Online-Händler können auch im Ausland verklagt werden

Veröffentlicht: 17.04.2013 | Geschrieben von: Katja Naumann | Letzte Aktualisierung: 20.05.2015

 

Online-Händler, die ihre Waren im europäischen Ausland anbieten, müssen damit rechnen, vor einem ausländischen Gericht verklagt zu werden. Wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Urteil vom 06. September 2012 (C-190/11)entschied, gilt das nicht nur beim Abschluss von Fernabsatzverträgen, sondern auch im Rahmen von vor Ort geschlossenen Kaufverträgen. 

EU Paragraph

EuGH zur Zuständigkeit bei grenzüberschreitenden Vertragsstreitigkeiten

Der EuGH verhandelte einen Fall, in dem eine österreichische Verbraucherin online nach einem Auto suchte und über eine Internetplattform auf die Homepage eines deutschen Autohändlers aus Hamburg gelangte. Die Österreicherin nahm mit dem Händler telefonisch Kontakt auf und fragte nach einem bestimmten Modell, das allerdings nicht mehr verfügbar war. Der Händler bot ihr telefonisch ein anderes Modell als Alternative an und sendete ihr per E-Mail weitere Angaben zu dem Kfz. Die Kundin entschloss sich daraufhin zum Kauf und fuhr nach Hamburg, wo sie den Vertrag abschloss.

Wegen Mängeln am Fahrzeug kam es später zu rechtlichen Streitigkeiten, worauf die Käuferin beim, für ihren Wohnsitz zuständigen, österreichischen Gericht (Landesgericht Wels) Klage auf Rückabwicklung des Kaufvertrages einreichte. Genau wie der Verkäufer des Fahrzeugs verneinten sowohl das Landesgericht Wels als auch die übergeordnete Instanz, das Oberlandesgericht Linz, die Zuständigkeit der österreichischen Gerichtsbarkeit. Die Klägerin zog vor den Obersten Gerichtshof von Österreich, der eine Vorlageanfrage zur Zuständigkeit an den EuGH stellte.

Zuständigkeit der Gerichtsbarkeit am Wohnsitz des Verbrauchers nicht nur bei Fernabsatzverträgen

Der EuGH entschied zugunsten der Verbraucherin und erklärte das, für den Wohnsitz der Klägerin verantwortliche, österreichische Gericht für international zuständig.

Strittig war, ob die EuGVVO auch gilt, wenn es sich bei dem geschlossenen Vertrag nicht um einen Fernabsatzvertrag handelt, sondern der Kaufvertrag am Wohnsitz des Händlers geschlossen wird.

Grundlegend für die Entscheidung des EuGH im vorliegenden Fall war die Auslegung der EU – Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO).

Art. 15 Abs. 1 der EuGVVO regelt dazu:

„... Bilden ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, den Gegenstand des Verfahrens, so bestimmt sich die Zuständigkeit unbeschadet des Artikels 4 und des Artikels 5 Nummer 5 nach diesem Abschnitt...“

„...in allen anderen Fällen, wenn der andere Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgend einem Wege auf diesen Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Mitgliedstaats, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt...“

Art. 16 Abs. 1  EuGVVO sieht vor:

„...Die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner kann entweder vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder vor dem Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat...“

Rechtlich relevant für die Entscheidung des EuGH war auch die Verordnung Nr.593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I).

Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Rom I besagt:

„...Unbeschadet der Artikel 5 und 7 unterliegt ein Vertrag, den eine natürliche Person zu einem Zweck, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann ("Verbraucher"), mit einer anderen Person geschlossen hat, die in Ausübung ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt ("Unternehmer"), dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer

a)    seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in dem Staat ausübt, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder

b)    eine solche Tätigkeit auf irgend einer Weise auf diesen Staat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Staates, ausrichtet

und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt...“

Der EuGH stellte in seinem Urteil fest, dass Art. 15 Abs. 1c der EuGVVO nicht davon abhängig gemacht werden kann, ob der Vertrag im Fernabsatz oder vor Ort geschlossen wurde. Wörtlich findet die Bestimmung bei der Erfüllung von zwei spezifischen Voraussetzungen Anwendung. Zum einen ist erforderlich, dass der Gewerbetreibende seine gewerbliche Tätigkeit im Mitgliedsstaat ausübt, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, oder diese auf irgendeine Weise auf diesen Staat ausrichtet. Zum anderen muss der strittige Vertrag in diese gewerbliche Tätigkeit fallen.

Der EuGH führt hierzu unter anderem aus:

„...Nach ihrem Wortlaut findet diese Bestimmung nämlich Anwendung, wenn zwei spezifische Voraussetzungen erfüllt sind. So ist erstens erforderlich, dass der Gewerbetreibende seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit im Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ausübt oder sie auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Mitgliedstaats, ausrichtet, und zweitens, dass der streitige Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt...

In den Augen der Richter des EuGH ist es demnach nicht entscheidend, ob es sich um einen Fernabsatzvertrag oder einen vor Ort geschlossenen Vertrag handelt. Bei Vorliegen einer internationalen Ausrichtung auf den Mitgliedsstaat des Verbrauchers kann der Händler am, für den Wohnsitz des Verbrauchers zuständigen, Gericht verklagt werden.

Fazit:

Mit dem Urteil des EuGH werden vor allem die Verbraucherrechte gestärkt. Für Online-Händler bedeutet dies in der Praxis, dass sie bei der Gestaltung ihres Internetauftritts die tatsächliche Ausrichtung ihres Angebotes beachten sollten. Vor allem Internationale Vorwahlen im Webauftritt können schnell als „internationale Ausrichtung“ ausgelegt werden und sollten weggelassen werden, wenn sich das Angebot nur ans Inland richten soll.

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