Personalsystem Zonar

Überwacht Zalando seine Mitarbeiter?

Veröffentlicht: 21.11.2019 | Geschrieben von: Christoph Pech | Letzte Aktualisierung: 21.11.2019
Zalando-Hauptquartier

Zalando nutzt das Personalsystem Zonar. Damit können Vorgesetzte und Mitarbeiter die Leistung oder das soziale Verhalten von Mitarbeitern bewerten. Philipp Staab und Sascha-Christopher Geschke von der Berliner Humboldt-Universität haben an einer Studie zu dem System gearbeitet, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Ihre Kritik fällt harsch aus: „Im Kern geht es darum, Beschäftigte permanent zu bewerten, zu kontrollieren und zu sanktionieren", sagen die Forscher.

Mit Zonar, dass bei 5.000 von 14.000 Zalando-Mitarbeitern eingesetzt wird, erzeuge Zalando Überwachung, Leistungsdruck und Stress. Zudem würden Löhne gedrückt und ein „Klima der Angst“ erzeugt. Mitarbeiter, die nicht namentlich genannt werden wollen, äußern sich gegenüber der SZ kritisch über Zonar. „Egal wie gut dein Feedback ist, der Chef kann es auslegen, wie er will. Mag er dich nicht, ekelt er dich aus der Firma", heißt es von einer Mitarbeiterin. Zalando selbst stellt das System positiv dar. Zonar sei „wichtiger Bestandteil“ des Talentmanagements, es gebe sowohl Mitarbeitern als auch Führungskräften die Möglichkeit, „sich 360-Grad-Feedback einzuholen und zu geben“, sagt Personalchefin Astrid Arndt. Das System sei fairer als vorher, weil nicht mehr allein Führungskräfte entscheiden würden, wer Gehaltserhöhungen bekomme oder befördert werde. Zalando nennt es „gelebte Feedback-Kultur“.

„Stasi-Methoden“?

Von der Süddeutschen Zeitung befragte Mitarbeiter sehen das kritischer, sprechen von einer „360-Grad-Überwachung“. „Ich kann nicht einfach mal einen schlechten Tag haben. Man muss die ganze Zeit gute Miene zum bösen Spiel machen“, sagt eine Mitarbeiterin. Ein anderer Mitarbeiter setzt die Nutzung von Zonar, die er „unmöglich“ finde, gar mit „Stasi-Methoden“ gleich. Mitarbeiter nominieren zweimal pro Jahr bis zu acht Angestellte, die sie beurteilen. Führungskräfte bestimmen diese Auswahl allerdings mit. Die Forscher der Humboldt-Uni äußern, dass jeder Mitarbeiter permanent Aufzeichnungen zum Verhalten der Kollegen anfertigen solle. Dass Zalando in teils vollverglaste Räume mit ständig einsehbaren Arbeitsplätzen umgezogen ist, verstärke den Eindruck der Überwachung noch.

Personalchefin Arndt weist die Kritik zurück. Zonar sei „kein Instrument der Kontrolle“. Vielmehr gebe es ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Kontrolle der Mitarbeiterleistung. Zonar werde nur im gesetzlich erlaubten Rahmen genutzt. Zudem seien die zitierten Mitarbeiter nicht repräsentativ. Eine interne Umfrage zeige: 67 Prozent der Mitarbeiter würden Zalando weiterempfehlen, nur 13 Prozent erwägten einen Wechsel. Zudem gibt es von der Süddeutschen Zeitung befragte Mitarbeiter, die das System grundsätzlich gutheißen, sich über Feedback zu ihrer Arbeit freuen. Es komme aber darauf an, wie es die Firma einsetze. Aktuell sei es eher so, dass man sich eher selbst schütze anstatt zusammenzuarbeiten. „Zonar spielt dabei eine Rolle. Die Leute überlegen vor allem, wie wirke ich, statt an die Sache zu denken.“

Scheinanonym?

Zonar sei außerdem weniger anonym als es sein sollte. Jeder würde darüber reden. „Gib mir ein gutes Feedback, dann gebe ich dir auch eines. Wir bereden das mal beim Essen“, führt eine Mitarbeiterin aus. Führungskräfte würden sich über ihr Wissen über bestimmte Beurteilungen miteinander unterhalten. Normale Mitarbeiter können das nicht. Die Humboldt-Forscher kritisieren weiter: „Zonar ist so angelegt, dass es die vom Management gewünschten Ergebnisse produziert." Die Beschäftigten werden dabei in drei Gruppen eingeteilt: herausragend, stark und verbesserungsfähig. Den Forschern zufolge halte Zalando die oberste Gruppe systematisch klein. Damit werde eine Masse kreiert, deren Bezahlung stagniere.

Zalando weist auch das zurück: „Die durchschnittlichen Gehaltserhöhungen lagen 2018 und 2019 sehr deutlich über dem deutschen Mittel von 3,1 Prozent." In der Studie werden Fälle von Mitarbeitern geschildert, denen nahe gelegt wurde, unliebsame Kollegen schlecht zu beurteilen, sonst würde ihre eigene Beurteilung leiden. Auch das wird vom Unternehmen nicht bestätigt, untereinander würden sich Mitarbeiter generell eher positives Feedback geben. Zalando ist zufrieden mit Zonar: „Wir glauben, dass wir den Mitarbeitern mit Zonar sehr entgegenkommen. Wir hören auf die Mitarbeiter und entwickeln Zonar kontinuierlich weiter." Einige von den Forschern in der Studie kritisierte Punkte würden demnach heute bereits anders gehandhabt.

Staab und Geschke von der Humboldt-Universität sehen Zalando in ihrer Studie für die gewerkschaftsnahe Böckler-Stiftung in einer Vorbildfunktion. Systeme wie Zonar könnten sich verbreiten, denn „von Zalando als „Leitunternehmen der Digitalisierung“, gehe eine „Leuchtturmfunktion“ aus. „Zonar bündelt Dynamiken, die die Arbeitswelt prägen. Online-Händler wie Amazon oder Zalando bilden die Vorhut." Auch Amazon stand 2015 mit einen ähnlichen System in der Kritik.

Statement von Zalando

Zalando hat sich in einer Stellungnahme zu den Vorwürfen der Studie der Hans-Böckler-Stiftung geäußert und widerspricht den Vorwürfen „entschieden". Das Teilnehmerpanel stelle nur 0,2 Prozent der Gesamtheit der Zalando-Mitarbeiter dar, die Studie sei nicht repräsentativ. Anders als in der Studie angegeben, sei die Einführung von Zonar nach dem Betriebsverfassungsgesetz mitbestimmungspflichtig, Betriebsräte wurden, anders als dargestellt, nicht aufgelöst. Das Betriebsklima sei gut, der Datenschutz sei DSGVO-konform und, wie bereits erwähnt, sei das Gehaltsniveau fair. Zur Mitwirkung an der Studie schreibt Zalando: „Zalando wurde im Frühjahr 2018 von der Studienleitung zur Stellungnahme angefragt. Wir haben uns bewusst gegen eine Teilnahme entschieden, da bereits zum Zeitpunkt der Anfrage - also vor Studienbeginn - die Einseitigkeit und mangelnde Neutralität der Studie zu erkennen war."

Über den Autor

Christoph Pech
Christoph Pech Experte für: Digital Tech

Christoph ist seit 2016 Teil des OHN-Teams. In einem früheren Leben hat er Technik getestet und hat sich deswegen nicht zweimal bitten lassen, als es um die Verantwortung der Digital-Tech-Sparte ging. Digitale Politik, Augmented Reality und smarte KIs sind seine Themen, ganz besonders, wenn Amazon, Ebay, Otto und Co. diese auch noch zu E-Commerce-Themen machen. Darüber hinaus kümmert sich Christoph um den Youtube-Kanal.

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