Kunden wollen auch beim Online-Shopping möglichst nachhaltig agieren. Allerdings landen die meisten Versandverpackungen bereits nach nur einer Nutzung schon auf dem Müll. In Zeiten knapper Ressourcen ein Unding, so das Empfinden von Matthias Thesing und Marc Diefenbach. Die beiden haben deswegen das Unternehmen rhinopaq gegründet. Mit ihren wiederverwendbare Versandboxen soll nicht nur die Kundenzufriedenheit gesteigert, sondern auch die Kosten gesenkt werden. Zusätzlich spart der Versand mit rhinopaq bei jeder Nutzung CO2 ein.
Wir haben mit Co-Gründer Matthias Thesing über das Konzept von rhinopaq und dessen Vorteile für Online-Händler gesprochen.
Was genau ist das Konzept von rhinopaq und an wen richtet sich das Angebot?
Die Umsätze im Online-Handel und die damit verbundenen Lieferungen steigen seit Jahren kontinuierlich an. Mit wachsender Anzahl von Online-Bestellungen wachsen auch die Müllberge aus Verpackungsmüll ständig weiter an. Warum werfen wir diese wertvollen Ressourcen einfach weg? Unser Ziel ist es, einen Verpackungskreislauf aufzubauen. Dadurch reduzieren wir nicht nur den Verpackungsabfall, sondern auch die CO2-Emissionen.
Erzählen Sie uns etwas zu den Anfängen von rhinopaq. Wie, wo und wann ist die Idee zu den Mehrwegverpackungen entstanden?
Ich selbst wohne in einem Mehrfamilienhaus in Essen und täglich klingelt es gleich mehrfach an der Tür und Pakete werden angeliefert. Das hat zur Folge, dass unsere Altpapiertonnen ständig überfüllt sind. Während der Corona-Pandemie waren es noch einmal deutlich mehr Pakete. Eines Tages war ich wieder einmal auf dem Weg zu einem öffentlichen Altpapiercontainer, um den anfallenden Verpackungsabfall zu entsorgen. Es fing an zu regnen und ich zertrampelte wieder einmal Pappkartons, um diese noch irgendwie im überfüllten Container unterzubringen. Das war der Zeitpunkt, an dem ich mir die Frage gestellt habe, warum wir in Zeiten knapper Ressourcen und des Klimawandels noch immer Bäume fällen, um daraus Verpackungen herzustellen, deren Lebensdauer nur wenige Stunden beträgt. Das war die Geburtsstunde von rhinopaq.
Wie sieht das System konkret aus? Welche Kosten kommen auf Händler zu? Für welche Art von Produkten eignen sich die wiederverwendbaren Versandverpackungen besonders und für welche eher nicht? Gibt es Einschränkungen bei der Nutzung der Verpackung, was den Inhalt angeht?
Unser Mehrwegkonzept ist denkbar einfach. Wir stellen dem Online-Händler unsere Mehrwegverpackungen zur Verfügung, natürlich auch in einer Mehrwegverpackung. Der rhinopaq ist mit nur zwei Handgriffen einsatzbereit.
Aufgrund der Rückführung über den Briefkasten ist die Verpackungsgröße limitiert. Unser größter rhinopaq hat im Boxformat die Abmessungen 25 x 25 x 10cm. Durch den Einsatz robuster Materialien können unsere Verpackungen für den Versand verschiedenster Produkte eingesetzt werden.
Da Online-Shops häufig ein breites Produktportfolio mit unterschiedlichsten Produktgrößen anbieten, haben wir für unser Mehrwegkonzept eine eigene Softwarelösung entwickelt. Im Check-out des Shops werden Kund:innen auf die Möglichkeit des Mehrwegversands aufmerksam gemacht. Passen die Waren in einen rhinopaq, erscheint ein Pop-up und Kund:innen können den Mehrwegversand als Alternative zur Einwegverpackung auswählen.
Der Shop hat mit unserem Software-Plugin zusätzlich die Möglichkeit, einen Aufpreis für den Mehrwegversand festzulegen. Es entstehen somit keine Mehrkosten für Online-Shops.
Wählen Kund:innen den Mehrwegversand, verschickt der Händler seine Ware wie gewohnt, diesmal allerdings in unserer Mehrwegverpackung. Endverbraucher:innen entnehmen die Ware, falten den rhinopaq zusammen und werfen ihn einfach in den Briefkasten. Die Verpackung kommt zurück zu uns, wird aufbereitet und ist bereit für den nächsten Einsatz.
Kosten sparen mit dem Pay-Per-Use-Modell
Wie erfolgt die Rücksendung der Verpackungen? Kommen für die Konsumenten extra Kosten hinzu bzw. zusätzlicher Aufwand, um die Verpackungen wieder dem Verkäufer zurückzuschicken?
Jeder rhinopaq ist mit einem Retourenlabel versehen. Endverbraucher:innen müssen also nichts weiter tun, als den rhinopaq in den nächsten Briefkasten zu werfen. Alternativ besteht zusätzlich die Möglichkeit, den rhinopaq in einer der zahlreichen DHL-Filialen oder DHL-Partnershops (z. B. Kiosk) abzugeben.
Der Aufwand, Pappverpackungen durch die Gegend zu schleppen, wie wild auf ihnen herumzutrampeln oder an ihnen zu zerren, damit sie in den Container passen, gehört damit endgültig der Vergangenheit an.
Wie kommen die Mehrwegverpackungen bislang an, sowohl bei Händlern als auch Endverbrauchern? Sind die deutschen Konsumenten schon „bereit“ für wiederverwendbare Versandverpackungen?
Bis dato ist das Feedback durchweg positiv. Auf Händlerseite gibt es durch die Teilnahme an unserem Konzept zahlreiche Vorteile:
- Erhöhte Kundenzufriedenheit (Kund:innen können aktiv Mehrweg auswählen und einen Beitrag leisten)
- Entfall von Lizenzgebühren durch reduzierte Mengenmeldungen bei den dualen Systemen
- Reduktion von Personalkosten (unsere Mehrwegverpackungen sind mit nur zwei Handgriffen einsatzbereit)
- Keine Mehrkosten, keine Vertragsbindung (Mehrkosten können an Kund:innen weitergegeben werden)
- Regelmäßiges Reporting von Einsparungen durch rhinopaq (Nutzbar für das Nachhaltigkeits-Reporting)
Außerdem erhöht die Teilnahme an unserem Mehrwegkonzept die Reichweite teilnehmender Händler. Über einen QR-Code in der Verpackung kann der digitale Sendungsverlauf aufgerufen werden. Hier zeigen wir, wie viel CO2 dieser rhinopaq bereits eingespart hat. Außerdem werden alle Shops angezeigt, die diese Verpackung bereits genutzt haben. Dadurch entsteht ein Cross-Marketing-Effekt, von dem die Online-Shops profitieren.
In den sozialen Medien sehen wir, dass Endverbraucher:innen unser Mehrwegkonzept teilen und positiv darüber sprechen. Auch das erhöht die Reichweite von Online-Shops und natürlich auch von uns.
Wir sind davon überzeugt, dass die Aspekte der Nachhaltigkeit, das Bewusstsein für Klimaschutz und die Vermeidung von Verpackungsmüll ein starkes Bedürfnis der Endverbraucher:innen und Online-Shops bedienen.
Wie erfolgt die Reinigung der Mehrwegverpackungen? Wie oft können diese wiederverwendet werden und was passiert mit diesen, wenn der Lebenszyklus schließlich doch mal ein Ende gefunden hat?
Alle Verpackungen werden durch uns gereinigt, begutachtet, bei Mängeln aussortiert und dem Recyclingprozess zugeführt. Wir produzieren unsere Verpackungen in Deutschland, die Aufbereitung führen wir in Kooperation mit einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen durch.
Aktuell gehen wir von 20 erreichbaren Nutzungszyklen pro Mehrwegverpackung aus. Nach 10 Zyklen reduzieren wir die CO2-Emissionen gegenüber der Pappverpackung um mehr als 50 % und sparen 1,5 kg Verpackungsabfall ein.
Bei der Produktentwicklung haben wir darauf geachtet, ausschließlich ein Material zu verwenden. Das Material selbst hat eine Recyclingfähigkeit von nahezu 100 %. Heute können wir 60 % unserer Verpackungen wieder zu neuen rhinopaqs verarbeiten. Der andere Teil kann zu Komponenten mit weniger hohen Anforderungen wie z. B. Flaschenverschlüssen verarbeitet werden. Unser Ziel ist es, in Zukunft 100 % unserer Mehrwegverpackungen wieder zu neuen Verpackungen zu verarbeiten.
Es heißt „Aller Anfang ist schwer“. Wie schwer waren die Anfänge von rhinopaq? Welche Hürden mussten genommen werden? Gab es einen Moment, an dem das Projekt auf der Kippe zum Scheitern stand?
Wir haben lange nach geeigneten Herstellern und Partnern gesucht, die sich unser Konzept angehört haben und bereit waren, eine Mehrwegverpackung für uns zu produzieren. Für den Proof of Concept wollten wir nur kleine Stückzahlen anfertigen, um während der Pilotierung immer wieder neue Erkenntnisse direkt einfließen zu lassen. Dies war aufgrund von Mindestabnahmemengen oft nicht möglich.
Wir setzen unsere Idee mittels Bootstrapping um. Das bedeutet, dass wir nur begrenzte, private Ersparnisse einsetzen und uns nicht direkt Tausende von Verpackungen bestellen wollten (und auch konnten). Wir sind sehr froh, dass wir inzwischen zuverlässige Partner gefunden haben, mit denen wir in unserem Tempo und mit den verfügbaren finanziellen Mitteln unsere Idee umsetzen können.
Mit welchen Unternehmen/Handelspartnern arbeiten Sie inzwischen zusammen?
Unser Kundenportfolio im klassischen Online-Handel (also B2C) erstreckt sich mittlerweile auf zahlreiche Online-Shops, die vorrangig nachhaltige Produkte vertreiben. Neben Kleidung und Schmuck werden auch Drogerieartikel, Spielwaren und Stoffwindeln in rhinopaqs verschickt.
Ganz besonders freut uns, auch im B2B-Markt neue Partnerunternehmen gefunden zu haben. Der Premium-Hersteller von E-Bikes Riese & Müller setzt unsere Mehrwegverpackungen für den Kleinteileversand ein. In diesem Fall erfolgt der Warenversand an die Fachhändler in unseren Mehrwegverpackungen. Bei den Fachhändlern werden unsere Verpackungen in Sammelbehältern gesammelt. Ist der Sammelbehälter voll, wird dieser zu uns geschickt, wir kümmern uns auch in diesem Konzept um die Aufbereitung. Anschließend werden die Verpackungen Riese & Müller für die erneute Verwendung zur Verfügung gestellt.
Vielen Dank für das Gespräch!
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