Gastartikel: Datengetriebenes Online-Marketing – Planung, Steuerung und Auswertung mithilfe von E-Commerce-Controlling

Veröffentlicht: 02.11.2017 | Geschrieben von: Gastautor | Letzte Aktualisierung: 02.11.2017

In diesem Gastartikel dreht sich alles um das Thema E-Commerce-Controlling, das einen bedeutenden Schritt weiter als eine bloße Web-Analyse geht. Es geht hierbei um eine kontinuierliche Datenerfassung, Auswertung und Optimierung. 

Online-Marketing-Visualisierung

© Faizal Ramli - Shutterstock.com

Die stetig zunehmende Konkurrenz, ein bis auf die Spitze getriebenes Nischendenken sowie die grundlegende Professionalisierung des E-Commerce führen zu einer noch nie da gewesenen Komplexität in den verschiedensten E-Commerce-Disziplinen. Besonders gilt dies für die Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen.

Ohne die konstante Analyse und Optimierung der verschiedenen Marketing-Maßnahmen besteht für Unternehmen die große Gefahr, Kampagnen zu fahren, die letzten Endes mehr Geld kosten, als sie einbringen. Der Schlüssel für ein erfolgreiches Online-Marketing liegt in der kontinuierlichen Datenerfassung, Auswertung und Optimierung. Getreu dem Motto „Zahlen lügen nicht“ sollten Entscheidungen ausschließlich auf Basis von gewonnenen Fakten getroffen werden. E-Commerce-Controlling ist die Lösung. Im Gegensatz zur Web-Analyse werden nicht nur Bewegungsdaten innerhalb des Online-Shops ausgewertet, sondern alle unternehmenskritischen Daten berücksichtigt.

Von Google AdWords zum komplexen Marketing-Mix

Konnten in der Vergangenheit ausschließlich gut durchdachte Search Engine Advertising (SEA) Kampagnen, beispielsweise Google AdWords, den für den geschäftlichen Erfolg notwendigen Traffic sowie nachgelagert entsprechende Verkäufe generieren, ist diese Strategie heute kaum noch erfolgreich. Zu hoch sind letztendlich die Kosten pro Klick und die Konkurrenzsituation. Deshalb gilt es, wie im klassischen „offline“ Marketing, auch für den E-Commerce einen Mix aus vielen verschiedenen Marketing-Maßnahmen zu entwickeln.

Dabei kann und sollte jede Maßnahme für sich unterschiedliche Ziele verfolgen. Es muss nicht ausschließlich der profitable Verkauf eines Produktes im Fokus einer Kampagne stehen, weiterführende Ziele wie die Generierung von Traffic und Vergrößerung der Reichweite sind ebenso legitim. Speziell beim Vertrieb von komplexeren Produkten mit langer Pre-Sales-Phase stehen die Lead-Generierung und die Betrachtung der gesamten Customer-Journey im Vordergrund.

Umfassende Vermarktungsstrategie als Basis

In der Praxis kommt es allzu häufig vor, dass keine durchdachte und umfassende Strategie hinter den Marketing-Maßnahmen steht. Oftmals wird nämlich von Marketern nach SEA und SEO (Search Engine Optimization) gerufen, ohne sich Gedanken darüber zu machen, ob sich diese Maßnahmen tatsächlich für die Erreichung der gewünschten Ziele eignen. Es ist an der Zeit, sich von der Vorstellung zu verabschieden, SEO und SEA seien die ultimativen Vermarktungswunderwaffen, die mit guten Kampagnen alle Traffic-, Umsatz- und Lead-Probleme auf einen Schlag lösen.

Bei der Entwicklung wirksamer Vermarktungsstrategien geht es primär um die Identifizierung der „richtigen“ Marketing-Maßnahmen sowie die im Bezug zum jeweiligen Marketing-Kanal sinnvolle Zielsetzung. Es macht etwa keinen Sinn, Marketing-Kanäle zu nutzen, in denen die eigene Zielgruppe nicht aktiv ist oder auf einen Kanal zu setzen, der sich für die Kontaktdaten-Generierung eignet, aber als Zielsetzung einen Umsatz zu definieren. Basierend auf der anvisierten Zielgruppe, den Rahmenbedingungen wie Preisgestaltung und Produktsortiment sowie dem vorhandenen Budget empfiehlt es sich, eine Auflistung zu erstellen und zu validieren, welche der aufgeführten Marketing-Maßnahmen für die eigene Vermarktungsstrategie Relevanz besitzen. Das könnte dann so aussehen:

Marketing-Maßnahme

Einschätzung der Relevanz

Affiliate Marketing

tendenziell ungeeignet

Social Media Marketing

tendenziell ungeeignet

E-Mail-Marketing

sehr gut geeignet

Guerilla-Marketing

tendenziell ungeeignet

Search Engine Advertising

sehr gut geeignet

Search Engine Optimization       

sehr gut geeignet

Video Marketing

gut geeignet

Content Marketing

gut geeignet

Word-of-Mouth-Marketing

gut geeignet

Multi-Channel Distribution

tendenziell ungeeignet

Auswahl der Ziele

Sobald geeignete Maßnahmen identifiziert wurden, müssen Ziele definiert werden. Diese müssen vor allem messbar sein, zum Beispiel der zu erzielende Umsatz oder die Anzahl der zu generierenden Kontakte. Wie eingangs erwähnt, muss jedoch nicht immer der profitable Verkauf eines Produktes im Vordergrund stehen. Speziell für Händler, die frisch im E-Commerce starten, geht es anfangs primär um die Steigerung der Reichweite. Der Online-Shop muss bekannt werden und langfristig eine breite Kundenbasis aufbauen. Die eigentliche Monetarisierung erfolgt im zweiten Schritt. Bei diesem Denkansatz darf der Verkauf an einen Kunden einen negativen Gewinn erzeugen, sofern die Wahrscheinlichkeit eines zweiten, profitablen Einkaufs hoch ist. Der Ansatz eignet sich also gut für Geschäftsmodelle, bei denen von regelmäßigen Einkäufen der Kunden ausgegangen werden kann.

Speziell für die Reichweitensteigerung eignet sich das Multi-Channel-Marketing. Der Verkauf des Produktportfolios auf Amazon und Ebay kann zielführend sein, auch wenn in diesen Marktplätzen durch Preistransparenz und Verkaufsprovisionen oftmals keine nennenswerten Gewinne erwirtschaftet werden können. Beide Plattformen bieten sich jedoch hervorragend für die Gewinnung von Kunden und die Steigerung der Bekanntheit an. Man baut schnell eine breite Kundenbasis auf, die im Nachgang per E-Mail oder Telefon-Marketing angegangen werden kann. Der zweite Einkauf dieser Kunden erfolgt dann bestenfalls im eigenen Shop.

Im Gegensatz zu diesem Ansatz, bei dem der Profit nicht das primäre Ziel darstellt, kann bei einer Facebook-Ads-Kampagne sehr wohl die Wirtschaftlichkeit im Fokus stehen. Durch das Facebook Pay-per-Click (PPC) System können die Kosten der Gewinnung eines Kunden tatsächlich niedriger als die vorhandene Marge sein, wodurch pro Verkauf ein Gewinn erwirtschaftet wird.

Identifikation der Key Performance Indicator (KPI)

Neben der Zieldefinition je Marketing-Kampagne müssen zudem Key Performance Indicator (KPI), d. h. relevante Kennzahlen, festgelegt werden. Die Erfolgsauswertung im Rahmen des E-Commerce-Controllings funktioniert letztendlich nur auf deren Basis. Sind diese nur „schwammig“ oder gar nicht definiert, lässt sich im Umkehrschluss keine Aussage hinsichtlich des Erfolgs oder Misserfolgs der Kampagne treffen.

Sollen beispielsweise Produkte mithilfe von Preissuchmaschinen wie Google Shopping vertrieben werden, könnten KPI wie folgt aussehen:

  • Anzahl der Klicks
  • Durchschnittliche Verweildauer in Minuten
  • Durchschnittlicher Bestellumsatz
  • Umsatz (Gesamt)
  • Selbstkosten (Gesamt)
  • Werbekosten (pro Klick)
  • Werbekosten (Gesamt)

Auf Basis dieser Kennzahlen lässt sich ermitteln, ob die Kampagne kostendeckend arbeitet und wie viel Traffic mit ihrer Hilfe generiert wurde. Im Gegensatz hierzu könnten bei einer Google AdWords Kampagne die Kennzahlen „Durchschnittlicher Bestellumsatz“ sowie „Umsatz (Gesamt)“ entfallen, wenn die Zielsetzung ausschließlich in der Steigerung des Traffics und der Generierung von Leads besteht. Aus dieser Zielsetzung würden sich wiederum neue Kennzahlen wie die Anzahl generierter Kontaktdaten ableiten lassen. Die Definition der erfolgskritischen Kennzahlen hängt also primär vom gewählten Marketing-Kanal und der dem Kanal zugewiesenen Zielsetzung ab. In jedem Fall muss es sich jedoch um Kennzahlen handeln. „Weiche“ Faktoren eignen sich nicht.

Ermittlung und Auswertung der gewonnenen Daten

Sobald der Marketing-Kanal ausgewählt, relevante KPI sowie messbare Ziele definiert wurden, muss die Datenerfassung konzipiert und technisch realisiert werden. Die zentrale Frage ist dabei immer, welches System zu welchem Zeitpunkt die benötigte Kennzahl bereitstellen kann. In der Praxis kommt es äußerst selten vor, dass nur ein System alle notwendigen Daten erfassen und aufbereiten kann. In der Regel handelt es sich um ein Zusammenspiel der Systeme, die die IT-Infrastruktur bilden. Um die Frage nach den relevanten Systemen zu beantworten, hilft nochmals ein Blick auf die vorhandenen KPI. Am Beispiel der Google Shopping Kampagne wurden etwa folgende Kennzahlen definiert:

Kennzahl

Bereitstellung durch

Anzahl der Klicks

Web-Analyse Software

Durchschnittliche Verweildauer in Minuten    

Web-Analyse Software

Durchschnittlicher Bestellumsatz

E-Commerce-Plattform

Umsatz (Gesamt)

E-Commerce-Plattform

Selbstkosten (Gesamt)

ERP-System

Kosten (pro Klick)

Google Shopping

Kosten (Gesamt)

Google Shopping

Eine Web-Analyse-Software wie der econda Shop-Monitor konzentriert sich primär auf Bewegungsdaten, die innerhalb des Online-Shops entstehen. Eine E-Commerce Plattform wie Magento hat die Datenhoheit in Bezug auf Bestellungen. Das ERP-System enthält hingegen unternehmensinterne Informationen zu Einkaufspreisen und Logistikkosten. Die Kosten der Google Shopping Marketingkampagnen liefert der Anbieter Google.

Für einen umfassenden und validen Überblick ist es unabdingbar, alle Daten in einen Kontext zu setzen. Wird dies nicht getan, läuft man Gefahr, die Marketing-Kampagne nur auf Basis der entstandenen Kosten und des vorhandenen Budgets zu bewerten, nicht aber unter dem Aspekt des generierten Umsatzes. Umgekehrt liefern die reinen Bewegungsdaten im Online-Shop interessante Informationen wie die Conversion-Rate, jedoch keine zu den entstandenen Marketing-Kosten. Um dieses Problem aufzulösen und alle Daten aus den verschiedensten Systemen in einen Kontext zu bringen, gibt es beispielsweise für Magento Shopsysteme mit Magento BI eine Business Intelligence Lösung. Durch die Anbindung verschiedenster Datenquellen und die grafische Aufbereitung von Reports werden eine isolierte und somit einseitige Betrachtung der Kennzahlen sowie ihre fehlerhafte Interpretation verhindert.

Optimierung und Weiterentwicklung

Wenn alle Kennzahlen pro Kampagne sauber erfasst und ausgewertet werden können, kann mit der Weiterentwicklung und Optimierung der Marketing-Aktivitäten begonnen werden. Bleiben wir beim Beispiel der Google Shopping Kampagne: Hier ließe sich testen, was bei einer Erhöhung des Marketing-Budgets passiert. Stagniert der Umsatz bei stetig steigenden Kosten? Oder steigt der Umsatz schneller als sich die Ausgaben erhöhen? Und ist es – ganzheitlich betrachtet – profitabler, doppelt so viele Bestellungen zu generieren, oder steigen die Logistikkosten dadurch exponentiell?

Bei der Optimierung und Weiterentwicklung der Marketing-Aktivitäten geht es in erster Linie um das „Testen“. Bei den Tests sollte jeweils nur an wenigen Stellschrauben gedreht werden, um die Veränderung letztendlich auf eine Anpassung zurückführen zu können.

Es ist fast unmöglich im Voraus zu benennen, welcher Marketing-Kanal bei welchem Setup wie performt. Daher ist das enge Controlling der Zahlen ein entscheidender Faktor. Durch eine konsequente und umfassende Datenerfassung, die Fokussierung auf KPI und messbare Ziele ist es aber möglich, eine Aussage darüber zu treffen, welche Marketing-Aktivitäten „funktionieren“ und bei welchen Aktivitäten ausschließlich Geld „verbrannt“ wird.

Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Annual „Zukunftsthemen im E-Commerce 2017“ der E-Commerce Agentur netz98. Die aktuelle Ausgabe kann kostenfrei unter an dieser Stelle heruntergeladen werden.

Über den Autor

Alexander Steireif ist freiberuflicher E-Commerce-Consultant. Er arbeitet unter anderem für die führende Magento-Agentur netz98.

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