Kolumne

Was ist mit einem Trinkgeld für den Online-Handel?

Veröffentlicht: 25.10.2019 | Geschrieben von: Tina Plewinski | Letzte Aktualisierung: 25.10.2019
Trinkgeld auf einem Teller

Kostenloser Versand, kostenlose Retouren, kostenlose Proben und und und. Die Kostenlos-Mentalität, die in Deutschland vorherrscht, treibt viele Händler nicht zu Unrecht in den Wahnsinn – und nagt natürlich auch an den Bilanzen. Von den negativen Auswirkungen auf die Umwelt mal ganz zu schweigen ...

Jedenfalls reibe ich mich an der Einstellung vieler Deutschen, als Kunde eben der König sein und umfangreiche Services für lau genießen zu wollen. Natürlich steht der Kunde im Zentrum und natürlich muss man als Händler mit gut durchdachten Strategien aufwarten, um im Konkurrenzkampf mithalten zu können. Aber man sollte auch bedenken, dass gute Arbeit auch gut entlohnt werden sollte.

Wenn ich also in einem Café sitze und die freundliche Kellnerin mir einen Espresso bringt und aufmerksam ist, belohne ich das Ganze – die Beratung, die Lieferung an den Tisch, die Aufmerksamkeit und Freundlichkeit – mit einem Trinkgeld. Wenn mir die Profis in der Werkstatt meine Reifen wechseln, gebe ich ihnen im Anschluss ein Trinkgeld – eben weil ich glücklich bin, dass sie meinen Wagen fit für die kalte Jahreszeit machen. Und wenn mir der Pizza-Bote nach einem harten Tag einen lecker belegten italienischen Teigfladen bringt, gebe ich auch Trinkgeld. Aber hat schon jemals ein Online-Händler Trinkgeld für seinen guten Service bekommen? Ich glaube eher nicht …

Zehn Euro für ein Beratungsgespräch?

Ein etwas kurioser Fall, in dem es ebenfalls um den Wert von Beratungen geht, ist diese Woche durch die Medien geflattert: Zu lesen war von einem Braunschweiger Geschäftsinhaber, der sich für seinen Service reichlich entlohnen lässt – auf diese Weise wolle er verhindern, dass sich Kunden stationär bei ihm beraten lassen und schlussendlich doch online bei der Konkurrenz kaufen. Wie die InternetWorld berichtet, ist auf einem Schild in seinem Laden zu lesen: „Wegen erhöhtem Beratungsdiebstahl sehen wir uns gezwungen, ab sofort eine Beratungsgebühr von zehn Euro zu erheben“.

Ich muss sagen, ich stehe dieser Strategie eindeutig zwiegespalten gegenüber. Einerseits finde ich es extrem wichtig, dass gute Arbeit entlohnt wird! Egal ob online oder offline. Aber zehn Euro für ein Beratungsgespräch, bei dem man nicht einmal weiß, ob man am Ende schlauer ist? Und ab wann beginnt die Beratung eigentlich? Ist eine Frage zu einem Produkt bereits eine Beratung? Und was ist, wenn ich tatsächlich bereit bin, zehn Euro zu bezahlen, ich aber aufgrund meines fehlenden Fachwissens derart unkonkret und schwer von Begriff bin, dass mir die Ratschläge des Spezialisten (trotz guter Erklärungen) irgendwie immer noch schleierhaft sind … 

Und mal ehrlich, was sollte die Kunden daran hindern, einfach zu einem anderen Händler oder gar zu einer großen Kette zu gehen?! Außerdem: Wie würde man eine Beratungspauschale im Online-Handel durchsetzen können, wenn der nächste Händler nur einen Klick entfernt ist?!

Mehr Bewusstsein für guten Service

Ich denke nicht, dass diese Strategie unbedingt die Richtige ist. Denn es löst nicht das grundsätzliche Problem der Gratis-Mentalität. Vielleicht wäre ein Trinkgeld für den Online-Handel tatsächlich keine schlechte Idee.

Natürlich bin ich mir bewusst, dass es sich dabei um einen utopischen Gedanken handelt, der wahrscheinlich niemals das Licht der Marktreife erblicken wird. Aber Wünsche darf man ja wohl noch äußern können. Vielleicht wird sich auch irgendwann die Mentalität der Kunden ändern. Die Hoffnung stirbt zuletzt. 

Über die Autorin

Tina Plewinski
Tina Plewinski Expertin für: Amazon

Bereits Anfang 2013 verschlug es Tina eher zufällig in die Redaktion von OnlinehändlerNews und damit auch in die Welt des Online-Handels. Ein besonderes Faible hat sie nicht nur für Kaffee und Literatur, sondern auch für Amazon – egal ob neue Services, spannende Technologien oder kuriose Patente: Alles, was mit dem US-Riesen zu tun hat, lässt ihr Herz höherschlagen. Nicht umsonst zeigt sie sich als Redakteurin vom Dienst für den Amazon Watchblog verantwortlich.

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Kommentare  

#3 Ocean 4M 2019-10-28 13:00
Ja welch ein schöner Traum doch leider liegt er in sehr weiter Ferne.
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#2 knarf 2019-10-26 15:13
Das ist ja lustig und da geht dann echt jemand noch hin? :D Kenne viele, mich eingeschloßen, die eine bestimmte Tankstelle nicht mehr anfahren, weil die für die Luft für die Reifen Geld verlangen.
Meiner Meinung nach, da wo der Kunde richtig und gut beraten wird, soll er auch ruhig kaufen. Sei es im Laden oder online. Wenn die Verkäufer in den Geschäften nicht richtig verkaufen können, und aus der Beratung keinen Abschluß machen, da kann der Kunde dann nichts dafür. Die sollten lieber richtiges verkaufen lernen und nicht noch so Ihre Kunden verprellen :D!
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#1 Maria 2019-10-25 14:41
Die großen Player und die Politik haben dich die Gratis Mentalität gefördert.

Altes Widerrufsrecht über 40€ zahlt alles der Händler.

Ware ist kaputt, erstmal zahlt der Händler, auch wenn die Ware hat nicht kaputt ist.

Du hast was kaputt gemacht? In den ersten 6 Monaten zahlt das auch der Händler, da er ja das Gegenteil beweisen muss.

Beratung und Service sollten per Gesetz bezahlt werden!
Meine Angestellten arbeiten auch nicht umsonst.
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