Journalisten erheben erneut schwere Vorwürfe gegen Zalando

Veröffentlicht: 15.04.2014 | Geschrieben von: Giuseppe Paletta | Letzte Aktualisierung: 16.04.2014

Nachdem Zalando bereits 2012 wegen unzulänglicher Arbeitsbedingungen in der Kritik gestanden hatte, erhebt ein aktueller Fernsehbericht erneut heftige Vorwürfe gegen Zalando. Diesmal geht es um das Logistikzentrum in Erfurt: Laut Aussage der RTL-Journalisten soll es dort sogar zu einem Todesfall gekommen sein. Update: Wütende Nutzer machen ihrem Ärger in den sozialen Medien Luft. Ein Shitstorm tobt. Außerdem hat Zalando Anzeige gegen die Reporterin erstattet.

Starb ein Mitarbeiter im Logistikzentrum von Zalando?

(Bildquelle Logistikmitarbeiter: Photographee.eu via Shutterstock)

In einer Fernsehreportage erheben Journalisten erneut schwere Vorwürfe gegenüber dem Online-Händler Zalando und seinen Umgang mit Mitarbeitern. Eine Journalistin hatte drei Monate verdeckt im Erfurter Logistikzentrum von Zalando mitgearbeitet und aus ihren Erfahrungen einen Fernsehbericht gemacht, der gestern in der RTL-Sendung „Extra“ ausgestrahlt wurde. Laut Aussage der RTL-Journalisten vergehe im Logistikzentrum „kaum ein Tag ohne einen Rettungswagen“. Auch zu einem Todesfall soll es laut den Journalisten gekommen sein. Zalando reagierte mit einer Stellungnahme bereits auf die zahlreichen Vorwürfe.

Mitarbeiter starb laut Zalando zu Hause

„Eine Journalistin hat von ihren Erfahrungen in unserem Logistikzentrum berichtet und dabei deutliche Kritik an den Arbeitsbedingungen geäußert. Dieser Bericht hat uns sehr erschüttert, weil er grundlegend kritisiert, wie wir in der Logistik arbeiten und wie wir mit unseren Mitarbeitern vor Ort umgehen“, teilt Zalando in einer Stellungnahme mit. Die Journalistin hatte in ihrem Bericht gezeigt, dass Zalando-Mitarbeiter in Erfurt teilweise bis zu 27 Kilometer am Tag in einer 8-Stunden-Schicht zurücklegen müssten. Aus Sicht der Journalisten würde sich der permanente Leistungsdruck von Zalando auf die Gesundheit der Mitarbeiter niederschlagen.

Insbesondere den Vorwurf des Todesfalls weist Zalando in seiner Stellungnahme zurück. „Laut Darstellung des Berichts habe sich angeblich ein Todesfall im Logistikzentrum ereignet. Tatsache ist, dass es bis zum heutigen Tag keinen einzigen Todesfall in unserem Logistikzentrum in Erfurt gab. Aufgrund eines unerwarteten häuslichen Todesfalls eines unserer Mitarbeiter, haben wir selbstverständlich Anteil genommen, mit allen Kollegen eine Schweigeminute eingelegt und im Namen der Kollegen einen Kranz bei der Beerdigung niedergelegt.“

Den Vorwurf, Mitarbeiter würden während einer 8-Stunden-Schicht zum Teil rund 27 Kilometer zurücklegen, wies Zalando ebenso zurück: „Bei der Tätigkeit im Bereich ‚Pick‘ handelt es sich zwangsläufig um eine Tätigkeit, die nur im Stehen/Gehen erledigt werden kann. Aus diesem Grund kann entweder die Tätigkeit (im Gehen/Stehen) ausgeübt werden oder eben nicht. Selbstverständlich können sich Mitarbeiter, die sich unwohl fühlen, jederzeit ausruhen.“

Leistungskultur gehört zu Zalandos Unternehmensphilosophie

In seiner Stellungnahme spricht Zalando von einer „Leistungskultur“, die das Unternehmen pflege und gibt auch zu, dass man die Leistung seiner Mitarbeiter zu steigern versuche: „Laut Darstellung setze Zalando Feedback Gespräche ein, um Mitarbeiter gezielt unter Druck zu setzen. Für uns sind regelmäßige Feedbackgespräche jedoch ganz normaler Teil unserer Leistungskultur. Wir investieren viel Zeit in Feedbackgespräche und Qualifizierungsmaßnahmen, um die Mitarbeiter individuell zu fördern und ihre Leistung zu steigern.“

Weiter wirft der Fernsehbericht dem Online-Händler unangemessene Überwachung der Arbeitnehmer, Schikane der Mitarbeiter durch Diebstahlkontrollen und eine unzulässige Reduzierung der Mitarbeiterpausen vor. Auch diese Kritikpunkte weist Zalando von sich, verneint allerdings nicht, dass das Logistik-IT-System zur Überwachung der Mitarbeiter eingesetzt werde. Es diene allerdings in erster Linie der Steuerung der Logistikprozesse.

Es ist nicht das erste Mal, dass Zalando mit heftigen Vorwürfen konfrontiert wird. Ähnliche Vorwürfe hatte bereits ein Bericht des ZDFs im Juli 2012 gegen Zalando erhoben. Damals ging es allerdings um das Logistikzentrum in Großbeeren. Die ZDF-Journalisten kritisierten schon 2012: Logistikmitarbeiter müssten den ganzen Tag stehen und dürften nicht sitzen, würden kategorisch kontrolliert und zum erreichen eines Arbeitspensums gedrängt.

Update: Shitstorm gegen Zalando, Unternehmen erstattet Anzeige

Bereits kurz nach der Ausstrahlung der RTL-Reportage haben wütende Nutzer begonnen, ihrem Unmut über die Arbeitsbedingungen bei Zalando Luft zu machen. Wie wir hier berichteten, gibt es Tausende empörte Kommentare und auch Aufrufe zum Boykott.

Glaubt man der RTL-Reportage, so hat Zalando massiv gegen das geltende Arbeitsrecht verstoßen. Doch auch das beschuldigte Mode-Unternehmen sieht sich in seinen Rechten verletzt: Da die Reporterin in ihrem Erfahrungsbericht Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse verraten haben soll, erstattete der Fashion-Riese nach Angaben von Handelsblatt bereits in der vergangenen Woche, am 8. April, Anzeige: „Diese Anzeige halten wir aufrecht. Wir müssen verhindern, dass unsere Prozesse und Systeme, die wir zum Teil auch selbst entwickelt haben, irgendwo auf Film verfügbar sind“, kommentiert Boris Radke, Sprecher von Zalando.

Auch die Reporterin habe rechtliche Schritte eingeleitet. Wie Handelsblatt weiter berichtet, erklärte Christian Körner von RTL: „Mitarbeiter, die Missstände öffentlich machen, können nicht mit fristloser Kündigung bestraft werden. Auch um dies zu dokumentieren hat die Reporterin nach juristischer Beratung entsprechende Klage eingereicht.“ Mit der eingereichten Kündigungsschutzklage werde keine finanzielle Entschädigung oder etwa eine Wiedereinstellung angestrebt. Man wolle lediglich gegen die herrschenden „Arbeitsbedingungen und Verstöße gegen das Arbeitsrecht“ bei Zalando vorgehen.  

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