Kolumne: Das Ende des Matratzen-Hypes ist erst der Anfang

Veröffentlicht: 10.08.2018 | Geschrieben von: Christoph Pech | Letzte Aktualisierung: 10.08.2018

Sie waren nicht die ersten mit der Idee, aber die ersten, die sie marketing-technisch perfekt umsetzten: Der Siegeszug von Casper mit ihrer „One-fits-all“-Lösung – also der einen Matratze, die für alle perfekt geeinigt sein soll – war in den vergangenen Jahren quasi beispiellos. Investments von Big Playern wie Target oder ProSiebenSat.1 halfen, Testimonials von Kevin Spacey (vor seinem Skandal), 50 Cent oder Shaun White halfen dabei, Casper als Lifestyle-Marke zu etablieren, die mittlerweile mehr als 750 Millionen Dollar wert ist.

Mittlerweile lässt sich das Angebot kaum noch überblicken. Emma, Eve, Casper, Bruno, Muun und wie sie alle heißen, wollen mit ihren Matratzen, die natürlich alle die besten der Welt sind, die Herzen der schlafliebenden Kundschaft erobern. Wenn man auch mit dem Begriff „Hype“ vorsichtig sein sollte, der Online-Matratzenmarkt erlebt einen waschechten Hype. Oder vielmehr: erlebte. Denn erste Risse trüben die Goldgräberstimmung. Im Mai stampfte Otto den Shop Paul-Paula ein, Anfang August gab Eve – neben Casper eigentlich der zweite echte, weil weltweit bekannte, Big Player am Markt – bekannt, dass man sich aus Deutschland und einigen weiteren europäischen Ländern zurückziehe, weil die Umsätze hinter den Erwartungen zurückblieben. Und nun musste das Berliner StartUp Muun, eine von Deutschlands vielversprechenden Antworten auf die US-Konkurrenz, vorläufig Insolvenz anmelden.

Ich brauche doch nur eine Matratze

Für die Gründer und die Mitarbeiter ist das schade, natürlich. Aber es gibt ja gute Gründe, warum die Verhandlungen „kurz vor Unterschrift“ eingestellt wurden. Das Angebot ist nur wenige Jahre, nachdem „One-fits-all“-Matratzen zum großen Ding geworden, schon viel zu groß für die Nachfrage. Eine Matratze ist in der Regel eine Einmal-Anschaffung, die mehrere Jahre im Einsatz ist. Wer die eine Matratze gefunden hat, die seinen Schlaf zu einem echten Erlebnis macht, der schläft darauf auch länger als ein paar Nächte. Matratzen-Anbieter haben gar keine echte Chance, so etwas wie eine Stammkundschaft aufzubauen. Vielleicht wird die nächste Matratze wieder eine Casper, aber erst in ein paar Jahren.

One-fits-all reicht langfristig nicht

Die Anbieter müssen darauf vertrauen, dass sie eine so starke Kundenbindung aufbauen, dass der Kunde nur noch dieses eine Produkt will und am besten seinen gesamten Bekanntenkreis gleich mitüberzeugt. Es gibt aber keinen Fail-safe. Die One-fits-all-Anbieter bekommen Probleme, wenn ihre Matratzen keiner mehr will oder die Zielgruppe versorgt ist. Ein bisschen Bettwäsche als Nebenverdienst hilft da kaum weiter. Das Problem der meisten ist der Erfolg von wenigen. Casper und Eve haben tatsächlich starke Marken aufgebaut. In deren Fahrwasser bleibt dann nur noch wenig Kundschaft übrig. Nicht zu vergessen die Tatsache, dass Klassiker wie Matratzen Concord nicht nur einen guten Ruf in Deutschland haben, sondern ein breiteres Angebot. Bruno, Muun und Eve sind mit Preisen ab 400 ziemlich teuer und verkleinern eine ohnehin kleine Zielgruppe damit noch weiter. Der Otto-Normal-Verbraucher gibt sich auch mit einer Matratze zufrieden, die weniger als 200 Euro kostet.

Von einer „Endzeitstimmung in der Szene“ spricht Deutsche-StartUps, aber das Ende beginnt gerade erst. Muun wird nicht das letzte Opfer der Konsolidierung in einer sehr kleinen Nische, die viel zu schnell gewachsen ist, sein. Die Regel in den kommenden Jahren – neben vielen Anbietern, die sich nicht werden halten können – wird eher das Modell Emma oder Paul-Paula sein. Emma kooperiert schon seit einem Jahr mit Matratzen Concord, Otto hat Paul-Paula als Marke erhalten und in Schlafwelt.de integriert, weil das Angebot nur einer Matratze über einen eigenen Webshop nicht rentabel war. Die Wettbewerber müssen sich entweder neu erfinden – wie auch immer sie das bewerkstelligen wollen – oder sie müssen lukrativere Vertriebswege finden. Viele werden das wahrscheinlich nicht schaffen.

Über den Autor

Christoph Pech
Christoph Pech Experte für: Digital Tech

Christoph ist seit 2016 Teil des OHN-Teams. In einem früheren Leben hat er Technik getestet und hat sich deswegen nicht zweimal bitten lassen, als es um die Verantwortung der Digital-Tech-Sparte ging. Digitale Politik, Augmented Reality und smarte KIs sind seine Themen, ganz besonders, wenn Amazon, Ebay, Otto und Co. diese auch noch zu E-Commerce-Themen machen. Darüber hinaus kümmert sich Christoph um den Youtube-Kanal.

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