OHN Podcast #5/21

Thomas Ropel: „ Amazon hat extrem hohe Margen im Advertising-Bereich“

Veröffentlicht: 28.05.2021 | Geschrieben von: Christoph Pech | Letzte Aktualisierung: 02.06.2021
OHN Podcast

Was Amazon anfasst, wird oft zu Gold und was noch kein Gold ist, hat Amazon meist noch nicht angefasst, so wie lange Zeit den Advertising-Bereich. Werbung fristete beim Handelsriesen lange Zeit ein Schattendasein. Welches Potenzial darin schlummert, erkannte aber früh ein kleines StartUp aus Deutschland: Sellics heißt das Unternehmen, das längst nicht mehr klein und längst der größte Advertising-Partner von Amazon ist.

Thomas Ropel ist der Chief Marketing Officer (CMO) von Sellics und spricht im OHN Podcast darüber, wie Sellics diese Position erreicht, aber auch darüber, wie sich der Stellenwert von Advertising bei Amazon über die Jahre verändert. Mittlerweile ist es ein Milliardengeschäft und auch, wenn Google und Facebook noch weit weg sind: Die Wachstumsraten sind enorm und mit dem dritten Platz gibt sich Amazon nur selten zufrieden – schon gar nicht, wenn ein Bereich derart lukrativ ist. „Amazon hat extrem hohe Margen im Advertising-Bereich“, erklärt Ropel. Darum habe Amazon auch „ein riesiges Interesse daran, den Advertising-Bereich weiter zu vergrößern.“

20.000 Produktkategorien

Auch über Sellics selbst sprechen wir natürlich, und klären, warum der „Benchmarker“ – ein Tool des StartUps, das für Händler ganz nebenbei enorm sinnvoll sein kann – gerade erst mit 20.000 zusätzlichen Produktkategorien gefüttert wurde, Thomas Ropel erklärt, wie diese Zahl zustande kommt.

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Inhalt

Werdegang zum Amazon Advertising Partner

CP
In dieser Ausgabe geht es um Amazon Advertising. Ein Unternehmen, was sich in diesem Bereich gut auskennt, ist Sellics. Mein heutiger Gast ist Thomas Ropel, CMO bei Sellics. Moin Thomas!

TR
Hallo Christoph! Schön, hier zu sein.

CP
Vor einigen Jahren habe ich euren CEO Franz Jordan auf einer Veranstaltung getroffen und mit ihm über Sellics gesprochen. Wie schafft man es als kleines deutsches StartUp, zum größten Advertising Partner von Amazon zu werden? Franz erzählte mir, dass ihr zu Beginn mit drei Monatsmieten an Budget gestartet seid - und jetzt seid ihr der größte Advertising Partner von Amazon. Erzähle uns ein wenig über euren Werdegang.

TR
Zum einen hat sich Amazon in den letzten Jahren extrem stark und mit schneller Geschwindigkeit entwickelt. Auf dem Marktplatz und auch im Advertising-Bereich ist viel passiert. Einer der großen Vorteile von Sellics war, dass wir in dem Bereich früh gestartet sind. Folglich sind wir mit Amazon und den Marktbedürfnissen mitgewachsen.

CP
Wie sieht die Konkurrenzsituation heute aus?

TR
Die Situation hat sich natürlich geändert und die Konkurrenz ist sehr stark gewachsen. Mittlerweile gibt es viele Firmen und Agenturen, die ihr Tätigkeitsgebiet auf Amazon ausgerichtet haben. Es ist ein hart umkämpfter Bereich.

Advertising auf Wachstumskurs bei Amazon

CP
Welchen Stellenwert hat Advertising bei Amazon? Lange war es kein sehr großes Thema. NTV schrieb: "Amazons dritter Gigant erwacht" und rechnet sogar damit, dass dies bald das größte Einnahmefeld bei Amazon sein wird.

TR
In den letzten Jahren ist der Umsatz extrem stark gewachsen. Im ersten Quartal lag das Wachstum über 70% und im letzten Jahr wurde die 20-Milliarden-Grenze erreicht. Man geht von einer weiteren Verdopplung in den nächsten zwei bis drei Jahren aus. Zieht man den Vergleich zu den 80 Milliarden bei Facebook oder den 150 Milliarden bei Google, wirken diese Zahlen immer noch deutlich kleiner. Facebook und Google sind jedoch in allen Industrien aktiv. Schaut man sich nur den Retail-Bereich an, zeichnet sich ein anderes Bild.

Es gibt keine offiziellen Zahlen, aber Schätzungen zufolge ist Amazon damit auf einem sehr ähnlichen Level wie die anderen beiden Konzerne, betrachtet man den nur den Retail-Bereich im E-commerce.

CP
Allein 20 Milliarden sind schon eine Hausnummer.

TR
Richtig. Auch in den Margen gibt es Unterschiede. Amazon hat extrem hohe Margen im Advertising-Bereich, was auch für Amazon neu ist. Vorher operierte der Konzern auf sehr geringen Margen. Daher hat Amazon natürlich ein starkes Interesse daran, in dem Bereich weiter zu wachsen. Wir gehen davon aus, dass die Entwicklung sich so weiterführen wird.

Einblicke in die Zusammenarbeit mit Amazon

CP
Wie eng arbeitet ihr mit Amazon zusammen?

TR
Sehr eng. Es ist von Vorteil, über die nächsten Launches informiert zu sein; z.B. die nächsten Formate, Optimierungsstrategien, Reports, Datenquellen usw. Je enger die Zusammenarbeit, desto schneller können wir reagieren und somit können unsere Kunden schneller profitieren.

CP
Wie kann man sich die Zusammenarbeit vorstellen? Tretet ihr mit euren Ideen an Amazon einfach heran und wie wird dort damit umgegangen?

TR
In der Art ja, es findet ein Austausch statt. Es gibt regelmäßige Meetings mit verschiedenen Teams. Manchmal sind es kürzere, strategische Meetings, manchmal quartalsweise Treffen. Verschiedenste Bereiche werden besprochen. Wir geben unser Feedback und das, was wir vom Markt erhalten, weiter. Das kann beispielsweise die Nachfrage nach neuen Features oder Reportingzahlen sein. Auf der anderen Seite gewährt Amazon uns Zugang zu Tests, um Feedback zu erhalten.

Coronakrise & Amazon Advertising

CP
Nun befinden wir uns immer noch in der Coronakrise, die hoffentlich nicht mehr lange andauert. In welcher Weise hat sich die Pandemie auf euch ausgewirkt? Gefühlt haben viele Unternehmen über die Krise geklagt, aber gerade der Onlinehandel und speziell die großen Player konnten Rekordumsätze einfahren. Somit hatte die Coronakrise für diese Unternehmen eher positive Auswirkungen. Wie war das bei euch, gab es einen Einfluss auf euer Geschäft?

TR
Ja, es gab verschiedene Effekte für uns und auch den gesamten E-Commerce-Bereich. Vor einem Jahr begann das Problem der unterbrochenen Lieferketten, u.a. durch den Lockdown in China bedingt. Ware war somit knapp und konnte nicht verkauft werden. Das war ein großes Thema. Weiter hatten viele Unternehmen intern selbst mit der Krise zu kämpfen, durch die Umsetzungspflicht verschiedenster Regelungen wie Homeoffice. In solchen Zeiten schließen wenige Firmen Verträge ab, die Investitionsfreudigkeit geht zurück. Diese Entwicklung hat sich bei uns spürbar gemacht.

Einige Bereiche im E-Commerce profitierten sehr stark, z.B. Verkäufe von Produkten für Garten und Zuhause. Verkäufe von Büromaterial oder Reisezubehör hingegen waren rückläufig.

CP
Die Umstellung auf Homeoffice war bei euch wahrscheinlich kein großes Problem, oder?

TR
Theoretisch nicht, aber in der Praxis gab es ein paar Herausforderungen. Hinsichtlich der Firmenkultur waren wir schon stark "Office-getrieben" und die Mitarbeiter waren die meiste Zeit im Büro. Remote-Arbeiten war bei uns eher die Ausnahme. Daher war es in der Praxis nicht ganz so leicht, wie man es sich vielleicht vorstellt.

Benchmarker: Werbeleistung auf Amazon im Wettbewerbsvergleich

CP
Ihr bietet viele Tools für Unternehmen an, eines davon ist der Benchmarker. Bitte erkläre einmal, was das genau ist und was man damit machen kann.

TR
In den letzten 15 Jahren habe ich mich mit den verschiedensten Advertising-Accounts und den verschiedensten Problemen beschäftigt. Ein Grundproblem im Werbebereich ist das Verstehen der eigenen Position im Vergleich zum Wettbewerb. Dieses Verständnis ist zur Interpretation einiger Zahlen notwendig. Nur so kann eingeschätzt werden, wo Potenziale liegen.

Für Amazon gibt es einige "Flagship-KPIs": wenn man diese versteht und auch, ob man darin gut oder schlecht gestellt ist, lässt es sich sehr viel fokussierter arbeiten. Dazu zählen die Conversion Rate, Cost-Per-Click, Click-Through-Rate, und auch wieviel man letztlich zahlen muss, um 1$ zu generieren. Wenn man für diese vier großen Zahlen einen Vergleich zu Wettbewerbern ziehen kann, die ähnliche Produkte verkaufen, kann man daraus ggfs. ableiten, auf welche Bereich man sich in der Optimierung fokussieren sollte (Preis, Produktbilder, andere Zielgruppen erreichen etc.).

Der Benchmarker versucht, genau das zu lösen. Mit den Jahren konnten wir eine sehr große Datenbank aufbauen. Intern führen unsere Data Scientists viele Studien mit den Daten durch. Auf der Basis von statistischen Modellen werden hier u.a. Benchmarks berechnet. Damit können wir viele Zahlen sehr präzise abschätzen. Z.B. welche Margen beim Verkauf von Computermäusen in Deutschland zu erwarten sind. Der Benchmarker analysiert den Ist-Zustand und weist auf Probleme oder Potentiale hin, auf die sich der Verkäufer fokussieren sollte.

CP
Warum bietet ihr dieses Tool kostenlos an?

TR
Wir wollten einen Mehrwert für die Community liefern. Viel Zeit wird mit der Recherche nach der Ausrichtung verbracht. Um diese Frage zeitsparend zu klären, bieten wir den Benchmarker aktuell kostenlos an.

CP
Kürzlich hat der Benchmarker neue Funktionen erhalten und wurde um 20.000 Produktkategorien erweitert. Welchen Nutzen bringt diese neue Funktion und wie viele Produktkategorien gibt es überhaupt bei Amazon?

TR
Sehr viele. Die 20.000 Kategorien kommen wie folgt zustande: der Benchmarker prüft aktuell neun Amazon-Marktplätze in verschiedenen Ländern, daher aggregiert sich die Zahl. Zurück zu dem Beispiel mit dem Verkauf der Computermaus: Vergleicht sich der Verkäufer nun im Hautpkategoriebereich Electronics mit anderen, ist das durch die fehlende Fokussierung nur sehr bedingt aussagekräftig. Man vergleicht sich nicht nur mit anderen Verkäufern von Computermäusen sondern auch mit Verkäufern von Tastaturen, Monitoren, aber auch Staubsaugern oder Drohnen. Die Vergleichsmetriken sind somit weniger hilfreich.

Die Nutzerverhalten und die Customer Lifetime Value im Bereich Computermäuse sind komplett anders als bei PCs beispielsweise. Je genauer die Produktkategorie bestimmt werden kann, desto besser funktioniert der Benchmark. Eine Computermaus ist am besten mit anderen Kleingeräten um PC-Zubehör vergleichbar, eine Tastatur ist u.U. noch im selben Bereich. Der Rechercheprozess bei einem kompletten PC ist ein völlig anderer als bei einer Computermaus - das muss auch bedacht werden. Aufgrunddessen sollte die Herangehensweise möglichst granular sein.

Problem bei diesem Ansatz: Daten werden benötigt, andernfalls bleiben gute Ergebnisse aus. Fehlen die Daten, können andere Ansätze wie Machine Learning und Data Science in Betracht gezogen werden. Aber auch dort wird zumindest eine gewisse Datenbasis benötigt. Der Benchmarker kombiniert Daten, über die verschiedenste Modelle laufen gelassen worden. Er bietet somit eine größtmögliche Abdeckung, die trotzdem statistischen Bedingungen standhält.

CP
Dafür benötigt ihr eine große Datenmenge. Wie erhaltet ihr diese? Stellt euch Amazon auch Daten zur Verfügung?

TR
Es gibt verschiedenste Datenquellen. Für die Erstellung der statistischen Modellen ist eine gewisse Kombination von Daten erforderlich. Einer der wichtigsten Punkte sind die Studien, die wir an den Daten durchführen. Sellics ist ein großer Player am Markt und über Sellics läuft auch ein großer Anteil an Verkäufen auf Amazon. Letztes Jahr wurden über uns über 2,5 Milliarden über Amazon-Werbung erwirtschaftet. Anonymisiert und aggregiert man diese Daten mit dem Fokus auf verschiedene Dynamiken, lassen sich viele Erkenntnisse daraus ableiten.

CP
Was plant ihr für die nächsten zwei Jahre, vor allem für die Zeit nach der Coronakrise?

TR
Da tut sich viel, Amazon gibt hier auch das Tempo ein wenig vor. Für uns ist Kontinuität wichtig, immer am Puls der Zeit zu bleiben und die neuesten Targeting-Möglichkeiten zu bieten. In den nächsten 12 bis 18 Monaten ist auch die Weiterentwicklung der Optimierungsplattform bei Sellics wichtig. Diese führt die Optimierungsschritte durch und empfiehlt z.B. Keywords und Gebotsanpassungen. Die Optimierungsplattform soll weiter mit den Insights und Daten kombiniert werden. Amazons Vorteil im Vergleich zu Facebook oder Google ist, dass Amazon eigentlich ein geschlossenes Ökosystem ist.

Die Produktsuche, die Evaluierung und der Kauf eines Produktes passieren alle auf derselben Plattform. Bei Google oder Facebook ist das in der Regel nicht der Fall. Somit stehen für die Optimierung mehr Daten zur gesamten User Journey zur Verfügung. Wir sehen z.B., wenn ein organisches Ranking fällt, kann es Sinn machen, wieder höher im Bereich Paid zu bieten - anders herum vielleicht nicht. Wir können auch die Auswirkungen auf die gesamte Profitabilität abschätzen, denn bei Amazon können wir exakt alle Gebühren pro Produkt und Kategorie einsehen. So können wir verschiedenste Daten kombinieren und damit die Werbung so optimieren, dass sie den Profit des Händlers steigert.

CP
Wie wird sich das Thema Werbung bei Amazon weiterentwickeln? Denkst du, dass dies die größte Einnahmequelle für Amazon werden kann und dass - nicht nur im E-Commerce-Bereich - Google und Facebook angegriffen werden?

TR
Für Amazon wird es aus meiner Sicht einer der zwei bis drei größten Wachstumstreiber bleiben. Ob es der größte wird, hängt auch von der Weiterentwicklung der Bereiche Cloud und Marktplatz ab. Zumindest im Retail-Bereich schätze ich Amazon als einen starken oder sogar den stärksten Player im Web 2 ein. Mit dem großen E-Commerce-Imperium, was sich Amazon aufgebaut hat, führt daran fast kein Weg vorbei. Vergleicht man den kompletten Werbeumsatz von Amazon mit Google, werden sie dort nicht überholen. Google deckt alle Industrien ab, ich sehe Amazon dort nicht in den nächsten zwei bis drei Jahren. Ich denke z.B. nicht, dass Amazon in den Bereich Versicherungen einsteigen wird.

Über den Autor

Christoph Pech
Christoph Pech Experte für: Digital Tech

Christoph ist seit 2016 Teil des OHN-Teams. In einem früheren Leben hat er Technik getestet und hat sich deswegen nicht zweimal bitten lassen, als es um die Verantwortung der Digital-Tech-Sparte ging. Digitale Politik, Augmented Reality und smarte KIs sind seine Themen, ganz besonders, wenn Amazon, Ebay, Otto und Co. diese auch noch zu E-Commerce-Themen machen. Darüber hinaus kümmert sich Christoph um den Youtube-Kanal.

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