Kritik am Marktplatzmodell

Was der Kaufland-Shitstorm über die Probleme von Marktplätzen aufzeigt

Veröffentlicht: 13.10.2022 | Geschrieben von: Ricarda Eichler | Letzte Aktualisierung: 15.10.2022
Kaufland Einkaufswägen

Der deutsche Handelskonzern Kaufland steht aktuell vor allem auf Twitter in der Kritik. Nach einem Kundenhinweis nahm Kaufland Produkte der linken Antifaschistischen Aktion (Antifa) aus dem Sortiment. In einem Statement zu dem Vorfall verwies der Händler auf das Marktplatzmodell, in welchem nun einmal ein breites Sortiment angeboten werde. Bei dem Modell könnte nicht jedes Produkt vorab geprüft werden. Ein Umstand, der nicht nur auf Kaufland.de bereits zu einigen fragwürdigen Angeboten führte. 

Beschwerde über Antifa-Produkte löste die Debatte aus

Am Freitag, dem 7. Oktober monierte der Twitternutzer @Schwaben_junge, welcher sich in seinem Profil selbst aus Anhänger der rechten sowie Identitäten Bewegung darstellt, dass auf dem Online-Marktplatz Bekleidungsartikel der linkspolitischen Antifa verkauft würden. In seinem Tweet betitelte er die Artikel als „Terroristenmerch“. 

Kaufland reagierte umgehend, entfernte die betreffenden Artikel und dankte dem Hinweisgeber – vermutlich ohne sich der politischen Ansichten dessen bewusst gewesen zu sein

Das schnelle Handeln von Kaufland freute zwar das eine politische Lager, sorgte in der linken Twitter-Community allerdings für Diskussion über die Neutralität des Marktplatzes. Der Hamburger Jusos-Chef Leo Schneider erarbeitete im Verlauf der Debatte eine Liste rechtspopulistischer Medien, welche auf dem Marktplatz weiterhin zum Verkauf stehen. Neben einer unkommentierten Fassung von Hitlers „Mein Kampf“ standen hier diverse Werke verurteilter Holocaustleugner. Auch das stationäre Angebot der Kaufland-Kette wurde dabei heran zitiert: dort findet sich demnach das rechtsradikale Szene-Magazin „Compact“. 

Statement: „Wir bei Kaufland lehnen extreme Meinungen ab“

Auf die so laut werdende Kritik reagierte Kaufland mit einem umfangreichen Statement in Form von fünf Tweets. Darin gab man an, sich von politischen Extremen distanzieren zu wollen. Im gleichen Zuge räumte das Unternehmen aber ein, dass die Entfernung etwa von Magazinen aus Gründen der Pressefreiheit nicht möglich sei. Das betrifft dabei insbesondere das Magazin „Compact“.

„Es geht hier nicht um ‚Sie lassen das rechte Heft drin, dann müssen sie auch die linken Fahnen im Angebot lassen.‘ Und nicht alles, was wir vielleicht für falsch halten, ist auch verboten. Wir machen da, wo wir es können, von unserem Recht Gebrauch, solche Produkte umgehend auszulisten. Aber manchmal sieht der Gesetzgeber einfach vor, dass eine Demokratie bestimmte Produkte (z.B. Magazine) aushalten muss, weil das Gut der Pressefreiheit höher liegt“, heißt es innerhalb des Statements. 

Problem Nummer eins: Der deutsche Pressevertrieb

Der durch Twitter losgetretene Shitstorm spricht dabei zwei grundlegende Probleme an: die Limitierungen des deutschen Pressevertriebs sowie die Regulierung von Marktplätzen. 

Denn das Problem, bei welchem Kaufland zunächst mit Pressefreiheit argumentierte, liegt eher im System des deutschen Pressevertriebs verankert: Wie das Portal Über Medien berichtet, kaufen Einzelhändler ihre Magazinbestände bei Großhändlern ein und haben nur bedingt Einfluss auf das jeweilige Sortiment. Die Großhändler wollen somit die Meinungsvielfalt schützen. Nun wurde „Compact“ 2021 zwar vom Verfassungsschutz als „gesichert extremistisch“ eingestuft, doch laut Frank Nolte, Vorsitzenden des Verbands der Pressegrossisten, gilt die Vertriebspflicht so lange, bis es ein Vertriebsverbot gäbe. 

Auf Anfrage von OnlinehändlerNews bestätigte Kaufland weiter: „Eine Zensur darf seitens der Groß- und Einzelhändler gerade nicht stattfinden. Ausgewählte Publikationen lässt der GVPG [Gesamtverband Pressegroßhandel, Anm. d. Red.] vor der Veröffentlichung durch eine Anwaltskanzlei prüfen. Erst nach dieser Prüfung und entsprechender Freigabe kommen diese in den Handel.“

Auf Twitter trafen derlei Erklärungen jedoch auf taube Ohren. Mittlerweile setzte der Handelskonzern ein weiteres Statement hierzu ab, in welchem es heißt, dass man künftig die Einnahmen der Verkäufe des Magazins an gemeinnützige Organisationen spenden wolle. 

Problem Nummer zwei: Wie viel Kontrolle verträgt ein freier Marktplatz?

Ein Marktplatz, wie das durch Kaufland online betriebene Kaufland.de, lebt durch die Angebote von Drittanbietern. Laut Unternehmensangaben beherbergt Kaufland derzeit 40 Millionen Produkte von rund 8.000 Händlern. Neben den Befindlichkeiten der Verbraucherinnen und Verbraucher liegt es dabei in Kauflands Verantwortung auch den Händlern bequeme und unkomplizierte Handlungsabläufe zu bieten. Das bedeutet natürlich auch: Produkte können ohne vorherige Prüfung online gestellt werden. 

So kommt es zu Stande, dass immer wieder fragwürdige Produkte durchrutschen und auf Marktplätzen angeboten werden. Ein Problem, welches definitiv nicht nur Kaufland betrifft. So kann man auf Amazon beispielsweise problemlos Schreckschusspistolen und Schlagstöcke erwerben und bekommt vom Algorithmus noch die passende Sturmhaube dazu angeboten. Frei erwerblich für jedermann. 

Kaufland reagierte dabei auf die Hinweise der Twitter-Nutzer gleichermaßen – egal ob diese aus dem rechten oder linken Spektrum kamen. So wurden die rechtspopulistischen Medien, auf die Leo Schneider hinwies, genauso schnell entfernt, wie zuvor auch die Antifa-Produkte. 

Auch ein Marktplatz braucht einen moralischen Kompass

Während die Twitter-Gemeinschaft weiterhin zwischen klugen Ratschlägen und Hasstiraden wechselt, versucht Kaufland weiterhin die Wogen zu glätten. So erklärte ein Sprecher auf Anfrage, dass man die internen Prozesse und Sortimente nun eingehend prüfen. Auch auf Twitter positioniere man sich erneut mit einem abschließenden Statement.

Das Unternehmen bestätigt darin, dass es die Ablehnung gewaltverherrlichender, diskriminierender und extremistischer Produkte nunmehr innerhalb ihrer Händlergrundsätze verankert hat. Denn trotz Vielfalt benötigt auch ein Marktplatz einen moralischen Kompass.

Über die Autorin

Ricarda Eichler
Ricarda Eichler Expertin für: Nachhaltigkeit

Ricarda ist im Juli 2021 als Redakteurin zum OHN-Team gestoßen. Zuvor war sie im Bereich Marketing und Promotion für den Einzelhandel tätig. Das Schreiben hat sie schon immer fasziniert und so fand sie über Film- und Serienrezensionen schließlich den Einstieg in die Redaktionswelt.

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