Kommentar: Die Digitale Agenda der Regierung: „Zu wenig, zu spät“

Veröffentlicht: 21.08.2014 | Geschrieben von: Nadja Naumann | Letzte Aktualisierung: 21.08.2014

Es waren einmal drei Minister, die ihr Land sicher in die Zukunft führen wollten, nachdem sie fast den Anschluss daran verloren hatten. Deshalb schrieben Sie einen Wunsch-Plan, gaben diesen an die Feen weiter und hofften, dass ihre gegenwärtigen Probleme magisch erfüllt würden.

 Verknotete Internet-Kabel

(Bildquelle Verknotete Internet-Kabel: Tatiana Popova via Shutterstock)

Die Digitale Agenda ist ein „Wunschzettel“ für die Zukunft

So oder so ähnlich muss die Erstellung des Gesetzesentwurfes für die Digitale Agenda abgelaufen sein. Wie sonst kann man sich diese Wunschvorstellungen der Regierung erklären, deren Aktualität, Vollständigkeit und Realisierbarkeit eher zu wünschen übrig lassen? Der Spiegel bezeichnet die Agenda als „Wunschzettel“, Netzpolitik.org findet es sei „zu wenig, zu spät“ und uns bleibt nur übrig, uns dem anzuschließen und den Kopf zu schütteln.

Was soll man bei den Formulierungen "Was noch vor kurzem Zukunftsvision war“ und „Der digitale Wandel bietet große Chancen“ noch sagen? Die Bundesregierung betritt tatsächlich Neuland, auf dem sich so ziemlich ganz Deutschland schon seit Jahren befindet.

Das Problem mit der Agenda beginnt bereits damit, dass sie schon vor einigen Jahren hätte entworfen und verabschiedet werden sollen. Die fortschreitende Digitalisierung der Welt ist schon lange absehbar, doch bis jetzt war die Bundesregierung den Veränderungen in unserer Gesellschaft gegenüber blind. Jetzt Ordnung in dieses Chaos bringen zu wollen, scheint nur ein halbherziger Versuch zu sein, einer Entwicklung zu folgen und sie zu regulieren, die sich schon längst selbstständig gemacht hat.

Was steckt hinter der Digitalen Agenda?

Zugegeben, einige Ideen der Digitalen Agenda sind gut gemeint. Da sollen zu Beispiel bis 2018 alle Bürger über eine Breitband-Infrastruktur mit einer Downloadgeschwindigkeit von mindestens 50 Mbit/s verfügen, die IT-Wirtschaft ebenso wie StartUps stärker gefördert und die Netzneutralität gesetzlich gesichert werden. Außerdem werden der Datenschutz und die Sicherheit im Internet fokussiert.

Was bedeutet die Digitale Agenda für den Online-Handel?

Auf den Online-Handel wird die Digitale Agenda höchstwahrscheinlich erst einmal keinen größeren Einfluss haben. Explizit wird der E-Commerce nur an einer Stelle erwähnt:

„Wir werden die Rahmenbedingungen des E-Commerce an die neuen technologischen Möglichkeiten, etwa im Bereich der Handelsplattformen und moderner Bezahlsysteme unter Wahrung des Verbraucher- und Datenschutzes fortentwickeln.“

Was kann man sonst noch zwischen den Zeilen lesen? Nun, zum einen wäre der Plan, Deutschland flächendeckend mit Internet auszustatten, gut für den Online-Handel. Mehr Menschen würden an mehr Orten und somit fast ständig Zugang zum Word Wide Web und den zahlreichen Online-Shops bekommen. Der Traffic wird erhöht und Online-Händler haben die Aussicht auf bessere Umsätze.

Am interessantesten für den E-Commerce dürfte der Absatz in der Digitalen Agenda zur Förderung von StartUps sein. Statt jährlich 10.000 Gründungen sollen es bald 15.000 sein. Dazu gehört die Verstärkung von Informations- und Beratungsangeboten, wobei besonders IT-StartUps im Fokus stehen. Auch die Finanzierung von StartUps soll verbessert und das „Matchmaking“ unterstütz werden, wobei eine Vernetzung deutscher Gründungen mit internationalen Gründer-Hubs gefördert werden soll. Zudem stehen vor allem Gründerinnen im Mittelpunkt der neuen Politik, wie bereits bei der Präsentation der Initiative „FRAUEN gründen“ klar geworden sein dürfte.

Im Allgemeinen sieht die Bundesregierung in ihrer Digitalen Agenda gute Beschäftigungs-Chancen durch die Digitalisierung. Dabei müssen Arbeitsregelungen und soziale Sicherungssysteme entsprechend an die neuen Bedingungen angepasst werden.

Ebenfalls ein größeres Thema der Digitalen Agenda ist auch die Sicherheit im Netz und die Datensicherheit im Speziellen. Der Plan der Bundesregierung ist dabei vielmehr die Stärkung des Verbrauchers und die Stärkung von deren Medienkompetenz. Für den vertrauensaufbau in die digitale Sicherheit soll eigens eine Schlichtungsstelle eingerichtet werden.

Wer soll das bezahlen?

Wie bereits erwähnt, sind die Vorstellungen der Bundesregierung in der Digitalen Agenda verlockend und hören sich gut an, doch über die Umsetzung der Digitalen Agenda scheint sich niemand Gedanken gemacht zu haben. Genauso wenig wie über eine Vielzahl anderer Punkte, die in die Agenda gehört hätten. Dazu kommen oft sehr allgemeine Formulierungen ohne konkrete Änderungs- oder Verbesserungs-Vorschläge.

Die „Hausaufgaben“, wie de Maizière die Digitale Agenda bezeichnete, für die kommenden Jahre sind letztendlich nur eine Ansammlung von alten Ideen, die schon längst hätten umgesetzt sein müssen. Wie bereits erwähnt, es ist „zu wenig, zu spät“, de Maizière sagt laut Spiegel "Lieber spät als nie." Aber wenn man sich schon so viel Zeit mit einem solchen Gesetzesentwurf gelassen hat, warum kann dieser dann nicht ordentlich durchdacht und ausformuliert werden? Keiner der drei Minister schein wirklich Lust auf die „Hausaufgabe“ zur Digitalen Agenda gehabt zu haben.

Wie sonst lässt es sich erklären, dass in der Digitalen Agenda nicht einmal annähernd über konkretere Recht-Änderungen und Absicherungsmaßnahmen für den digitalen Handel oder den Datenklau angesprochen werden? Wie werden künftig Existenzen gesichert, die sich rein über digitale Plattformen aufgebaut haben? Bürger sollen auf die neuen Technologien vertrauen, doch Sicherheitsbehörden wie der BSI werden künftig nicht nur besser gegen Cyberattacken schützen, sondern auch besser für die Überwachung ausgestattet werden?

Das größte Fragezeichen steht jedoch hinter der Finanzierung. Wie Jupp Schmitz bereits vor einigen Jahrzehnten gefragt hat: „Wer soll das bezahlen, Wer hat das bestellt, Wer hat so viel Pinke-pinke, Wer hat so viel Geld?“ Die Regierung  sicherlich nicht. Dem Spiegel zufolge würde der Breitbandausbau einen „zweistelligen Milliardenbetrag“ verschlingen und da ist noch nicht einmal die Investition in StartUps und die Ausstattung der Sicherheitsbehörden inbegriffen. Fachkräfte, die sich mit moderner Technik auskennen fehlen, doch wie fördert man diese und mit welchem Geld?

Idee: gut, Ausführung: unzureichend

Fragen über Fragen zur Digitalen Agenda über die sich weder die drei Minister noch die Bundesregierung klar zu sein scheint. Alles wirkt wie eine Fassade, die Kritik, dass Deutschland in dieser Beziehung zurück hinge, wird oberflächlich beschwichtigt. Seht her! Deutschland tut etwas, um der Digitalisierung gerecht zu werden!

Doch wird die Digitale Agenda nicht bald konkreter angegangen und ein Plan für die Finanzierung auf den Tisch kommt – geplant sei dieser, wie der Spiegel berichtet, im Oktober – wird Deutschland weiterhin dem digitalen Wandel hinterher hinken und am Ende noch völlig den Anschluss verlieren. Dann ist die Tatsache, dass Deutschland nicht einmal öffentliches WLAN besitzt, unser geringstes Problem.

Die Homepage zur Digitalen Agenda finden Sie hier.

 

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