Interview mit Maik Lehmann von Smarketer

„Corona hat den Online-Shopper wählerischer gemacht“

Veröffentlicht: 24.11.2020 | Geschrieben von: Tina Plewinski | Letzte Aktualisierung: 24.11.2020
Mann, der Hindernisse überwindet, um zum Ziel zu kommen

Der Black Friday steht vor der Tür. Den Schnäppchen-Tag können Händler nicht nur nutzen, um kurzfristig ihre Umsätze nach oben zu treiben und Neukunden zu gewinnen. Auch für die Kundenbindung kann der Aktionstag genutzt werden. Wie das geht und was Händler beim Thema Kundenbindung beachten sollten, darüber haben wir mit Marketing-Experte Maik Lehmann von der Google-Adwords-Agentur Smarketer gesprochen.

OnlinehändlerNews: Der Black Friday wird im deutschen Online-Handel von einigen Händlern bereits seit Jahren als Schnäppchen-Tag gefeiert. Wie etabliert ist er Ihrer Meinung nach bei deutschen Unternehmen und Kunden?

Maik Lehmann: „Der Black Friday hat sich insbesondere in den letzten Jahren auch in Deutschland immer mehr als Schnäppchen-Tag etabliert. Mittlerweile ist er nach Weihnachten der umsatzstärkste Tag im Jahr und wird von fast allen Händlern genutzt. Alleine im deutschen Online-Handel wurden 2019 in der Black-Friday-Woche 3,1 Milliarden Euro Umsatz erzielt. Und auch das jährlich steigende Suchvolumen spricht für den Bekanntheitsgrad des Tages: 600 Prozent mehr Suchanfragen für ‚Black Friday‘ gab es 2019 im Vergleich zum Vorjahr.

Nicht nur durch die traditionell hohen Rabatte ist das Shopping-Event so beliebt geworden, auch der Zeitpunkt ist entscheidend. So nutzen laut einer Umfrage von Google 62 Prozent der Deutschen den Black Friday zum Kauf von Weihnachtsgeschenken. Dabei profitiert besonders der Online-Handel sehr stark, denn in der Umfrage geben 93 Prozent der Befragten an, vorrangig online zu kaufen. 62 Prozent verzichten sogar komplett auf den Einkauf im stationären Handel.“

Von gutem Kundenservice und Remarketing-Listen 

Am Black Friday und in den Vorweihnachtswochen geht es für Händler nicht nur darum, mit Rabatten die Umsätze zu steigern. Durch die richtigen Strategien können auch Neukunden gebunden werden. Welche konkreten Tipps haben Sie für Händler in Sachen Kundenbindung?

„Online-Händler sollten sicherstellen, dass eine Beratung oder der Kundensupport telefonisch oder über einen Live-Chat schnell zur Verfügung stehen. 

Ein weiterer Punkt, der oft zu Warenkorbabbrüchen führt, ist ein übermäßig komplexer oder unübersichtlicher Kaufprozess. Der User möchte durch seinen Kauf geführt werden und nicht lange nach dem nächsten Button suchen – es sollte so einfach sein wie das Anstellen und Bezahlen an der Kasse im Offline-Handel. Nicht notwendige Formular-Felder sollten entweder optional sein oder komplett gestrichen werden.

Vor allem die Silver Surfer, also Menschen ab 50 Jahren, die bisher den stationären Handel bevorzugt haben, sind Erstkäufer im Internet. Diese Zielgruppe gilt es nun zu überzeugen, mit Vertrauen, Beratung und aussagekräftigen Produktbeschreibungen und Bildern.

Werbetreibende können im Bereich des Suchmaschinenmarketings von Remarketing-Listen Gebrauch machen. Vergangene Besucher, Käufer oder Warenkorbabbrecher können so gezielt kategorisiert und mittels spezifischen Creatives, Rabatten und Gutscheinen angesprochen werden. 

Dieses Vorgehen hat gleich zwei Vorteile: Einerseits erinnern sich diese Nutzer eher an den Online-Shop und andererseits spricht diese Art von Werbung noch einmal mehr die Bedürfnisse des Nutzers an. Haben Shopbesitzer bisher keine Remarketing-Listen erstellt, ist der diesjährige Black Friday dafür ein guter Zeitpunkt – auch im Hinblick auf das Weihnachtsfest.

Ebenso können für Käufer mit Gutscheinen und Rabatten per E-Mail im Nachgang Anreize gesetzt werden, um zum Shop zurückzukehren. Denkbar wäre hier auch der Hinweis auf den eigenen Online-Adventskalender – eine effektive Methode, um Nutzer jeden Tag aufs Neue mit neuen Angeboten in den Shop zu locken.“

Langfristig Kunden binden

Hat sich die Bereitschaft der Kunden, sich an einen Händler oder ein Unternehmen zu binden, Ihrer Erfahrung nach in den letzten Jahren verändert? Oder anders: Ist die Kundenbindung für Unternehmen eher einfacher oder eher schwieriger als früher?

„Wer seinen Online-Shop geschickt optimiert, kann derzeit mehr langfristige Kunden gewinnen als je zuvor, denn durch die Corona-Pandemie sind die Nutzerzahlen im Online-Handel rasant gestiegen. Jetzt gilt es, diese neuen Kunden auch langfristig zu binden – ein günstiges Angebot reicht oft nicht aus, um aus Neukunden wiederkehrende Käufer zu machen. 

Viele Händler haben seit dem Frühjahr ihre Online-Präsenz entweder aufgebaut oder ausgebaut, dementsprechend ist auch die Auswahl für die Kunden gestiegen. Corona hat den Online-Shopper wählerischer gemacht und Kriterien wie Service und User Experience sind in den Vordergrund gerückt. Wer hier viele Pluspunkte sammelt, kann Kunden langfristig binden, denn eine erneute Suche nach dem richtigen Shop kostet Zeit und Energie.

Dennoch bedeutet dies nicht, dass Verbraucher sich nur auf einen Händler festlegen. Die bereits erwähnten Silver Surfer geben in einer weiteren Umfrage von Google zu mehr als 50 Prozent an, bei mehreren Händlern zu kaufen.“

Eine reibungslose Nutzererfahrung ist wichtig

Was sind Ihrer Erfahrung nach die größten Hürden, wenn es darum geht, Kunden langfristig zu binden?

„Genauso schnell wie Kunden derzeit gewonnen werden können, so sind diese auch verloren, sobald das Vertrauen in den Shop sinkt. Insbesondere Lieferengpässe waren zum Anfang der Pandemie ein großes Problem und sollten proaktiv kommuniziert werden. Muss der Käufer zu lange auf seine Ware warten, wandert er schnell zu einem anderen Online-Shop mit besserer Produktverfügbarkeit und Versandzeiten ab.

Auch bedeutet ein abgeschlossener Kaufprozess nicht unbedingt, dass der Kunde eine reibungslose Nutzererfahrung hatte. Häufig sind es fehlende Bezahlmethoden oder unübersichtliche Checkout-Prozesse, die davor abschrecken, noch einmal im gleichen Online-Shop zu kaufen.

Auch die Relevanz der Angebote, die der Kunde nach seinem Kauf erhält, spielt eine wichtige Rolle. Oftmals erhalten Neukunden im Anschluss an den Kauf Rabatte oder Angebote, die weder mit dem gekauften Artikel noch mit den Interessen des Kunden in Verbindung stehen. Hier gilt es die Marketingaktivitäten weitestgehend zu personalisieren, so dass Sie den Käufer zielgerichtet anspricht. Im Remarketing können beispielsweise die Produktkategorien für entsprechende Remarketing-Listen herangezogen werden, in welcher der Kunde eingekauft hat. So sind auch die ausgespielten Werbeanzeigen relevant und bedienen die Interessen des Kunden.“


Über den Interviewpartner

Smarketer MaikLehmann

Maik Lehmann ist Head of Product bei Smarketer, verantwortlich für die Entwicklung von Qualitätsstandards im Bereich Performance Marketing und Mid/Upper Funnel und entwickelt den Ausbau der operativen & strategischen Kundenberatung. Gemeinsam im Team werden innerhalb der Agentur über 800 Kunden mit digitalen Konzepten unterstützt, dazu gehören Marken wie PIN AG, Walbusch, Schuhe24 und Audible.

Über die Autorin

Tina Plewinski
Tina Plewinski Expertin für: Amazon

Bereits Anfang 2013 verschlug es Tina eher zufällig in die Redaktion von OnlinehändlerNews und damit auch in die Welt des Online-Handels. Ein besonderes Faible hat sie nicht nur für Kaffee und Literatur, sondern auch für Amazon – egal ob neue Services, spannende Technologien oder kuriose Patente: Alles, was mit dem US-Riesen zu tun hat, lässt ihr Herz höherschlagen. Nicht umsonst zeigt sie sich als Redakteurin vom Dienst für den Amazon Watchblog verantwortlich.

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