Kolumne: Likes und Shares – Opium für das Volk

Veröffentlicht: 29.06.2018 | Geschrieben von: Michael Pohlgeers | Letzte Aktualisierung: 28.06.2018

Die Digitalisierung bringt zahlreiche positive Dinge mit sich. Aufgaben wie der Einkauf oder das Erledigen von Bankgeschäften gehen schneller und bequemer von der Hand, man kann leichter mit alten Freunden und Bekannten in Kontakt bleiben und nahezu jeder Mensch hat durch sein Smartphone Zugriff auf das gesamte Wissen der Menschheit – jederzeit und in Sekundenschnelle. Doch nicht alle Effekte der vernetzten Welt sind ausschließlich positiv. Die sozialen Medien befördern ein Verhalten des Menschen, das für mehr Frust – ja, sogar Depression – sorgt als alles andere.

Gemeint ist das „Das Gras ist immer grüner auf der anderen Seite“-Verhalten. Vermutlich schon seit der Steinzeit hat sich der Mensch mit seinem Nachbarn gemessen, verglichen und wenn einer etwas hatte, wollten es die anderen auch. „Jeder einen grünen Pulli“, pflegten meine Eltern zu sagen, wenn es zwischen mir und meinen Geschwistern mal wieder hieß: „Ich will das auch!“

Sofortiges Glücksgefühl per Knopfdruck

Durch die sozialen Medien hat sich das Umfeld, mit dem man sich vergleichen kann, aber in den vergangenen Jahren schlagartig vergrößert. Es geht nichtmehr nur darum, sich mit seinem Nachbarn zu messen. Wenn ein Klassenkamerad, den ich seit zehn Jahren nicht mehr gesehen hab, Fotos von seinem Thailand-Urlaub postet, kribbelt es schonmal in den Fingern. Gleichzeitig sind die sozialen Medien zur formvollendeten Traumwelt verkommen. Kaum jemand postet einfach einen Urlaubsschnappschuss. Es werden gefühlt 50 Fotos derselben Szenerie gemacht, im Zweifelsfall nochmal nachbearbeitet (oder bei Instagram durch die Filter gejagt) und dann möglichst ästhetisch gepostet.

Und dann geht es los, die Warterei auf die Push-Notifications, die das Hereinregnen von Likes und Shares verkünden. Sofortiges Glückgefühl per Knopfdruck. Blöd nur, wenn jemand anders ein noch geileres Urlaubsbild gepostet hat und damit noch mehr Herzen, Daumen hoch und Sterne sammelt. Dass das manche Menschen in regelrechte Depressionen treibt, haben in der Vergangenheit schon verschiedene Studien gezeigt. Nun hat eine Studie von Groupon aber auch gezeigt, dass dieses Verhalten sogar den Druck auf Eltern während der Sommerferien erhöht.

Mehr Geld für geilere Instagram-Bilder?!

„Ein Viertel der Mütter und Väter (26 Prozent) geben zu, dass sie sich durch die Inszenierung anderer Eltern auf den Social Media-Kanälen unter Druck gesetzt fühlen, ihren Kindern ein ebenso "perfektes" Sommerprogramm zu bieten“, heißt es in der Studie. Zudem fühlt sich ein Drittel (29 Prozent) unter Druck gesetzt, wenn ihre Kinder von den Aktivitäten schwärmen, die ihre Freunde und Klassenkameraden in die sozialen Netzwerke feuern. Und noch krasser: Ein Fünftel (!) der Eltern glaubt, dass sie in den Sommerferien mehr Geld (!!) ausgeben müssen, damit die Bilder auf Instagram und Facebook gut aussehen (!!!).

Likes und Shares sind inzwischen wahrlich zum Opium für das Volk verkommen. Auch ich erwische mich hin und wieder, wie ich sehnsüchtig auf mein Handy starre und hoffe, dass ein bestimmtes Foto noch ein paar mehr Likes bekommen hat – und ärgere mich jedes Mal, dass es mir so geht. Interessanterweise hat dieser Reflex gefühlt in den vergangenen Jahren zugenommen. Vielleicht sollten wir uns alle ein wenig entspannen, wenn es um Shares, Likes und das noch geilere Urlaubsfoto vom Klassenkameraden von vor zehn Jahren geht. Denn sein Urlaub wird keineswegs perfekt sein und er wird auch mindestens 50 Fotos gemacht haben, um dann das perfekte, bearbeitete Bild zu posten und seine Shares und Likes einzusammeln.

Über den Autor

Michael Pohlgeers
Michael Pohlgeers Experte für: Marktplätze

Micha gehört zu den „alten Hasen“ in der Redaktion und ist seit 2013 Teil der E-Commerce-Welt. Als stellvertretender Chefredakteur hat er die Themenauswahl mit auf dem Tisch, schreibt aber auch selbst mit Vorliebe zu zahlreichen neuen Entwicklungen in der Branche. Zudem gehört er zu den Stammgästen in unseren Multimedia-Formaten, dem OHN Podcast und unseren YouTube-Videos.

Sie haben Fragen oder Anregungen?

Kontaktieren Sie Michael Pohlgeers

Kommentare  

#2 Rome 2018-07-05 11:50
Der Artikel greift meiner Meinung nach ein sehr wichtiges Thema unserer heutigen Zeit auf. Im Endeffekt wächst doch eine ganze Generation von "Social Media Süchtigen" heran. Sei es Twitch, Instagramm oder Youtube. Die Selbstdarstellu ng hat Hochkonjuktur.

Da stellen sich dann auch mehrere Fragen:

1) Führen diese Menschen ein erfüllteres Leben als die Generation davor?

2) Aus welchen Gründen strebt der Mensch nach "Likes"? (Abgesehen von finaziellen Aspekten der Influencer) Gibt es evolutionäre Gründe/Instinkte?

3) Warum genießen die Menschen nicht einfach den Moment (Bsp. Urlaub). Wird der Moment vor Ort schöner wenn wir Ihn mit anderen teilen?

4) Was passiert in Zukunft mit all den Influencern und Co. wenn Sie älter werdeb und andere Menschen in den Fokus rücken. Ich vermute da viele Depressionsfäll e da diese Menschen dann zum ersten Mal begreifen wie wichtig andere Dinge im Leben sind um die sie sich nicht gekümmert haben.

Die Social Media sorgt aus meiner Sicht durch den Überfluss an Informationen / Entertaiment für eine gewisse Abstumpfung der Sinne. Wozu ein Buch lesen wenn man im minutentakt vom Smartphone aus entertaint wird. Langeweile oder einfach einmal in Ruhe nachdenken kommt im Leben junger Menschen einfach seltener vor.
Ich beobachte häufig Paare in der Öffentlichkeit die sich anscheinende nichts zu erzählen haben. Jeder schaut auf sein Smartphone und schaut grimmig drein ;).

Der Mensch sitzt auch in seiner Freizeit vor dem Smartphone wegen dem inneren Gefühl etwas wichtiges zu verpassen oder keine Rolle in einer Gesellschaft zu spielen. Ich denke die Social Media klaut den Menschen sehr viel wichtige Lebenszeit die anders sinnvoller genutzt werden könnte durch eine Art "Illusion".
Zitieren
#1 MusicMonk 2018-07-02 10:23
Naja, dass die Social Media Welten Parallelwelten sind ist doch bekannt. Alle wollen nur Aufmerksamkeit erhaschen und ihr ach so schönes Leben teilen. Wer würde schon freiwillig ein Selfie mit Augenringen und wüster Frisur posten, weil einem die Kinder die ganze Nacht wach gehalten haben?
Am besten finde ich immer noch die Studie des Postilions zu diesem Thema: der-postillon.com/.../...
Das bringt die Sache doch auf den Punkt!
Zitieren

Schreiben Sie einen Kommentar

Newsletter
Abonnieren
Bleibe stets informiert mit unserem Newsletter.