Kolumne: Warum die Autoindustrie beim ersten eigenen Online-Shop stolpert

Veröffentlicht: 13.12.2013 | Geschrieben von: Michael Pohlgeers | Letzte Aktualisierung: 13.12.2013

Drogeriemärkte, Möbelhäuser, Autohändler – sie sind die Nachzügler des E-Commerce. Daimler hat kürzlich als erster Auto-Hersteller eine eigene Plattform für den Verkauf von Mercedes-Benz-Fahrzeugen gestartet, um den Online-Absatzkanal zu erschließen. Völlig überzeugend wirkt dieser Versuch nicht, obwohl er sicher eine neue Ära für die Autoindustrie einläuten wird.

Vorne weg: Das nötige Kleingeld, um einen neuen Mercedes zu kaufen, habe ich nicht. Aber das sollte bei der Betrachtung eines Online-Shops auch eher nebensächlich sein. Wer weiß, vielleicht bestelle ich irgendwann auch einmal einen Neuwagen im Netz. Schließlich ist der Einkauf online allgemein bequem. Daimler hat den Mercedes-Shop jedenfalls in Anbetracht der Tatsache gegründet, dass immer mehr Menschen im Internet shoppen. Womit der Hersteller auch ein wenig zugibt, die Entwicklung verschlafen zu haben.

In aller Fairness: Autos über das Internet zu verkaufen, scheint wirklich schwierig. Schließlich ist ein Neuwagen kein Produkt, welches sich gut einpacken und per Postboten oder Liefer-Drohne zustellen lässt. Dass die Autoindustrie also ein wenig länger brauchte, einen Online-Shop auf die Beine zu stellen, ist verständlich und verzeihbar. Jetzt ist die erste Verkaufsplattform aber da und die Frage stellt sich: Wie gut wirkt der erste Auftritt der Autoindustrie als Online-Händler?

Kleine Stolpersteine trüben den ersten Blick

Auf den ersten Blick wirkt die Seite durchaus ansprechend. Insgesamt hat man vier Modelle zur Auswahl, drei davon in verschiedenen Konfigurationen. Und hier ergeben sich auch die ersten Stolpersteine. Denn wenn man mehrere zehntausend Euro für einen Neuwagen ausgibt, will man gewiss keinen vorkonfigurierten Wagen. Nicht einmal die Lackfarbe lässt sich ändern – und das sollte nach 100 Jahren Auto doch inzwischen die leichteste Übung sein.

Auch bei den Fahrzeug-Bildern gibt es den störenden Beisatz: „Alle Abbildungen nur beispielhaft und zu Illustrationszwecken. Das bestellte Fahrzeug kann von Abbildungen abweichen.“ Zweifellos eine rechtliche Absicherung, aber mit beunruhigender Wirkung für den Kunden: Bekomme ich das Fahrzeug nun, wie es abgebildet ist? Oder bestelle ich – überspitzt gesagt – ein rotes Auto und bekomme ein blaues? Immerhin: An Fotos wird nicht gespart, es gibt sogar eine 3D-Ansicht des Wagens von außen und innen. Über einen Button lässt sich sogar von Tag auf Nacht schalten, damit man die Beleuchtung in voller Pracht betrachten kann. Ein nettes kleines Gimmick.

Probefahrt mit einem anderen Wagen?

An Informationen und Service spart Daimler bei seinem ersten Online-Shop nicht: Telefon, E-Mail, sogar ein Live-Chat stehen dem interessierten Käufer zur Verfügung, um eventuelle Wünsche zu besprechen oder Fragen zu klären, die nicht in den FAQ geklärt werden. Hier bemüht man sich quasi, den kompetenten Autoverkäufer in die digitale Welt zu hieven.

Dann wäre da aber die Probefahrt. Die lässt sich zwar über einen einfachen Button im Online-Shop vereinbaren, aber in den FAQ wird erklärt, dass man sich darum bemühe, dem Kunden „ein ähnlich ausgestattetes Fahrzeug“ zur Verfügung zu stellen. Vor allem die Motorisierung und Ausstattung könnten laut Hersteller abweichen. Wieder Unsicherheit: Bekomme ich für die Probefahrt nun einen ganz anderen Wagen zur Verfügung? Klar, alle Wagen immer zur Verfügung stellen zu können, ist schwierig. Aber dieses Wissen kann die Zweifel auch nicht vertreiben.

Der erste Internetauftritt eines Autoherstellers hat also seine Tücken. Wie gesagt: Autos gehören sicher zu den anspruchsvolleren Produkten, die man online an den Kunden bringen kann. Und der Web-Shop für Mercedes wird das Unterfangen nicht erleichtern. Immerhin sprechen wir hier auch über große Summen, die für den Wagen ausgegeben werden. Da empfiehlt es sich vorerst noch, zum Autohändler seines Vertrauens zu gehen, eine Probefahrt in dem Wagen zu machen, den man auch haben will und die Ausstattung und die Farbe selbst zu wählen. Trotzdem zeigt der Shop, dass die Autoindustrie sich nicht mehr vor dem Internet scheut. Und vielleicht wird in ein paar Jahren, wenn ich mir auch einen Mercedes leisten kann, der Internetauftritt der Hersteller so gut sein, dass ich beim Kauf nicht einmal mein Haus verlassen muss.

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