OLG Jena: Ungültige Paragraphenkette in Widerrufsbelehrung nicht wettbewerbswidrig

Veröffentlicht: 07.03.2013 | Geschrieben von: Redaktion | Letzte Aktualisierung: 07.03.2013

Eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Jena (Beschluss vom 20.07.2011, Az.: 2 W 320/11) dürfte angesichts des in Kürze bevorstehenden Endes der Übergangsfrist für die Aktualisierung der Widerrufsbelehrung und der dann wohl leider nicht ausbleibenden Abmahnwelle immer wieder Anlass zu Diskussionen geben.

Im Fall, den das OLG Jena zu entscheiden hatte, verwendete ein Händler eine Widerrufsbelehrung, die sich auf die inzwischen nicht mehr gültige BGB-InfoV bezog. Er wurde mit der Begründung abgemahnt, dass diese veraltete Widerrufsbelehrung wegen der Nennung zwischenzeitlich aufgehobener Rechtsvorschriften nicht klar und eindeutig genug und sein Verhalten somit wettbewerbswidrig gewesen sei.

Das OLG Jena entschied in dieser Frage - etwas überraschend in Anbetracht der bisherigen Rechtsprechung - dass die Angabe einer nicht länger gültigen Paragraphenkette in der Widerrufsbelehrung dann nicht wettbewerbswidrig ist, wenn die Widerrufsbelehrung im Übrigen inhaltlich korrekt erfolgt, also insbesondere über den Fristbeginn und die Dauer der Widerrufsfrist korrekt belehrt werde. Liegt auf Seiten des Händlers bei Nennung veralteter Paragraphen ein „bloßes Versehen“ vor, welches er sofort beseitige, dann sei die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr schon nicht gegeben.

Das OLG Jena führte hierzu aus:

„Zwar begründet ein Wettbewerbsverstoß nach anerkannten Grundsätzen grundsätzlich die Vermutung der Wiederholungsgefahr .... Die vermutete Wiederholungsgefahr kann regelmäßig auch nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden .... Nur in besonderes gelagerten Einzelfällen kann eine Änderung des tatsächlichen Verhaltens des Schuldners genügen. ...“

Und weiter:

„Gleichwohl genügt der Umstand, dass die Antragsgegnerin nach der Abmahnung unstreitig nur noch eine zutreffende Widerrufsbelehrung verwendet, ausnahmsweise, um die Vermutung für die Wiederholungsgefahr zu erschüttern. Der vorliegende Fall hat seine Besonderheit darin, dass die Antragsgegnerin nach dem Vortrag des Antragstellers zum Zeitpunkt der Abmahnung keine in Bezug auf Dauer, Beginn und Lauf der Widerrufsfrist inhaltlich falsche Widerrufsbelehrung verwendet hat, sondern lediglich eine nicht hinreichend eindeutige Widerrufsbelehrung. Denn die in der Belehrung genannten Rechtsnormen, nämlich §§1,3 BGB-InfoV sind tatsächlich seit dem 11.6.2010 aufgehoben. Der Fehler der Widerrufsbelehrung betrifft nach dem Vortrag des Antragstellers aber nur diese Paragraphenbezeichnung, weil sie auch den nunmehr geltenden gesetzlichen Erfordernissen nach Art. 246 §§ 1, 2 EGBGB entspricht. In einer solchen Konstellation gilt, dass die Vermutung für das Bestehen der Wiederholungsgefahr erschüttert ist, wenn der begangene Verstoß in keiner Weise in wettbewerbswidriger Absicht begangen wurde, sondern auf einem Versehen beruht und nach erfolgtem Hinweis auf das Versehen sofort abgestellt wurde...

Die Antragsgegnerin wollte sich durch die von ihr verwendete Widerrufsbelehrung keinen wettbewerblichen Vorsprung” verschaffen, sondern hat lediglich Paragraphen falsch benannt, wohingegen das Widerrufsrecht selbst richtig umschrieben ist.

Dem OLG Jena ist sein Bemühen um eine differenzierte Sichtweise auf die Fehler, welche den Händlern bei der Umsetzung der für juristische Laien nicht immer leicht nachzuvollziehenden Regelungen im Bereich des Widerrufsrechts unterlaufen können, zu Gute zu halten - es muss jedoch abgewartet werden, ob andere Gerichte dieser Beurteilung folgen werden.

Dies darf im Hinblick auf zwei Aspekte bezweifelt werden:

Zum einen ist die Angabe der Paragraphenkette in der Widerrufsbelehrung keine bloße Formalität, sondern dient der Orientierung und Hilfe des Verbrauchers bei der Ausübung seines Widerrufsrechts. Folgt er Paragraphenketten, die „im Nichts enden“ bzw. nicht länger gültig sind, kann er die Eckpunkte seines Widerrufsrechts wie Fristbeginn, Fristdauer, Wertersatzfragen etc. ggf. nicht zutreffend bestimmen.

Zum anderen hat das OLG Jena nicht begründet, warum im vorliegenden Fall die Wiederholungsgefahr nicht gegeben sein soll - der Umstand, dass der Rechtsverstoß vom Händler „nach erfolgtem Hinweis auf das Versehen sofort abgestellt“ wird, führt in anderen Fallgestaltungen auch nicht zum Wegfall der Wiederholungsgefahr bzw. bringt den Unterlassungsanspruch des Gegners nicht zu Fall.

Empfehlung: Händler sollten bis zum Ende der Übergangsfrist am 04.11. 2011 überprüfen, ob sie eine aktuelle Widerrufsbelehrung verwenden - ist das noch nicht der Fall, kann diese auf unserer Homepage kostenlos erstellt und heruntergeladen werden.

Es sollte beachtet werden, dass sich zum 04.11.2011 nicht nur die Paragraphenkette ändert, sondern auch wichtige inhaltliche Veränderungen vollzogen werden - lesen Sie sich die neue Widerrufsbelehrung daher aufmerksam durch.

Die  Entscheidung des OLG Jena sollte auf gar keinen Fall als „Freibrief“ zur Verwendung veralteter Musterwiderrufs-belehrungen missverstanden werden.

Kommentare  

#3 Artur Nietsch 2011-10-13 11:05
Grundsätzlich geht es weniger um Wettbewerbsvort eile. Viel mehr sind die Händler mit der Paragraphenreit erei überfordert. Der Händler ist nun mal Händler und kein Anwalt oder Richter. Ich bin der Meinung, man müsse kurzfristig und das meine ich auch so...klare Linien schaffen, die dann nicht direkt wieder über den Haufen geworfen werden. Irgendwann ist es genug oder?
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#2 Paul Pütz 2011-10-12 17:55
Nicht nur das man vor lauter Paragraphen das Gesetz nicht mehr sieht, nein man muss sich allen ernstes fragen wo ein Wettbewerbsvort eil sich verschafft werden soll, wenn das Wiederufsrecht inhaltlich korrekt und nur die Paragraphen vertauscht wurden. Desweiteren Frage ich mich, wieso der Gesetzgeber es immer noch versäumt diesen Abmahnfreaks ala`arbeitssche ue Rechtsanwälte und Co. das Mahnwasser abzugraben indem es klare Richtlinien für beide Parteien definiert. Es wird doch in unserer Gesellschaft möglich sein, jemanden über einen Wettbewerbswidr igen Umstand zu informieren und um Abhilfe bittet ohne gleich mit einer dicken Rechnung zu kommen. Wenn ich Webseiten besuche und wettbewerbswidr ige Umstände mir auffallen weise ich jene darauf hin und bitte in ei8ner netten eMail um Abhilfe. Und niemand ist zu Schaden gekommen wenn man diesen ersten Weg geht. Wurde der Wettbewerbswidr ige Umstand nicht behoben dann und nur dann wäre eine Abmahnung angebracht.
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#1 Schäfer 2011-10-12 16:41
Wäre schön, wenn dies neue Urteilstendenze n in der Rechtssprechung wären. Es liegt doch auf der Hand, dass sich ein Händler mit einer falschen Paragraphenkett e kein Wettbewerbsvort eil verschaffen will, sondern dass es sich offensichtlich um ein Versehen handelt. Und es besteht auch kein Anlaß zur Annahme, dass der Händler nach Abstellen des Verstoßes später wieder die alte Belehrung hervorholt und einstellt. Also eine sehr vernünftige Entscheidung, wie ich meine. Und wer "verurteilt" denn die Macher eines solch Verbraucherunfr eundlichen Widerruftextes (zumindest im Wortlaut)? Otto Normalverbrauch er (und manch Händler) weiß doch vor lauter Paragraphen gar nicht was da steht und welche Rechte er letztendlich überhaupt hat. Note 5: "am Thema vorbei". Gruß
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