Kolumne: Eine Rebellion gegen das Netz? Ich bitte euch!

Veröffentlicht: 09.05.2014 | Geschrieben von: Tina Plewinski | Letzte Aktualisierung: 09.05.2014

Im Zuge der digitalen Revolution wurde das World Wide Web bis an die Grenzen des Erträglichen gefeiert. Ein Hoch auf das Internet! Ein Hoch auf Smartphones und den Online-Handel! Ein Hoch auf die technischen Wunderwerke, die das Leben versüßen. – Und tatsächlich: In den vergangenen Jahren hat sich der private und berufliche Alltag so umfassend geändert, ist so leicht und spielerisch geworden!

Zum einen sind da natürlich die wirklich wichtigen Aspekte, die eine digitale Welt mit sich bringt: Man kann seine Kinder, Eltern, Partner, Freunde jederzeit und überall anrufen und erreichen, ohne durch die Stadt zu irren und nach öffentlichen Telefonzellen zu suchen. (Ja, Telefonzellen – das sind diese meist schmutzigen und leicht übelriechenden Metall-Zellen, die früher einen Anruf von unterwegs garantierten). Diese ständige Erreichbarkeit und kommunikative Mobilität verschafft über die beruflichen und privaten Vorteile bekanntermaßen auch eine gewisse Sicherheit.

Zum anderen sind da natürlich die kleinen Annehmlichkeiten, die vor wenigen Jahren undenkbar schienen und der Digitalisierung eine gewisse Tiefe verleihen: So weckt mich mein geliebtes Smartphone jeden Morgen mit den lieblichen Klängen meiner Wahl, sagt mir, wie das Wetter wird (und dementsprechend, wie ich mich anziehen soll). Danach kann ich mich auf dem Weg zur Arbeit via Newsflash und diverse Social Media Kanäle über die aktuellen Nachrichten aus aller Welt und zugleich über die Neuigkeiten im Freundes- und Bekanntenkreis informieren.

Mein Smartphone erinnert mich an Termine und Arztbesuche, sagt mir, wieviel Geld ich seit meinem Rauch-Stopp gespart habe, weist mich auf Geburts- und Jahrestage hin, führt mich mithilfe digitaler Karten wieder nach Hause, wenn ich mal wieder die Orientierung im Großstadtdschungel verloren hab. Und nebenbei kann ich von überall und zu jeder Tages- und Nachtzeit online einkaufen und der digitalen Kauffreude frönen. – Alles in allem (und da stehe ich gewiss nicht alleine da) würde mein berufliches und privates Leben zusammenbrechen, könnte ich nicht auf mein HighTech-Allround-Wunderwerk namens „Smartphone“ zurückgreifen.

Und nun wird mir meine technologische Abhängigkeit von dahergelaufenen Aktionen und Kampagnen madig gemacht??! Zwei Beispiele:

Vor zwei Wochen wurde bei YouTube ein Video namens „Look Up“ hochgeladen, in dem die umfassende Digitalisierung im Fokus der Kritik steht. Mit leisen, aber eindringlichen Tönen werden dem Zuschauer Szenarien unterbreitet, die die vielen Nachteile der ständigen Smartphone-Nutzung in emotionalisierten Bildern unterbreiten. „Schaut auf von den Smartphones und lebt euer Leben!“ ist die Grundaussage des Clips, der in der Zwischenzeit über 32 Millionen Mal gesehen wurde und viele Nutzer beeindruckt hat.

 

– Tja. Doch wenn die Nutzung der digitalen Kanäle und beliebten HighTech-Utensilien wirklich unterlassen worden wären, so hätte dieses Video niemals den Weg in so viele Laptops, Tablets, Smartphones (und Köpfe) gefunden!

Katze in KisteEine andere Kampagne (mit anderen Mitteln aber ähnlichem Fokus) nennt sich „Not On Appstore“. Hier sammeln die Verantwortlichen Bilder von Personen, Tieren, Situationen und alltäglichen Dingen, die das Leben lebenswert machen aber – natürlich! – in einem Appstore nicht zu finden sind: Von der geliebten Katze, über spielende und lachende Kinder, romantischen Sonnenuntergängen oder dem Glücksgefühl, das Freunde bescheren können.

Auch hier verweisen die Macher indirekt auf die vermeintliche Banalität der technologischen Errungenschaften und werben für ein „echtes“ (nicht digitales) Leben – man beachte: sie tun dies im Internet!

Egal wie man dazu stehen mag: Einige dieser und ähnlicher Kampagnen (bzw. deren Umsetzung) wirken doch recht befremdlich, da sie das Internet nutzen, um eben diesem Einhalt zu gebieten. Eine grundsätzliche (wiedergewonnene) Abneigung gegen die digitale Welt wird zu nichts führen. Und ein solches Szenario wäre wohl für viele auch die reinste Hölle.

Der Kernpunkt steckt wohl im Aspekt der Ausgewogenheit: Extreme sind immer schlecht – egal in welchem Bereich. Verliert man die „analoge Welt“ vollkommen aus den Augen und sich selbst in der digitalen Sphäre, dann ist dies sicherlich nicht zu befürworten. Dennoch sollten die Anti-Internet-und-Smartphone-Rebellen nicht vergessen, welche fantastischen Chancen die HighTech-Wunder der Zeit bieten.

Ich jedenfalls möchte mir meine digital-mobilen Freiheiten um nichts in der Welt wieder nehmen lassen.

In diesem Sinne, ein schönes Wochenende.

[gesendet von meinem Smartphone]

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