Innerhalb der Europäischen Union gibt es immer mehr gemeinsame Gesetze und Richtlinien. Als Nächstes wird 2014 die Europäische Verbraucherrechterichtlinie zum Widerrufsrecht umgesetzt. Die EU-Kommission möchte mit einem gemeinsamen europäischen Kaufrecht (GEK) den EU-Handel weiter erleichtern.
Grenzüberschreitender Handel innerhalb der EU – geltendes Recht
Viele Fragen und Zuständigkeiten, die den grenzüberschreitenden Handel innerhalb der EU betreffen, sind derzeit viel diskutiert, aber noch nicht abschließend, höchstrichterlich geklärt. Bei grenzübertretenden Sachverhalten ist es notwendig zu bestimmen, welche Rechtsprechung und welche Gesetze anwendbar sind.
Die erforderlichen Grundlagen für das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht liefern vor allem die Verordnungen Rom I und Rom II. Besonders relevant für vertragliche Schuldverhältnisse ist die Verordnung Rom I vom 17. Juni 2008.
Wann bei EU-weit abgeschlossenen Vertragsverhältnissen welches nationale Recht zur Anwendung kommt, hängt vor allem an den Verbraucherschutzrechten. Zwar kann gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Rom I das auf einen Kaufvertrag anzuwendende Recht frei gewählt werden, dennoch hat nach Artikel 6 der Verordnung Rom I das Verbraucherschutzrecht des Staates Vorrang, in dem der Käufer, sofern es sich bei diesem um einen Verbraucher handelt, seinen gewöhnlichen Aufenthalt, also seinen Wohnsitz, hat. Besteht das Vertragsverhältnis beispielsweise zwischen einem österreichischen Händler und einem deutschen Verbraucher, dann kommen die deutschen Verbraucherschutzrechte zur Anwendung.
Inwieweit beispielsweise auch Widerrufsbelehrungen und die damit verbundenen Rechte zu den Verbraucherschutzrechten gehören, hat das LG Karlsruhe mit Urteil vom 16.12.2011 (Az. 14 O 27/11 KFH III) entschieden. Demnach gehört das Widerrufsrecht einschließlich aller damit verbundenen Informations- und Folgepflichten zu den Verbraucherschutzrechten. Eine Einordnung, die wiederum Auswirkungen auf die Anwendbarkeit der Verordnung Rom I hat.
Verordnungsvorschlag Gemeinsames Europäisches Kaufrecht
Um den EU-weiten Handel zu vereinfachen und Hindernisse aus dem Weg zu räumen, hat die EU-Kommission am 11.10.2011 den Entwurf einer Verordnung über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht (KOM/2011/635) vorgelegt.
Die Verordnung befindet sich im Entwurfsstadium, soll aber auch nach dem Inkrafttreten die nationalen Rechte wie beispielsweise das Kaufrecht des BGB nicht ersetzen. Geplant ist das Gemeinsame Europäische Kaufrecht als Optionales Instrument, das nur dann zur Anwendung kommt, wenn sich beide Vertragsparteien, also Käufer und Verkäufer, ausdrücklich auf die Anwendung einigen.
Das Gemeinsame Europäische Kaufrecht als Optionales Instrument
Juristen verstehen unter einem optionalen Instrument ein gesetzliches Regelwerk, im Fall des Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts der EU, das nur Anwendung findet, wenn die betreffenden Vertragsparteien das ausdrücklich wollen. Geschaffen wird ein zweites Vertragsrechtssystem, das neben dem jeweiligen nationalen Kaufrecht eines Landes existiert, allerdings werden einige Aspekte wie zum Beispiel die Stellvertretung oder die Rechtswidrigkeit eines Vertrages darin nicht erfasst.
Der Verordnungsvorschlag für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht in Form eines optionalen Instruments kommt Vielen entgegen. Immer wieder wird die Schaffung eines europäischen Zivilgesetzbuchs diskutiert, das an die Stelle der nationalen Zivilgesetzbücher treten soll. Befürworter gibt es dabei genauso wie zahlreiche Gegner. Mit einem Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht auf „freiwilliger Basis“ könnte ein Meilenstein auf dem Weg zu einem einheitlichen Zivilrecht gelegt werden, denn es bietet dessen wirtschaftliche Vorteile, ohne jedoch die nationalen Gesetzbücher abzuschaffen, in denen viele Gegner und Kritiker vom Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht auch die nationalen Identitäten verankert sehen.
Geplante Anwendbarkeit des Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts
Das geplante Gemeinsame Europäische Kaufrecht soll gemäß Artikel 4 des Verordnungsvorschlages nur auf grenzübergreifende Verträge innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten anwendbar sein. Allerdings ist gemäß Artikel 13 auch die Möglichkeit vorgesehen, es für innerstaatliche Geschäfte zur Verfügung zu stellen. Eine der Vertragsparteien muss ihren Sitz innerhalb der EU haben und es soll vor allem bei Vertragsbeziehungen zwischen Unternehmen und Verbrauchern Anwendung finden.
In Artikel 7 des Verordnungsvorschlages ist jedoch auch die Option der Anwendung zwischen zwei Unternehmen vorgesehen, vorausgesetzt, mindestens eines der beiden ist ein kleines oder mittleres Unternehmen. Auch dabei gibt Artikel 13 den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit, es auch für Verträge zwischen zwei Unternehmen zur Verfügung zu stellen, bei denen diese Voraussetzung nicht zutrifft.
Nicht angewendet werden kann das Gemeinsame Europäische Kaufrecht bei Verträgen zwischen zwei Verbrauchern, denn es betrifft nur Verträge über Warenkauf zwischen Unternehmern und Verbrauchern, die Bereitstellung digitaler Inhalte, wie Filme, Musik, Apps oder Software und den damit verbundenen Dienstleistungen.
Akzeptanz in den Mitgliedsstaaten
In vielen EU-Mitgliedsstaaten, darunter auch Deutschland und Österreich, stößt der Verordnungsvorschlag der EU-Kommission auf Kritik und Skepsis. Immer wieder werden Zweifel laut, ob ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht den grenzüberschreitenden Handel tatsächlich fördern würde. In Deutschland hat sich bereits im November 2011 die Mehrheit im Rechtsausschuss des Bundestages gegen die Vorschläge der EU zum Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht ausgesprochen. Daraufhin hat der Deutsche Bundestag im Dezember 2011 eine Subsidiaritätsrüge gegen den Verordnungsentwurf eingelegt.
Ob und wann das Einheitliche Europäische Kaufrecht in Kraft treten wird, ist derzeit noch nicht absehbar, denn wie geschildert gibt es noch eine Fülle an Diskussions- und Anpassungsbedarf.
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