Interview: Georg Soczak von Mirakl - Teil 1

Warum Marktplätze scheitern – und wie das verhindert werden kann

Veröffentlicht: 04.01.2023 | Geschrieben von: Ricarda Eichler | Letzte Aktualisierung: 06.01.2023
Frau an Laptop mit Tablet

Ob Amazon, Ebay oder Kaufland – wer auf Marktplätzen handeln will, muss einiges beachten, damit das Geschäftsmodell aufgeht. Vom Grad der Spezialisierung, über Qualitätskontrollen bis hin zu Handelsbeziehungen – der Erfolg hängt von vielen Faktoren ab. Georg Sobczak von der Marktplatz-Plattform Mirakl erklärt im ersten Teil des Interviews, was die Stärken des Modells sind, und wie Martplatzbetreibende für ein qualitativ ansprechendes Angebot sorgen können.

Die wenigsten werden in Zukunft auf Online-Shopping verzichten wollen

OnlinehändlerNews: Das Grundprinzip Marktplatz gibt es, seitdem es Handel gibt. Worin liegen die entscheidenden Unterschiede zwischen einem Online- und Offline-Marktplatz?

Georg Sobczak: Das stimmt, ein Marktplatz ist an und für sich kein neues Modell. Der Besuch eines lokalen Wochenmarktes gehört sicher seit Menschengedenken zum Alltag dazu – aber heutzutage tummeln sich die Menschen eher im Internet und suchen dort nach guten Angeboten. Dabei sind Online-Marktplätze besonders beliebt: 57 Prozent der Verbraucher:innen kaufen ausschließlich oder häufig auf Online-Marktplätzen ein, wie der Enterprise-Marktplatz Index 2022 von Mirakl zeigt. 

Wie viele andere alltägliche Dinge wurde also auch das Einkaufen digitalisiert – was aber nicht heißen soll, dass nicht immer noch sehr viel in stationären Ladengeschäften eingekauft wird. Die Corona-Pandemie hat vielen Verbraucher:innen die Vorzüge des Online-Shoppings allerdings deutlich vor Augen geführt, und die wenigsten werden in Zukunft darauf verzichten wollen. 

 

Online-Marktplätze sind eine Weiterentwicklung des traditionellen Handels und entsprechen den heutigen Einkaufsgewohnheiten und Bedürfnissen der Kund:innen. Für Verbraucher:innen gibt es zwischen einem Online- und Offline-Marktplatz zwei wesentliche Unterschiede. Zum einen beschränken sich Online-Marktplätze nicht auf eine begrenzte Händler:innen-Anzahl, wie es auf einem klassischen Offline-Marktplatz der Fall wäre. Stattdessen haben Verbraucher:innen Zugang zu einem riesigen Produktsortiment, das von unterschiedlichsten Händler:innen stammt. 

Auf den Online-Marktplätzen von Douglas etwa können Konsument:innen aus Deutschland, Polen, Österreich und den Niederlanden zwischen mehr als 155.000 Produkten von über 200 Marken wählen – ein Angebot, das kein Offline-Marktplatz oder stationäres Geschäft ohne Weiteres anbieten könnte. Zum anderen ist es für Käufer:innen sehr bequem, Artikel auf einem Online-Marktplatz auszuwählen und sich direkt nach Hause liefern zu lassen. Das bestätigt auch unsere Studie Status quo der Online-Marktplatz-Akzeptanz: 70 Prozent der deutschen Verbraucher:innen halten das Shoppen auf digitalen Marktplätzen für die bequemste Art des Einkaufens. 

Online-Marktplätze vereinen unterschiedliche Akteure

Die Unterschiede für Händler:innen sind abhängig davon, welche Rolle sie auf einem Online-Marktplatz einnehmen. In der Regel bieten Händler:innen auf einem Offline-Marktplatz den Konsument:innen Produkte an, die zuvor über Großhändler:innen bezogen oder selbst hergestellt wurden. Dabei verantwortet allein der beziehungsweise die Händler:in die Produktbeschaffung, deren Lagerung, Verwaltung sowie die Vermarktung. Auf einem Online-Marktplatz ist das anders. 

Hier kommen unterschiedliche Akteure zusammen – Marktplatzbetreiber:innen, Verkäufer:innen, Partner:innen und schlussendlich natürlich die Käufer:innen – und jeder ist für einen bestimmten Teil des Prozesses verantwortlich. Während die einzelnen Verkäufer:innen (oder Drittanbieter:innen) ihre Produkte anbieten und die Bestellabwicklung, den Versand und Retouren verantworten, hosten und managen Marktplatzanbieter:innen unter anderem die technische Infrastruktur, den Marktplatz-Traffic, die Investitionen von Werbetreibenden und kümmert sich um die vertrauensvolle Abwicklung der Finanzprozesse. 

Dafür erhalten Marktplatzbetreiber:innen für jeden Kauf eine Provision. Wenn Händler:innen den Schritt gehen und Drittanbieter:innen auf einem Marktplatz werden, oder sogar selbst die Rolle des Marktplatzanbieters einnehmen, kommen sie den veränderten Gewohnheiten der Kund:innen nach, können flexibler auf Marktveränderungen reagieren, und es eröffnen sich ihnen wertvolle, neue Marktchancen.

Bei Marktplätzen gibt es kein universelles Erfolgsrezept

Was sehen Sie als die wichtigsten Eigenschaften eines gut funktionierenden Marktplatzes?

Ein Rezept für einen perfekt funktionierenden Marktplatz existiert nicht. Stattdessen gibt es viele verschiedene Modelle, die einen Marktplatz zum Erfolg führen. Was haben diese Marktplätze gemeinsam? Sie generieren viel Traffic und erzeugen so eine hohe Sichtbarkeit für Händler und deren Produkte.

Damit ein Online-Marktplatz gut funktionieren und Erfolg haben kann, muss er auf die Ziele und Bedürfnisse von Händler:innen und Kund:innen gleichermaßen zugeschnitten sein. Marktplatzbetreiber:innen müssen die richtigen Drittanbieter:innen auswählen, deren Produkte und Dienstleistungen das bestehende Angebot perfekt ergänzen oder erweitern, und diese den Qualitätsansprüchen der Verbraucher:innen gerecht werden. 

Marktplatzbetreiber:innen müssen die Leistung ihrer Drittanbieter:innen durch automatisierte Qualitätskontrollen konstant verfolgen und effektive Suchtools, unkomplizierte Bezahlvorgänge, schnelle Lieferzeiten und einen hervorragenden Service anbieten – sowohl für Kund:innen als auch für Verkäufer:innen.

Ein erfolgreicher Marktplatz beginnt nicht als Experiment

Außerdem sehen wir, dass gut funktionierende Marktplätze immer in bereits bestehenden E-Commerce-Strategien eingebunden und in den vorhandenen Online-Auftritt integriert sind. Damit ein Marktplatz Erfolg haben kann, müssen Entscheider:innen und Führungskräfte diesem die entsprechende Priorität einräumen und ausreichende finanzielle sowie personelle Ressourcen zur Verfügung stellen. 

Unternehmen, die gut funktionierende Marktplätze betreiben, sehen diesen nicht als ein Pilotprojekt oder ein Experiment. Sie sind sich der Möglichkeiten und Wachstumschance bewusst und denken in dementsprechend großen Dimensionen – denn sie wissen, dass sie nur dann den hohen Anforderungen ihrer Kundschaft entsprechen können.

Qualitätssicherung durch Kuration

Der jüngste Shitstorm bei Kaufland zeigte vor allem das Problem der Kontrollmechanismen auf. Wie viel Kontrolle verträgt ein Marktplatz und ab wann würde diese den freien Handel oder gar die Meinungsfreiheit gefährden?

Eine der Aufgaben von Marktplatzbetreiber:innen ist es, die Qualität des Sortiments sicherzustellen. Ein relevantes und hochwertiges Produktsortiment ist notwendig, um Kundenvertrauen aufzubauen und so dafür zu sorgen, dass die Verbraucher:innen zu einem Marktplatz zurückkehren. Händler:innen, die Marktplätze betreiben, haben in der Regel Qualitätskriterien, welche Verkäufer:innen erfüllen müssen, bevor sie einen Artikel auf der jeweiligen Plattform verkaufen können.

Marktplatzbetreiber:innen können die Qualität der angebotenen Produkte sicherstellen, indem sie neue Händler:innen sorgfältig auswählen oder auf bestehende Ökosysteme zurückgreifen, die über ein kuratiertes Netzwerk von Händler:innen und Partner:innen verfügen, wie etwa Mirakl Connect. Große, generalistische Marktplätze erlauben Händler:innen dagegen in der Regel einen sehr einfachen Eintritt auf ihren jeweiligen Marktplatz. 

Häufig gibt es dort keine Auswahlkriterien und Verkäufer:innen müssen sich nicht bewerben, um ihre Produkte verkaufen zu können. Das hat zur Folge, dass diese Marktplätze in der Regel eine extrem hohe Anzahl verschiedener Produkte anbieten, was wiederum die Qualitätskontrolle erschweren kann.

Das Marktplatzmodell bietet Flexibilität und Agilität

Ebay ist einer der etabliertesten Marktplätze. Uns erreichen oft Kommentare von Händlerinnen und Händlern, welche sich beklagen, dass die ständigen Neuerungen ihnen den Alltag mehr erschweren, statt zu erleichtern. Sollten Marktplätze stets nach Verbesserung suchen oder eher dem Prinzip „Never change a running system“ folgen?

Nichts verändern zu wollen bedeutet auf der Stelle zu treten. Ich halte den Ansatz „never change a running system” nicht für den richtigen Weg für Marktplatzbetreiber:innen. Wie bereits erwähnt, haben sich die Erwartungen der Verbraucher:innen an das Online-Shopping verändert. Marktplatzbetreiber:innen müssen die Flexibilität und Agilität nutzen, die ihnen das Marktplatzmodell bietet, um die Nachfrage bedienen zu können und eine Plattform zu schaffen, von der Verkäufer:innen und Partner:innen gleichzeitig profitieren – denn sie spielen eine zentrale Rolle für den Erfolg eines Marktplatzes. 

Die Einführung neuer Funktionen und Features muss deshalb immer dem Ziel folgen, die Erfahrung der Händler:innen und Verbraucher:innen zu verbessern. Gleichzeitig muss natürlich mit großer Rücksicht vorgegangen werden, damit Händler:innen nicht in der Abwicklung ihrer Geschäfte gestört werden. Bei Mirakl unterstützen wir, beispielsweise, mehr als 100.000 Verkäufer:innen auf über 350 Marktplätzen. Dadurch verfügen wir über die Erfahrungswerte, Verkäufer:innen sowie Betreiber:innen von Mirakl-basierten Marktplätzen das bestmögliche Erlebnis zu bieten und sie nicht in ihren Geschäftstätigkeiten zu beeinträchtigen. 

Vielen Dank für das Gespräch!

Den zweiten Teil des Interviews haben wir hier veröffentlich: Interview: Georg Soczak von Mirakl – Teil 2 „Wir müssen den Mythos der Marktplatz-Kannibalisierung hinter uns lassen“


Georg Sobczak - Mirakl

Über Georg Sobczak 

Georg Sobczak verantwortet als Regional Vice President DACH bei Mirakl die Wachstumsstrategie des SaaS-Anbieters für B2C- und B2B-Onlinemarktplätze in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sobczak verfügt über mehr als zehn Jahre Erfahrung in der Entwicklung von Vertriebs-, Markteinführungs- und Wachstumsstrategien sowie ein tiefgreifendes Verständnis von SaaS-Geschäftsmodellen. Bevor er 2021 zu Mirakl stieß, war er unter anderem für den Launch und Aufbau der DACH-Region bei Criteo und Pixmania tätig.

Über die Autorin

Ricarda Eichler
Ricarda Eichler Expertin für: Nachhaltigkeit

Ricarda ist im Juli 2021 als Redakteurin zum OHN-Team gestoßen. Zuvor war sie im Bereich Marketing und Promotion für den Einzelhandel tätig. Das Schreiben hat sie schon immer fasziniert und so fand sie über Film- und Serienrezensionen schließlich den Einstieg in die Redaktionswelt.

Sie haben Fragen oder Anregungen?

Kontaktieren Sie Ricarda Eichler

Kommentare  

#2 gaidaphotos 2023-02-15 11:31
Das unaufhörliche Gendern macht den Text fast unlesbar. Dieser Beitrag ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass Gendern die Lesbarkeit und damit das Verständnis massiv einschränkt.
Lesbarkeit und Verständlichkei t - 6, setzen

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Antwort der Redaktion

Hallo,

vielen Dank für Ihr Feedback. Wir freuen uns, dass Sie Ihnen der Beitrag gefällt.
Es handelt sich um ein Interview mit Herrn Sobczaks, der gendergerechte Kennzeichnungen in seinen Antworten verwendet hat. Wir freuen uns, wenn sich von unseren Inhalten möglichst alle gern angesprochen fühlen und befürworten daher eine gendersensible Sprache. Wir bemühen uns, einen sprachlichen Spagat zu finden. Ihr Feedback hilft uns dabei, in zukünftigen Beiträgen die richtige Balance zu finden.

Beste Grüße
die Redaktion
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#1 peter 2023-02-14 11:54
wenn es regnet wird es nass. die mitgeteilte info war auch nicht mehr wert...
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