LG Bremen bezeichnet Anhängen an eine fremde EAN/GTIN auf Amazon als zulässig

Veröffentlicht: 07.03.2013 | Geschrieben von: Redaktion | Letzte Aktualisierung: 25.11.2016

In regelmäßigen Abständen wird über Abmahnungen unter Onlinehändlern wegen des sog. „Anhängens“ an ein Angebot auf der Plattform Amazon berichtet. Auch wenn bereits einzelne Fragen rund um die rechtlichen Beziehungen zwischen dem Ersteinsteller und dem sich anhängenden Wettbewerber durch Gerichtsurteile behandelt wurden, ist bisher – soweit ersichtlich – noch keine Entscheidung zur Zulässigkeit des Anhängens an sich veröffentlicht worden. Die Kanzlei Arlt Rechtsanwälte aus Leipzig hat ein abgemahntes Händlerbund-Mitglied in einem Verfahren vor dem Landgericht Bremen zu eben diesem Thema vertreten.

Wer zuerst kommt, mahnt zuerst (ab)

Unter „Anhängen“ versteht man das Einstellen eines Produktes auf einer Produktdetailseite von Amazon. Das neu eingestellte Produktangebot wird von Amazon automatisch einem bereits vorhandenen identischen Produkt zugeordnet, wenn diese tatsächlich übereinstimmen. Der Einsteller erscheint dann in der Liste der Verkäufer bei dem jeweiligen Produkt und darf keine neue, zweite Produktdetailseite anlegen. Dies deshalb, weil Amazon bestrebt ist, die Plattform übersichtlich zu halten. Ferner soll so für die Kunden Transparenz geschaffen werden, indem Preise vergleichbar sind und bleiben. Damit jedoch überprüft werden kann, ob es sich um ein identisches Produkt handelt, muss der jeweilige Einsteller die sog. GTIN (welche das besser bekannte System mit der Bezeichnung EAN abgelöst hat) des Produktes bei der Einstellung angeben.

Unter GTIN – Global Trade Item Number – versteht man eine europaweit unverwechselbare Produktkennzeichnung für Handelsartikel. Sie ist eine eindeutige Produktnummer, welche es erlaubt, Produkte insbesondere im grenzüberschreitenden Handelsverkehr standardisiert zu kennzeichnen. Amazon wandelt die GTIN standardmäßig in eine Amazon-eigene Nummer um, die sog. ASIN. Diese ist quasi die interne Nummer für den jeweiligen Artikel, mithilfe derer man das so gekennzeichnete Produkt innerhalb der Amazon-Datenbank wiederfinden kann. Nur diese ASIN wird auf der Produktdetailseite auf der Plattform angezeigt. Die GTIN ist für den Verbraucher nirgends ersichtlich.

Meins bleibt meins!

Hintergrund für rechtliche Querelen unter Onlinehändlern um die GTIN ist zumeist, dass derjenige Anbieter, der das Produkt als erster auf der Plattform eingestellt hat, sich vom anhängenden Konkurrenten ausgenutzt fühlt. Denn er hat schließlich in der Regel die GTIN, welche Amazon bei den meisten Kategorien für das Einstellen eines Produktes zwingend verlangt, auf seine Kosten registriert. Deswegen möchte er diese auch für sich allein verwenden. Wenn sich nun ein Wettbewerber einfach an das entsprechende Produkt wie beschrieben anhängt, spart er sich die Gebühren für das Registrieren einer GTIN. Der kleinste zu erwerbende GTIN-Nummernblock kostet bei der Vergabestelle GS1 inklusive des einmaligen Bereitstellungspreises im ersten Jahr mindestens 380,- Euro. Wer nur eine Nummer braucht, kann auf Drittanbieter zurückgreifen, die für eine einzelne GTIN 100,- Euro verlangen. Wenn nun der Konkurrent, welcher durch die mittels Anhängen gesparten Kosten auch einen Wettbewerbsvorteil hat, das entsprechende Produkt günstiger anbietet, ist der Ärger des GTIN-Inhabers zumindest nachvollziehbar.

Nicht jeder berechtigte Ärger ist jedoch auch ein Rechtsbruch. Was die Berechtigung entsprechender Abmahnungen angeht, könnte man sagen, dass da in der Regel der Wunsch der Vater des Gedankens ist. Gewollt ist zumeist, dass der Mitbewerber verschwindet. Die juristische Begründung hierfür muss jedoch erst noch gefunden werden. Zumindest wenn man dem Landgericht Bremen Glauben schenken will. Denn laut einem in der vergangenen Woche verkündeten Urteil des Gerichts begeht der sich anhängende Onlinehändler durch das Einstellen eines Angebotes weder einen kennzeichenrechtlichen noch einen wettbewerbsrechtlichen Gesetzesverstoß. Dabei war für das Gericht vor allem entscheidend, dass der Käufer auf der Produktdetailseite die entsprechende GTIN ja gar nicht zur Kenntnis nehmen kann.

Achtung: Anhänger schwenkt aus!

Das Anhängen an die GTIN eines anderen könnte jedoch als Irreführung über die betriebliche Herkunft der so angebotenen Waren eingeordnet werden. Diese Einschätzung beruht auf einem Urteil des Landgerichts Hamburg aus dem Jahre 1987 (Az.: 15 O 751/86), laut welchem ein EAN-Strichcode ein kodifizierter Firmenname sein soll. Allerdings hat das Hamburger Gericht vor allem darauf abgestellt, dass die EAN deshalb einem Unternehmen ebenso eindeutig wie ein Firmenname zugeordnet werden kann, weil unter den beteiligten Handelspartnern das hierfür benötigte Fachwissen vorauszusetzen war. Im Falle des hier diskutierten „Anhängens“ bestehen jedoch zwei wesentliche Unterschiede zu dem damals entschiedenen Fall: Zum einen richten sich die Angebote auf Amazon in der Regel an Verbraucher, welche schon gar keine entsprechenden Kenntnisse von den Hintergründen der GTIN-Vergabe und vor allem des Einstellens eines Produktes haben. Darüber hinaus ist die GTIN für sie ja gar nicht ersichtlich.

Ich weiß schon, was manche von Ihnen jetzt sagen werden: Natürlich wäre es möglich, bei Kenntnis der GTIN mit Tools die einer ASIN entsprechende GTIN zu ermitteln. Und natürlich ist es ebenfalls möglich, mittels GEPIR den Inhaber einer GTIN zu ermitteln. Hierzu ist jedoch der durchschnittliche Verbraucher nicht in der Lage. Eben deshalb ist nicht davon auszugehen, dass die adressierten Kunden in die Irre geführt werden könnten.

Fazit:
Das letzte Wort in dieser die Branche bewegenden Rechtsfrage ist gewiss noch nicht gesprochen. Weitere Abmahnungen sind sicher denkbar. Nichtsdestotrotz überzeugt die Argumentation des Landgerichts Bremen. Über weitere Entwicklungen werden wir Sie selbstverständlich auf dem Laufenden halten. Sollten Sie Fragen zu diesem Thema haben, stehen wir Ihnen natürlich gern zur Verfügung. Unter folgendem Link erhalten Sie weitere Informationen zu rechtlichen Hintergründen sowie Hilfe bei Erhalt einer Abmahnung auf Amazon.

Kommentare  

#10 Thomas Eck 2014-03-10 13:09
Einigen geht es tatsächlich um die horrende Summe von 38 Cent pro GTIN! Wer Bilder auf Amazon und auch andere Plattformen hochlädt sollte sich zuvor die Bedingungen genau zu Gemüte führen! Die Bildrechte sind nämlich schnell mal per Mausklick an den Plattformbetrei ber übertragen.
Wenn allerdings eigene Produkte missbraucht werden, um fremde oder nachgemachte Waren an den Mann zu bringen, hört der Spaß auf. Hier ist die Rechtslage doch eindeutig!?
Grüße
Thomas Eck
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#9 Florenz Buhrke 2012-08-30 14:55
Wie Andreas sind auch wir Hersteller. Wir haben keine Kontrolle über die Qualität der „ähnlichen Produkte“, die angehängt werden, so dass eine schlechte Bewertung unserer GTIN (EAN) nicht auszuschließen ist. Sie schreiben: "Damit jedoch überprüft werden kann, ob es sich um ein identisches Produkt handelt, muss der jeweilige Einsteller die sog. GTIN (welche das besser bekannte System mit der Bezeichnung EAN abgelöst hat) des Produktes bei der Einstellung angeben." Dies ist so nicht (mehr?) richtig. Amazon begnügt sich beim einstellen eines Angebotes im „Seller Central“ mit der ASIN, also der internen Amazon-Artikeln ummer. Dies hat diese Woche dazu geführt, dass eines unserer Angebote zu unserer GTIN komplett überschrieben wurde. Der Amazon-Algorith mus fand die Angaben (Artikelname, Artikelbilder, Herstellerangab e) des neuen Anbieters „relevanter“ als unsere. (Der Neue ist schon länger dabei und hat weit mehr Bewertungen als unser Profil.) Im Augenblick bieten wir also unter unserer GTIN, Produkte einer fremden Marke an. Wir sind gespant wie der Fall ausgeht. Verkäuferservic e, Katalog- und Rechtsabteilung von Amazon sind informiert. "Allerdings sind solche Fälle aus technischen Gründen nicht auszuschließen und eine Fixierung unserer Marke/GTINs nicht möglich." Uns bleibt scheinbar nur eine regelmäßige Überprüfung der eigenen Angebote. Mf G Florenz Buhrke
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#8 Jan Witzmann 2012-02-14 13:17
Sehr geehrter Herr Reber, dass ist weniger etwas für den Kommentar-Berei ch. Ich habe Ihnen eine separate Email zu diesem Thema geschickt.
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#7 Edi Reber 2012-02-09 11:06
Frage: Sehr geehrte Damen und Herren, wir mussten leider feststellen, dass Sie sich an eines unserer Angebote bei Amazon angehängt haben. Dieser Artikel ( ASIN: B0-----XC ) ist mit unserer eigenen EAN eingestellt, für diese haben wir die exclusiven Lizenzrechte, daher fordern wir Sie auf, Ihr Angebot umgehend zu entfernen. Hie rfür setzen wir Ihnen eine Frist von 24 Std. Hallo das oben erhalten wir 3 Artikel angehängt und 3 Mal sofort die Ankündigung wie oben dabei handelt es sich nicht um einen Hersteller sondern um einen Mitbewerber der genau exakt das gleiche Produkte verkauft.... Ist das denn rechtlich???? Wenn jeder Verkäufer seine eigene EAN Nummer benötigt für gleiche Produkte, bisher waren wir der Meinung Pro Artikel gibt einen einen Code... Bei Amazon haben wir jedoch festgestellt das für 3 Artikel des gleichen Herstellers 3 verschiedene Codes verwendet werden. Der Hersteller selbst hat offensichtlich keinen eigenen Code. Es handelt sich bei dem Schreiben um ein Mitbewerber! Ist das nun erlaubt sich anzuhängen oder wie soll man vorgehen, wir haben Amazon darüber informiert und warten auf ein Antwort bis dahin jedoch der Verkauf ausgesetzt. MFG R.Rebe r
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#6 Jan Witzmann 2012-01-24 18:21
Anhängen ist nicht nur bei amazon ein Problem ... Das Händler, die sich mitunter zu Unrecht in dem Hinweis "von ..." auf der Produktdetailse ite als Hersteller eines (No-Name-)Produ ktes gerieren, selbst ggf. eine Irreführungsgef ahr herbeiführen, steht im Übrigen auf einem anderen Blatt. Wenn dann im Gerichtsverfahr en die Retourkutsche des gut beratenen Gegners folgt, hat sich das Vorgehen als Pyrrhussieg herausgestellt.
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#5 Tobias H. Strömer 2012-01-23 21:08
Wir haben beim Landgericht Düsseldorf wiederholt einstweilige Verfügungen gegen Mitbewerber erwirkt, weil diese sich an Mandanten »angehängt« haben. Gestützt haben wir die Verfügungsanträ ge auf Kennzeichen- und Wettbewerbsrech t. Denn normaler Weise wird ja nicht nur die GTIN genannt, mit der ein Verbraucher tatsächlich wenig anfangen kann, sondern auch der Name des Herstellers (»Produkt ABC von xyz«).
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#4 Jan Witzmann 2012-01-19 15:42
Hallo Andreas, tat sächlich liegt der von Ihnen geschilderte Fall anders als der vom Landgericht Bremen entschiedene. Dort waren zwei Händler, die Produkte des selben Herstellers vertrieben haben, Parteien des Rechtsstreits. Für eine Beurteilung Ihres Falles können Sie gerne Kontakt via Telefon und/oder Email zu uns aufnehmen. V iele Grüße Jan Witzmann
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#3 Andreas 2012-01-19 15:34
Auch wir sind von diesen Anhängern bei Amazon betroffen und gar nicht glücklich. Nicht nur, dass der Anhänger sich die Kosten für die EAN spart, so profitiert er auch von den von uns angefertigten und eingestellten Bildern. Da wir weiterhin selber Hersteller unserer Artikel sind, und auch als Hersteller in den betroffenen Artikeln benannt werden, geht der Amazon-Kunde davon aus, unseren Artikel auch bei dem Anhänger kaufen zu können. Und das ist definitiv nicht Fall. Also eine Irreführung des Kunden? Wie ich hier rechtlich zum Zuge kommen kann, ist mir noch nicht ganz klar.
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#2 Anne Marie Berg 2012-01-19 15:09
Wie so häufig, ein sehr interessanter Bericht. Vielen Dank freundliches Händlerbund (endlich mal die Chance dazu genutzt :). Was ich zu diesem Artikel noch anmerken wollte: Grundsätzlich möchte ich das Bestreben von Amazon gar nicht kritisieren, denn „eigentlich“ wird so damit dem Kunden das Auffinden des gleichen Produkts in unterschiedlich en Varianten (bspw. Größen) ermöglicht. Wobei uns zu Anfang die Möglichkeit des Anhängens auch ein wenig empört hat. Vielleicht sollte hier eine Lösung von Amazon angeboten werden: Sie kaufen die Gtins und der Händler darf sie (gegen Entgelt?) nutzen? Das wäre bestimmt eine gerechtere Lösung. Die Zusammenfassung aller Produkte, die zu einer Gtin gehören, führt in der Praxis leider auch immer wieder zu Problemen: Wir haben bspw. einen Kinderschuh eingestellt, in der Weite: Weit. Amazon hat in der Produktbeschrei bung, die zur Gtin gehört, allerdings die Weite: Mittel stehen. So liefern wir ohne unser Zutun Kunden, die eigentlich den Schuh in Mittel bestellen wollten (weil auf Amazon offiziell als solcher deklariert), den Artikel in Weit. Was natürlich ärgerlich für den Kunden ist und uns darüber hinaus auch noch Versandkosten (hin und zurück) kostet.
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#1 Mimolinchen-kindermoden 2012-01-19 14:48
Zum Thema Amazon möchte ich auch einen Denkanstroß geben: Amazon wirbt via Google Product Search mit "Versand kostenlos". Er st nachdem ein Produkt dem Warenkorb hinzugefügt ist und nach dem Einloggen erkennt man, dass die Versandkosten erst ab einem bestimmten Mindestbestellw ert 0,- Euro betragen. Unseres Erachtens eine Irreführung der Verbraucher. Unsere korrekt mit Versandkosten ausgewiesenen Produkte erscheinen dem Käufer auf den ersten Blick teurer als die von Amazon.
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