Kolumne: Bezahlen per Sonnenbrille – echt jetzt?

Veröffentlicht: 17.03.2017 | Geschrieben von: Christoph Pech | Letzte Aktualisierung: 17.03.2017

Bezahlen per Sonnenbrille? Warum sollte man das wollen? Man sollte sich (vor allem in Deutschland) vielleicht eher darauf konzentrieren, das kontaktlose Bezahlen überhaupt erstmal in der Gesellschaft zu verankern.

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Visa stellt auf dem SXSW einen Prototypen für die Bezahlung per Sonnenbrille vor. Der Kollege im Meeting: „Die Sonnenbrille ist bei mir wohl das Accessoire mit der geringsten Halbwertszeit.“ Und die meisten nicken zustimmend in sich hinein. Man stellt sich die Frage, wie die Verantwortlichen bei Visa auf diese Idee kommen sind und ob sie zu Sonnenbrillen vielleicht ein innigeres Verhältnis haben als wir – oder ob man Sonnenbrillen in den USA diebstahlsicher am Gesicht festmachen kann (der letzte Trip in die Staaten sagt dazu übrigens „nein“).

Es gehört bei Visa mittlerweile zur Agenda, nach neuen Zahlungsmöglichkeiten zu forschen, die den Vorgang weniger aufwendig gestalten. Das ist grundsätzlich eine hervorragende Idee und sogar längst überfällig. Eines der Hauptprobleme an deutschen Supermarktkassen ist doch die ewige Zeit, die verloren geht, weil Menschen gefühlt minutenlang nach Kleingeld suchen, weil die Kassiererin typischerweise fragt, ob man nicht noch 13 Cent hätte... Es ist unbedingt zu unterstützen, stationäre Zahlungsvorgänge zu optimieren. Bei der Frage nach dem „Wie“ wird es aber langsam doch etwas zu kurios.

Dann lieber per Iris

Da gibt es zum Beispiel Gedankenspiele über biometrische Bezahlmethoden, also per Iris-Scan, per Herzschlag oder per Venenmuster. Das wirkt zwar abgehoben und wird sicher nicht in zwei Jahren die Regel sein, aber zumindest setzt es beim sensiblen Thema Sicherheit an. So eine Iris ist relativ schwierig zu fälschen oder zu stehlen. Die Sonnenbrille dagegen scheint eher ein Schritt zurück zu sein. Sie ist für viele Menschen ein Alltagsgegenstand, den man aber durchaus häufiger mal verliert oder versehentlich zerstört. Und sie kann wunderbar einfach gestohlen werden – selbst, wenn man seine Ray Ban hütet wie, nunja, den eigenen Augapfel. Natürlich gibt es gewisse zusätzliche Sicherheitsmechanismen, etwa die Pin oder die Unterschrift. Aber damit ist es wiederum kein wirklicher Fortschritt im kontaktlosen Bezahlen. Und die Sonnenbrille ist darüber hinaus ja sogar noch anfälliger für Diebstahl oder Defekt als die Kreditkarte, die in der Regel im Portemonnaie liegt – und nicht auf der Nase. Da könnte man auch gleich per Feuerzeug oder Kugelschreiber bezahlen. Das erscheint ähnlich sicher.

Wieso muss man überhaupt den fünften Schritt vor dem zweiten machen? Selbst Kreditkarten mit NFC-Funktion sind noch eine Nische, die gerade erst beginnt, beim Kunden anzukommen. Im Sonderfall Deutschland (wir hinken halt gern ein wenig hinterher) ist es ja noch nicht einmal die Regel, dass Kreditkartenzahlung überhaupt angeboten wird. Es sollte doch aktuell erst einmal im Fokus eines jeden Payment-Anbieters stehen, die Leute dafür zu sensibilisieren, zum kontaktlosen Bezahlen überzugehen. Dann kann man darüber nachdenken, wie man diesen Prozess zusätzlich optimiert. Ob es der richtige Weg ist, stets neue abenteuerliche Prototyp-Ideen für eine Branche, für die die Digitalisierung ganz generell in vielen Fällen noch als Geißel gilt, herauszubringen, sollte aktuell mindestens bezweifelt werden.

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