Logistik im E-Commerce – Was Online-Händler beachten müssen

Veröffentlicht: 07.03.2013 | Geschrieben von: Redaktion | Letzte Aktualisierung: 09.01.2015

Schnell, günstig, flexibel – die Bedürfnisse von Online-Händlern und -Kunden stellen besondere Anforderungen an die Versandabwicklung im E-Commerce. Logistik-Experte Sebastian Neumayer spricht im Interview über Same-Day-Delivery, geringe Margen und steigende Grundstückspreise in der Branche.

Welche besonderen Anforderungen stellt der E-Commerce an die logistischen Abläufe?

Beim E-Commerce spielt die Auftragsleistung eine ganz entscheidende Rolle. Dem Endkunden ist eine schnelle Lieferung der Waren sehr wichtig. Dies hat zur Folge, dass die Kommissionier- und Versandleistung eines Logistikers speziell auf dieses Thema ausgerichtet werden muss. Idealerweise sollten 100% aller eingehenden Aufträge noch am gleichen Tag verarbeitet und an den Endkunden versandt werden. Natürliche Grenzen sind dabei aber durch Versandpartner gesetzt, der eine gewisse Abholzeit aufgrund der deutschlandweiten Verteilung benötigt.

Sehr wichtig für den Logistiker ist die Flexibilität, sich auf unterschiedlichste Distributionsformen einstellen zu können. Von Paletten bis zu Paketsendungen ist alles dabei. Um für den Kunden dazu noch Geld zu sparen ist eine optimale Verpackungsgröße permanentes Thema in der Logistik. Wichtig in den logistischen Abläufen ist auch eine schnelle Warenannahme, damit die Artikel sofort wieder für den Versand verfügbar sind, da viele Händler oft nicht rechtzeitig Waren nachbestellen und so durchaus Bestellungen offen bleiben.

Der Boom des Online-Handels beeinflusst auch die Logistik-Branche. Welche aktuellen Entwicklungen sind dabei besonders auffällig?

Viele Logistiker versuchen in diesem Segment Fuß zu fassen, da es sich hier um einen aufstrebenden Markt handelt. Vorsicht ist jedoch bei der Wahl des Logistikers geboten, um nicht das Versuchskaninchen zu werden. Der Logistiker sollte im Idealfall Erfahrung mit Online-Shops haben oder zumindest ähnliche Prozesse bereits in der Kontraktlogistik abwickeln. Dadurch ist zumindest gewährleistet, dass der Logistiker das nötige Know-how besitzt.

Extrem wichtig sind die Möglichkeiten des Logistikers. Diese sollten angefangen von verschiedenen Versandmöglichkeiten über Schnittstellenanbindungen bis hin zu einer großen Flexibilität bei Auftragsschwankungen reichen. Dies trennt zugleich die Spreu vom Weizen. Nicht jeder ist für dieses Segment gerüstet, doch viele versuchen es, oft zum Leid ihrer Kunden. Individualisierung und Mehrwertleistungen werden auch im Online-Handel immer wichtiger. Die Logistik muss sich daher auf dieses Thema einstellen und immer mehr Services professionell anbieten.

Sind dadurch ein Mangel an geeigneten Lagerflächen für Logistikzentren und steigende Preise für solche Objekte zu verzeichnen?

Der Preis einer Firma richtet sich natürlich nach dem Potenzial der Geschäftsfelder. Auch steigert bekanntlich die Nachfrage den Preis für Dienstleistungen. Einen Mangel an Lagerfläche wird es aber so schnell nicht geben, da Lagerhallen relativ schnell erbaut und bewirtschaftet werden können. Läuft ein Geschäftszweig in schwarzen Zahlen, so wird er in der Regel auch weiter ausgebaut und gefördert, weshalb es an den Lagerflächen nicht scheitern wird.

Grundstückspreise spielen allerdings bei den Logistikkosten eine entscheidende Rolle, auch Transportkosten. Beides ist in den letzten Jahren stark angewachsen. Diese Kosten müssen durch den Logistiker auf die Preise umgelegt werden. Wer sich überlegt, die Logistik zu vergeben, der sollte dies nach Möglichkeit bald tun, da mit Sicherheit die Preise steigen werden. Auch kleinere Shops können den Versand schon extern vergeben und so von Anfang die Vorteile einer professionellen Logistik erhalten. Vereinbarte Preise steigen bekanntlich nicht so schnell wie neu verhandelte!

Wie können Online-Händler auf die veränderten Bedingungen reagieren?

Der Händler muss sich überlegen, welche Artikel tatsächlich nicht nur gut verkauft werden können, sondern auch mit den Logistikkosten gut kalkulierbar sind. Viele Händler verkaufen oft Artikel, die nicht die entsprechende Marge besitzen. Kommt es dann noch zu einer Retoure, wird das Geschäft sehr schnell zur Sparbüchse. Auch sollte der Händler zur Einsparung von Lagerkosten zuerst gut gehende Artikel extern vergeben, da sonst das Anfallen von Lagerkosten die Marge schon vorm ersten Abverkauf zunichtemacht. Läuft der Prozess einwandfrei, so können weitere Artikel folgen.

Zentral für den Händler ist tatsächlich die Frage, welche Produkte sich gut verkaufen lassen und im Falle einer Retoure keine zu hohen Kosten aufwerfen. Dies wird von vielen Händlern aufgrund mangelnder Kenntnis nicht berücksichtigt. Ein guter Logistiker kann hierbei aber Rat geben und zusammen mit dem Shop eine gute Strategie erarbeiten.

Welche Entwicklungen erwarten Sie im Online-Handel, die auch die Logistik in den kommenden Jahren nachhaltig verändern werden? Welche Rolle spielt Same-Day-Delivery in diesem Zusammenhang?

Same-Day-Delivery ist mit der heutigen Technik nur bei bestimmten Produktgruppen und ausnahmslos in Ballungszentren abbildbar. Eine flächendeckende taggleiche Zustellung wird in den nächsten Jahrzehnten nicht möglich sein. Meiner Meinung nach wird das Thema aber zu heiß gekocht! Der Endkunde erwartet seine Lieferungen am nächsten oder übernächsten Tag. Dies ist völlig ausreichend, zumal viele Kunden ihr Paket bei der Zustellung gar nicht selbst in Empfang nehmen. Warum also dann auch noch am gleichen Tag? Zusätzlich steigen hierbei die Kosten wegen der hohen Transportverfügbarkeit unverhältnismäßig an, was der Endkunde wiederum nicht zahlen möchte und der Händler wegen immer kleinerer Margen nicht mehr tragen kann.

Weiter geht dieses Spiel in den höheren Lagerkosten wegen der dezentralen Lagerung aller Artikel in ausreichenden Mengen. Ich denke, dass es bald zu einer gewissen Artikelbereinigung im E-Commerce kommen wird. Der Handel testet schon lange alles aus, bemerkt aber, dass nicht alles funktioniert. Trotzdem werden die Versandmengen steigen, weil es für den Endkunden einfach bequem ist, heute zu bestellen und morgen geliefert zu bekommen. Ein ganz anderes Thema ist Mobile Commerce via QR-Codes auf Shopping-Walls. Dieses Thema wird sehr interessant werden, sobald die breite Masse damit beginnt. An uns Logistiker stellt dies allerdings keine andere Herausforderung dar als bisher auch. Es kommt lediglich ein weiterer Marktplatz hinzu.

Wie müssen Logistik-Unternehmen auf solche Trends reagieren, um Kundenansprüchen auch in Zukunft gerecht zu werden?

Wichtig ist und bleibt die schnelle und transparente Auftragsbearbeitung sowohl im Sinne des Händlers als auch des Endkunden. Verfügbarkeit aller Informationen zeitgleich auf jedem Endgerät und die Information über den Auftragsstatus sind die wichtigsten Komponenten. Entscheidend ist weiter der effiziente Einsatz von Ressourcen, damit die Kosten so gering wie möglich bleiben. Diese Flexibilität der Logistiker wird in Zukunft immer mehr gefragt sein, um die Auftragsabwicklung am 100%-Ziel zu halten.

Auch wird in Zukunft die Beratung und Zusammenarbeit mit dem Händler deutlich wichtiger, da der Logistiker mit seinem Wissen, die Prozesse und Möglichkeiten der Händler deutlich verbessern kann. Ein erfolgreicher Partner zeichnet sich durch kompetente und nachhaltige Beratung aus, und nicht nur durch Preisdumping!

Über Sebastian Neumayer

Sebastian Neumayer ist Leiter des Geschäftsbereichs Logistik bei der Reinsch Speditions- und Kontraktlogistik GmbH. Das Unternehmen ist auf Onlineshop- und Kontraktlogistik sowie Transportlogistik spezialisiert. Da Reinsch Speditions- und Kontraktlogistik ein Partnerunternehmen des Händlerbundes ist, erhalten Händlerbund-Mitglieder einen Rabatt von 10 % im ersten und 5 % im zweiten Monat auf alle Logistikleistungen im Logistikzentrum Straubing.

Kommentare  

#1 Janick Träger 2016-12-02 01:51
Halli Hallo,
sehr netter Beitrag. Ich habe eine Frage, die mir im Kopf herum schwirrt, und eventuell können Sie mir helfen.
Mein Team und ich arbeiten daran, einen Shop aufzubauen der keine eigene Ware verkauft, sich jedoch in einer solchen Nische befindet, dass die vorhandenen Shops eher schlecht als Recht sind. Da wir überzeugt sind, eine deutlich höheren Traffic und Konversion, durch vor allem gutes Marketing zu erzielen, wollen wir uns in den Markt begeben, um unter anderem auch unserm eigenen Produkt den Martkeintritt zu erleichtern. Da der Markt, obwohl es sich um eine Nische handelt, überlaufen ist, hatten wir nun folgende Idee:
Ein Shop, der die Nischen Produkte verkauft, und den Auftrag dann gegen eine Provision an die derzeitigen Shops vergibt.
Wie könnte eine solche Lösung aussehen?
Ist so etwas realistisch?
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