eigene Versandsortiment zu finden.
Hier sind die Schwerpunkte, die jeder Verkäufer für sich selbst setzt, natürlich vollkommen unterschiedlich. Für den Online-Riesen Amazon beispielsweise steht die Effizienz der Verpackung, was Größe, Gewicht und Schutz des Inhaltes angeht, im Mittelpunkt, um sowohl die Logistikkosten als auch die Umweltauswirkungen so klein wie möglich zu halten. Vom Design hält es der Konzern recht einfach: ein einfacher schwarzer Pfeil, der nach oben zeigt auf braunem Karton, der aber inzwischen so bekannt ist, dass fast jeder Verbraucher die Versandverpackungen von Amazon sofort erkennt.
Ob sich für Unternehmen eine aufwändige Verpackung inklusive Auspack-Erlebnis lohnt, hängt allen voran vom Produkt, der Zielgruppe und auch der eigenen Markenpositionierung ab. „Während ein aufwändiges Unboxing-Erlebnis für bestimmte Produkte und Marken sinnvoll sein kann, bevorzugen andere Konsumenten und Unternehmen eine schlichtere, umweltfreundlichere Herangehensweise. Unternehmen müssen daher ein Gleichgewicht finden, das sowohl ihre Markenwerte widerspiegelt als auch die Bedürfnisse und Erwartungen ihrer Kunden erfüllt“, so der Hinweis des Experten.
Trend zur Nachhaltigkeit setzt sich durch
In den letzten Jahren hat sich beim Thema Verpackung allerdings eines ganz klar abgezeichnet: Der Trend geht immer stärker hin zu Nachhaltigkeit und der Reduzierung von Materialien. Dazu gehören im Online-Handel nun verstärkt auch Verpackungen aus alternativen Materialien wie Algen oder Pilzen. Allen voran pilzbasierte Verpackungen, insbesondere aus Myzelien (das Wurzelgeflecht von Pilzen), erweisen sich als vielversprechend, da sie vollständig kompostierbar und aus nachwachsenden Ressourcen hergestellt sind. Diese Art von Verpackungsmaterial wird aus natürlichen und erneuerbaren Rohstoffen hergestellt, ist biologisch abbaubar und kann sogar als Blumenerde wiederverwendet werden. Unternehmen wie Ecovative Design und ihre Kunden, darunter Ikea und Dell, nutzen bereits aktiv Pilzverpackungen für ihre Produkte, erklärt der Verpackungsexperte zu den Fortschritten in diesem Bereich.
Auch Versandhändler Otto ist auf den Zug der nachhaltigen Verpackungen bereits aufgesprungen und versendet seit Beginn des Jahres Bestellungen in Versandtaschen, die zu 100 Prozent aus „wildem Plastik“ bestehen. Damit sind Kunststoffabfälle gemeint, die in der Natur liegen. Gemeinsam mit der Organisation Wildplastic sammelt Otto diese auf und verarbeitet sie zu Versandtaschen weiter. Mit dieser Nachhaltigkeitsstrategie will der Konzern bei den Kunden punkten. Wie aber können dies kleine Händler bewältigen, deren Budget nicht für Verpackungen aus Algen, Pilzen oder wilder Plastik ausreicht?
Aller Anfang ist schwer – auch bei Verpackungen
Vor dieser Herausforderung steht auch Susanne Köhler. Die Leipzigerin verkauft seit 2017 und inzwischen als Vollzeit-Onlinehändlerin ihre handgemachten Werke sowohl über verschiedene Plattformen als auch in einem kleinen stationären Laden. Das Thema Verpackung begleitet sie schon seit ihren Anfängen und hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung weiter zugenommen. „Ganz am Anfang stand beim Verpacken für mich die Schönheit im Vordergrund“, erzählt die 30-Jährige. „Je professioneller mein Gewerbe wurde und je mehr Produkte es zu verpacken gab, desto mehr Gedanken habe ich mir zu dem Thema gemacht. Dabei habe ich mich viel bei Instagram und Pinterest inspirieren lassen. Im Online-Handel muss man natürlich ganz andere Sachen beachten, als im stationären Verkauf. Auch das Thema Nachhaltigkeit wurde in den letzten Jahren immer präsenter, sowohl bei mir als auch bei den Kunden. So versuche ich, schöne, nachhaltige, sichere und kostengünstige Verpackungen in meinem Alltagsgeschäft umzusetzen.“
Dass dies aber nicht immer einfach ist, musste die Leipzigern auch feststellen. „Gerade in der Anfangszeit war ich noch nicht so erfahren, welche Verpackungsmaterialien sich am Besten dazu eignen, auch zerbrechliche Materialien sicher zu umschließen, dass nichts zu Bruch geht. Da kam ab und an das Feedback von den Kunden, dass etwas nicht ganz angekommen ist und sich daher mehr Stabilität beim Versand gewünscht wurde. Das habe ich auch bestmöglich umgesetzt und stetig meine Verpackungstechnik ausgefeilt.“
Wiederverwendbare Verpackung mit Überraschungstütchen
Um auch mit einem knappen Budget möglichst nachhaltig zu versenden, verwendet Susanne vor allem wiederverwendbare Verpackungen. Dafür hebt sie Kartons und Füllmaterial auf, sammelt Zeitungen und bekommt auch von Freunden und Familien entsprechendes Verpackungsmaterial. „So habe ich meistens alles parat und muss kaum etwas dazu kaufen oder extra dafür anschaffen.“ Das hält nicht nur die Verpackungskosten gering, auch die Problematik der Verpackungslizenz ist deutlich kleiner.
Dennoch versucht die 30-Jährige stets die Kunden beim Auspacken positiv zu überraschen, denn das Thema Verpacken macht ihr nicht nur großen Spaß, sie geht dabei auch sehr detailverliebt vor und will mit kleinen Gesten und Aufmerksamkeiten ihre Kunden natürlich auch so bei der Stange halten. Alle Produkte werden neben den Verpackungsmaterialien noch in Seidenpapier gewickelt und diese mit Stickern und selbst gemachten Schildchen mit netten Botschaften versehen. Außerdem enthält jede Bestellung auch immer ein kleines „Überraschungstütchen". Zusätzlich hat sich Susanne Sticker anfertigen lassen, die auf die wiederverwendete Verpackung hinweisen „Hey du, ich bin eine wiederverwendete Verpackung. Nicht besonders hübsch, aber ich schone die Umwelt“. Mit diesen kleinen Tricks und Kniffen hält die Online-Händlerin sowohl ihre Kosten für Verpackungen relativ gering, kann aber dennoch bei den Kunden punkten.
Egal, ob großer Konzern oder kleiner Online-Händler, die passende Versandverpackung für das eigene Unternehmen zu finden und dabei Kundenerwartung, Budget und Nachhaltigkeit im Fokus zu behalten, ist nicht einfach. Dennoch zeigt sich, dass das Thema auch bei Kunden immer wichtiger wird. Firmen sind deshalb gut damit beraten, den Versandverpackungen mehr aufmerksam zu schenken. Dabei muss es nicht immer das ultimative Auspackerlebnis sein. Je nach Zielgruppe und Produkt müssen Händler ihre ganz individuelle Herangehensweise für sich entdecken, um Versandverpackungen ansprechend zu gestalten.
Artikelbild: http://www.depositphotos.com
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