Kolumne: Weltbild ist auch Opfer seiner selbst

Veröffentlicht: 17.01.2014 | Geschrieben von: Giuseppe Paletta | Letzte Aktualisierung: 17.01.2014

Deutschlands zweitgrößter Buchhändler droht vom Markt zu verschwinden. Doch wer trägt die Schuld an der Tragödie? Die katholische Kirche? Amazon? Vielleicht, ein Teil der Schuld liegt aber bei Weltbild selbst.

Während die Verlagsgruppe ihre Umsätze zuletzt im Online-Handel stetig steigern konnte, litt sie mit ihren über 400 Filialen, wie die gesamte Buchbranche, an den Verlusten des stationären Buchhandels. Das ging soweit, dass Weltbild bereits im Jahr 2012 verkauft werden sollte und die Mitarbeiter sich vor einer möglichen Zerschlagung des Konzerns fürchteten. Die Angst machte sich damals breit, ein Investor würde das inzwischen lukrative Online-Geschäft fortführen und den stationären Handel samt Mitarbeiter einfach abwickeln.

Schuldsuche bei Bischöfen

Trotzdem kommen die Meldungen rund um Weltbild jetzt einer Hiobsbotschaft gleich: 6.800 Mitarbeiter könnten insgesamt ihren Arbeitsplatz verlieren. Als wäre das nicht genug, könnte es einen weiteren negativen Nebeneffekt geben: Die Position des deutschen Buchhandels würde gegenüber dem US-Konzern Amazon deutlich schwächer werden, vor allem wenn mit der Verlagsgruppe auch die angeschlossenen Online-Shops bücher.de, weltbild.de und jokers.de abgewickelt werden würden.

Doch wer trägt eigentlich die Schuld an der Misere?

Geht es nach einem Teil der Weltbild-Mitarbeiter, ist die katholische Kirche schuld. 1.500 Mitarbeiter werfen nämlich den Bischöfen in einem offenen Brief vor, das Unternehmen bewusst in dessen Insolvenz getrieben zu haben: „Mit Ihrem völlig widersprüchlichen und unklaren Kurs während der letzten Jahre (erst Verkaufsabsicht, dann Stiftung, dann Zusage der Refinanzierung, jetzt Absage…) tragen Sie als Eigentümer einen großen Teil der Verantwortung für die aktuelle wirtschaftliche Lage, in der sich Weltbild befindet.“

Online-Handel unterschätzt

Andere sehen die Schuld für die Weltbild-Pleite am Aufstieg des Online-Buchhandels. Der Weltbild-Verlag habe das Tempo des digitalen Umbruchs in der Branche unterschätzt und zu spät angefangen, sich auf den Online-Handel einzulassen. Während Amazon bereits Milliarden mit dem Online-Handel umsetzte und am ersten E-Book arbeitete, habe sich die Weltbild-Gruppe erst notgedrungen für den Einstieg in den Online-Handel und die späte Entwicklung eines eigenen E-Readers entschieden.

Zu Amazon scheint Weltbild-Geschäftsführer Carel Halff sowieso ein angespanntes Verhältnis zu haben. 2012 warf er Amazon vor, deutsche E-Books von Luxemburg aus mit 3% Mehrwertsteuer zu verkaufen, während deutsche Händler 19% berechnen müssten: „Die EU subventioniert Amazon, das ist keine Chancengleichheit“, sagte Halff damals.

Dabei war Weltbild einst vielversprechend in den Online-Handel gestartet: Die Gruppe eröffnete seinen Online-Shop bereits 1997. Noch vor Amazon Deutschland. Amazon.de betrat den deutschen Markt erst ein Jahr später im Jahr 1998. Doch während Amazon die Online-Strategie ernsthaft und bis in die allerletzte Konsequenz verfolgte, investierte Weltbild erst Jahre später ernsthaft in den Online-Handel, als man sich eingestehen musste, dass der stationäre Buchhandel nach und nach einzubrechen drohte.

Starkes Online-Geschäft, schwacher Einzelhandel

"Wir haben den Klimawandel im europäischen Buchmarkt vorhergesehen und unsere Hausaufgaben frühzeitig gemacht. So stehen wir heute an der Spitze des Wandels zu Multi-Channel und E-Book", sagte der Weltbild-Geschäftsführer Carel Halff im Jahr 2012. Doch Carel Halff, der bereits 1975 bei Weltbild anfing und mithalf die Gruppe aufzubauen, hatte etwas übersehen. Trotz Multi-Channel und E-Book hatte die Gruppe ein Filialnetz von über 400 Geschäften über Wasser zu halten, was ihr letztlich nicht gelungen ist.

Was sich Weltbild vorwerfen lassen muss, ist die nicht notwendige Konsequenz, den Online-Handel ernst genommen zu haben. Hier kam Weltbild zu spät, auch wenn die Gruppe dem Umsatz nach gut aufholen konnte: Zuletzt konnte die Verlagsgruppe vierzig Prozent ihres Umsatzes im Online-Handel erzielen, insgesamt also rund 640 Millionen Euro. Sogar der Tolino, der E-Book-Reader an dem Weltbild beteiligt ist, soll am jüngsten Weihnachtsgeschäft ein Topseller gewesen sein.

Das bringt aber alles nur wenig, wenn man gleichzeitig auf den stationären Handel setzt, dessen Umsätze in den vergangenen Jahren rückläufig waren. Obwohl gerade jetzt, während Weltbild mit der Insolvenz kämpft, eine Nachricht des Börsenvereins des deutschen Buchhandels die Runde macht: Der stationäre Buchhandel verzeichne einen leichten Zuwachs und dem Online-Buchhandel drohen erstmals Umsatzeinbußen.

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