Für Online-Händler ist nicht immer leicht nachzuvollziehen, warum der Gesetzgeber bestimmte Artikel (z.B. Spirituosen) nicht generell vom Widerrufsrecht ausgeschlossen hat. So kam es auch zu einem Streit zwischen einem Händler und dem Käufer einer hochwertigen Flasche Cognac, ob dieser Kauf vom Widerrufsrecht ausgeschlossen ist.
(Bildquelle Cognac: Denis Tabler via Shutterstock)
Online-Kunden sollen nicht schlechter dastehen, als Käufer in einem normalen Ladengeschäft. Dort können die Waren anders als im Online-Shop vor dem Kauf teilweise sogar probiert werden. Deshalb will der Gesetzgeber auch bei einem Einkauf über das Internet das Recht garantieren, eine Ware auszutesten und anschließend zurückzusenden.
Wie ist dies aber im Fall des Erwerbs einer Flasche Cognac zu sehen? Ist hier ein Widerrufsrecht grundsätzlich ausgeschlossen, erlischt das Widerrufsrecht mit dem Öffnen der Cellophanverpackung oder gar überhaupt nicht? Das Landgericht Potsdam hatte einen solchen Fall auf dem Tisch und beantwortete diese Fragen (Urteil vom 27.10.2010, Az.: 13 S 33/10).
Der Fall
Ein Online-Händler vertrieb über eBay Spirituosen. Ein Kunde bestellte bei dem Händler eine Flasche Cognac des Jahrgangs 1919 zum Preis von 695,00 €. Die bestellte Ware wurde per Post geliefert und bezahlt. Kurze Zeit später sandte der Kläger die Cognacflasche an den Händler zurück und forderte den Händler zur Rückzahlung des Kaufpreises auf.
Gesetzlicher Ausschlussgrund
§ 312d Absatz 4 BGB regelt, dass das Widerrufsrecht nicht bei Fernabsatzverträgen „zur Lieferung von Waren, die schnell verderben können oder deren Verfalldatum überschritten würde“ gilt.
„Schnell verderben“ können Waren dann, wenn nach ihrem Transport und ihrer „Verweildauer“ beim Verbraucher ein verhältnismäßig „erheblicher Teil ihrer Gesamtlebensdauer abgelaufen“ wäre, wie das oft bei Lebensmitteln der Fall sein wird. Dabei kommt es nicht auf die Dauer der tatsächlichen Verwendbarkeit, sondern auf die Dauer der Verwendbarkeit und Absetzbarkeit nach der Verkehrsauffassung an. Das drohende Überschreiten des Verfalldatums ist daher nur ein besonders eindeutiger Spezialfall des schnellen Verderbs. Bei einem Cognac des Jahrgangs 1919 ist prima facie nicht von einer schnellen Verderblichkeit auszugehen. Maßgeblich ist eine objektive Beurteilung ex ante. Zugrundezulegen ist – jedenfalls bei ordnungsgemäßer, vorliegend unstreitig nicht erfolgter, Widerrufsbelehrung - immer die reguläre Widerrufsfrist von zwei Wochen. Ist danach der Ausnahmetatbestand nach Nr. 1 Alt. 4 oder 5 nicht erfüllt, steht dem Verbraucher, wie vorliegend dem Kläger, ein Widerrufs- oder Rückgaberecht zu.
Entfernen der Cellophanverpackung
Auch die unstreitig entfernte Cellophanverpackung, die keinerlei Schutzfunktion hat, führt nicht zu einer generellen Gefährdungslage unter dem Gesichtspunkt „Gesundheitsaspekte von Dritten“ und damit zu einem Ausschluss vom Widerrufsrecht. Eine Beschädigung der Kaufsache ist hierin nicht zu sehen. Auch eine Unzumutbarkeit des erklärten Widerrufs ergibt sich für die Beklagte hieraus nicht.
Verbraucherrechterichtlinie
Der gesetzliche Ausschlussgrund vom Widerrufsrecht „zur Lieferung von Waren, die schnell verderben können oder deren Verfalldatum überschritten würde“ wird unverändert auch nach dem 13.06.2014 gelten.
Hingegen besteht ein neuer Ausschlusstatbestand bei alkoholischen Getränken, die aber frühestens 30 Tage nach Vertragsschluss geliefert werden können und deren aktueller Wert von Schwankungen auf dem Markt abhängt, z.B. Kauf eines Weines noch nicht verfügbaren Jahrgangs „Jahrgang xy“. Ob der bestellte Cognac unter diesen Ausschlussgrund gefallen wär ist damit fraglich.
Über die neuen und alten Ausschlussgründe haben wir in Teil 9 unserer Artikelreihe zur Verbraucherrechterichtlinie berichtet.
Fazit
Dem Kunden steht im konkreten Fall nach ausgeübtem Widerrufsrecht ein Rückzahlungsanspruch gegen den Händler zu. Zum Ärger der Online-Händler kann eine allgemeingültige Antwort, ob ein Widerrufsrecht für den konkreten Artikel besteht und ob und wie hoch ggf. ein entsprechender Wertersatz gezahlt werden muss, nicht gegeben werden. Es ist stets von Einzelfall zu Einzelfall zu entscheiden.
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