Kolumne: Liebe Werbeverantwortliche, mir ist schlecht!

Veröffentlicht: 18.08.2017 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 21.08.2017

Man darf für Sojamilch nicht mit Sojamilch werben und man darf auch nicht schreiben, dass die Kondompackung „bis zu 21 Orgasmen“ beschert. Genauso wenig ist es erlaubt, dass man ein Durchfall-Medikament mit „Stoppt Durchfall“ deklariert. Für jede noch so kleine Entgleisung gibt es eine Klatsche vom Konkurrenten oder von Verbänden, die im Internet gezielt nach Falschaussagen suchen. Wiederum andere Unternehmen erregen das öffentliche Ärgernis noch auf einem ganz anderen Level... und nichts passiert.

Die drei Säulen der Werbung: lauter, höher schneller!?

Die Zeiten der guten alten Litfaßsäule sind längst passé. Es gibt mittlerweile Tausende neue und andere Kanäle, seine Werbung – analog oder digital - zu streuen. Doch je bunter, überfrachteter und schriller die Webseiten werden, desto mehr sinkt die Aufmerksamkeitsspanne der Zielgruppen. Nur, wenn es noch bunter, noch überfrachteter und noch schriller ist, wird man heute noch wahrgenommen.

Ein Weg, dies zu erreichen, ist das Brechen von Tabus. Warum auch nicht, denn Werbung muss wirken. Sie muss im Gedächtnis bleiben. Aber um das zu erreichen, greifen die Macher immer noch und immer wieder zu den unterschiedlichsten Mitteln. Je geschmackloser, desto besser. Das wollen die Leute!

Aufmerksamkeit um jeden Preis

Doch nein, die Menschen gewöhnen sich nicht (gänzlich) daran. Es wird nicht besser. Die Menschen regen sich immer noch auf. Und genau deshalb funktioniert diese Werbung scheinbar immer noch. Ähnlich wie 1995 die Benneton-Werbung ruft auch die neue „unsittliche Werbung“ von True Fruits einen faden Beigeschmack hervor. Wenn ich vorm Supermarktregal stehe und an den „Oralverzehr – schneller kommt du nicht zum Samenerguss“ denke, wird mir ein wenig flau im Magen. Ich lasse den Smoothie stehen und drehe mich irritiert weg.

Die Zahlen scheinen den Trend hin zur tabubrechenden Werbebotschaft zu untermauern, denn der Deutsche Werberat hat sich laut den Angaben des Handelsblattes im vergangenen Jahr mit einer nie da gewesenen Flut an Schmuddelwerbung herumschlagen müssen. Doch obwohl die Werbung die gesellschaftliche Ekelgrenze erreicht, rechtlich gibt es kaum ein Tabu. Einziges und freiwilliges Kontrollinstrument in diesem Bereich ist der 1972 gegründete Deutsche Werberat. Für den einen oder anderen Marketingler ist die Kampagne erst erfolgreich, wenn der Deutsche Werberat mitmischt. Die Sanktionen sind jedoch bislang vergleichsweise mild. Einer Beanstandung kann eine öffentliche Rüge folgen. Wieder kostenloses Marketing für die Unternehmen.

Irreführung ist Zielscheibe - Moral nicht!

Da geht es den meisten kleinen Händlern schlechter. Sie können nicht auf ein Millionen-Budget zugreifen, sondern versuchen, ihre Waren mit bestem Wissen und Gewissen an den Mann oder die Frau zu bringen. Jede unwahre und damit irreführende Aussage wird sofort abgemahnt. Sogar die Aussagen seiner Kunden muss man sich schon zuschreiben lassen. Einige geben für ihre Werbung sogar ihr letztes Hemd. Das Brechen von Tabus ist gerade kein Abmahngrund, denn über Geschmack lässt sich nicht streiten!?

Und übrigens: Schön wär es, wenn einige Unternehmen den Ball schön flach halten. Ich trinke True Fruits-Smoothies trotzdem gern. Jetzt wahrscheinlich nicht mehr. Doch bald ist Weihnachten und die Stinke-Socke kommt hoffentlich zurück. Tja, Werbung ist eben Geschmackssache, und über Geschmack lässt sich streiten.

In eigener Sache

Mit dem Thema umstrittener Werbekampagnen bzw. „Sex sells“ haben wir uns in unserem Onlinehändler Magazin aus dem Januar 2017 näher beschäftigt. Unter folgendem Link können Sie sich die Ausgabe kostenlos herunterladen. Viel Spaß beim Lesen und Aufregen!

 

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