Amazon setzt seine Seller unter Druck – und muss sich jetzt erklären

Veröffentlicht: 03.06.2025
imgAktualisierung: 03.06.2025
Geschrieben von: Yvonne Bachmann
Lesezeit: ca. 3 Min.
03.06.2025
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ca. 3 Min.
Amazon-Logo auf einer Glasfassade
Skorzewiak / Depositphotos.com
Vor allem Amazon-Seller, die regelmäßig mit plötzlichem Listing-Verlust oder Buy Box-Ausschluss kämpfen, könnten bald Rückenwind bekommen.


Amazon kann mit amazon.de rund 60 Prozent des Umsatzes im deutschen Online-Handel mit Waren auf sich vereinen. Klar, dass man hier mitmischen will. Für viele Amazon-Händler ist es jedoch eine Hassliebe: Plötzlich ist das Angebot verschwunden, die Buy Box weg oder das Produkt fällt aus der Sichtbarkeit. Die Begründung? „Nicht wettbewerbsfähiger Preis“. Was wie eine willkürliche Entscheidung wirkt, hat endlich die Aufmerksamkeit des Bundeskartellamts auf sich gezogen.

In einer aktuellen Pressemeldung äußert die Behörde massive Bedenken gegen Amazons Preiskontrollmechanismen. Der Vorwurf: Amazon mischt sich systematisch in die Preisgestaltung der Marketplace-Händler ein.

Worum geht’s konkret?

Amazon nutzt laut Bundeskartellamt sogenannte Preiskontrollmechanismen, die automatisch prüfen, ob Händlerpreise „zu hoch“ sind. Wird ein Angebot als zu teuer eingestuft, kann es entweder komplett vom Marktplatz entfernt oder massiv in der Sichtbarkeit eingeschränkt werden – zum Beispiel durch den Ausschluss aus der Buy Box oder durch ein schlechteres Ranking in den Suchergebnissen.

Kritisch dabei ist, dass die Preisgrenzen von Amazon selbst festgelegt werden, ohne dass Händler nachvollziehen können, wie diese überhaupt berechnet werden oder ob ein Algorithmus sie mehr oder weniger frei zugunsten von Amazon aus der Luft greift. Laut Behörde könnten genau solche Mechanismen gegen das deutsche und europäische Wettbewerbsrecht verstoßen. Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, bringt es auf den Punkt: „Für unsere vorläufige Einschätzung hat es auch eine Rolle gespielt, dass die Parameter der eingesetzten Preiskontrollmechanismen im freien Ermessen von Amazon stehen und die Preisgrenzen für Marktplatzhändler nicht transparent sind.“

Warum ist das problematisch?

Dass Amazon anders als beispielsweise Ebay selbst zu seinen Sellern in Konkurrenz tritt, könnte dem Marktplatz zum Verhängnis werden. Wenn Amazon nun also seinen eigenen Konkurrenten vorschreibt, wie teuer ein Angebot maximal sein darf, liegt der Verdacht nahe: Hier wird Macht ausgenutzt. Und das ist nach dem Kartellrecht nun einmal nicht erlaubt.

„Der Wettbewerb im Online-Handel in Deutschland wird zu einem großen Anteil durch Amazons Regeln für die Handelsplattform bestimmt. Da Amazon auf ihrer Plattform in den direkten Wettbewerb zu den übrigen Marktplatzhändlern tritt, ist eine Einflussnahme auf die Preisgestaltung der Wettbewerber auch in Form von Preisobergrenzen grundsätzlich wettbewerblich bedenklich. Dies gilt insbesondere dann, wenn die betroffenen Händler ihre eigenen Kosten nicht mehr decken können und die Handelsplattform in kartellrechtswidriger Weise zur Behinderung des restlichen Online-Handels eingesetzt wird“, so Mundt.

Vor allem kleinere Händler geraten so unter Druck, wenn sie ihre Kosten nicht mehr decken können, weil Amazon – neben unzähligen anderen Maßnahmen – niedrigere Preise durchdrückt. Wer nicht mithalten kann, dem droht das Aus. Die Folge? Weniger Wettbewerb, weniger Auswahl – und noch mehr Kontrolle durch Amazon.

Was bedeutet die aktuelle Maßnahme für Amazon-Händler?

Zunächst erst einmal noch nichts. Sollte sich die Einschätzung des Bundeskartellamts durchsetzen, könnte und wird das Auswirkungen auf die Amazon-Geschäftspraktiken haben. Denkbar wäre, dass Amazon seine Preisvorgaben transparenter machen oder sogar ganz überdenken muss. Die vorläufige Einschätzung des Bundeskartellamts ist aber immerhin ein deutliches Signal, dass die Zeit der intransparenten Regeln und einseitigen Eingriffe bald vorbei sein könnte – besonders für kleinere Händler, die sich gegen die ständigen Änderungen und Sperren bislang kaum wehren konnten.

Amazon hat jetzt die Möglichkeit zur Stellungnahme. Wie der Konzern reagiert – und ob er bereit ist, seine Macht auf dem Marktplatz einzugrenzen – bleibt abzuwarten. Bis dahin gilt, dass Seller Preisänderungen und Hinweise im Seller Central im Blick behalten und dokumentieren sollten. Denn genau solche Nachweise waren es, die nach einer großen Händlerbefragung zu den jüngsten Maßnahmen des Bundeskartellamtes führten.

Artikelbild: http://www.depositphotos.com

Veröffentlicht: 03.06.2025
img Letzte Aktualisierung: 03.06.2025
Lesezeit: ca. 3 Min.
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Yvonne Bachmann

Yvonne Bachmann

Expertin für IT-Recht

KOMMENTARE
13 Kommentare
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Sievert
07.06.2025

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Man könnte die Marktmacht vom Amazon auch dadurch brechen, dass sich massenhaft Händler eine andere Plattform suchen - mit der man auf Augenhöhe verhandeln kann und die ihre Steuern zumindest in Europa bezahlt. Wenn unterm Strich bei den Verkäufen nichts mehr übrig bleibt und man sich ausgeliefert/versklavt fühlt, kann man sich einen anderen Marktplatz suchen. Es ist ja nicht so, dass es die nicht gäbe. Muss ja nicht gerade TEMU sein :-).
cf
05.06.2025

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Vielleicht einfach mal versuchen einen Artikel den amazon auch selbst verkauft einfach mal für 0.01 Euro anbieten und dann amazon abmahnen :-)
Konstantin
04.06.2025

Antworten

Uns ist seit Langem eine bestimmte Praxis von Amazon aufgefallen, die unserer Ansicht nach den fairen Wettbewerb erheblich beeinträchtigt: Ein Beispiel: Wir verkaufen einen Artikel erfolgreich für 10 €, Amazon selbst war nie als Verkäufer gelistet. Plötzlich taucht Amazon innerhalb von zwei Tagen mit einem Preis von 5 € auf – unterhalb unserer Einkaufskosten. Kurz darauf verschwindet Amazon wieder aus dem Angebot, aber die BuyBox bleibt dauerhaft blockiert. Alle anderen Anbieter werden wegen angeblich „zu hoher Preise“ aus dem Angebot entfernt – und der Artikel ist de facto nicht mehr verkäuflich. Ein weiteres Beispiel: Ein Artikel wird von Drittanbietern für 4,50 € angeboten. Dann kommt Amazon plötzlich mit 1,99 € in das Angebot, übernimmt die BuyBox, und alle anderen Anbieter werden wieder wegen „unangemessen hoher Preise“ ausgeschlossen. Was die BuyBox betrifft: Man muss teilweise mindestens 15 % unter dem Amazon-Preis liegen, um überhaupt eine Chance zu haben, dort zu erscheinen – und selbst das garantiert keinen Verkauf. Wir hatten Angebote mit über 1.000 potenziellen Käufern im Monat, bei denen wir nur 15 Cent über dem Amazon-Preis lagen – ohne einen einzigen Verkauf im ganzen Monat. Es gibt zahlreiche weitere Beispiele wie diese. Leider bleibt die Situation unverändert, solange es keine klaren gesetzlichen Konsequenzen in Form milliardenschwerer Strafen für Wettbewerbsverstöße, Monopolmissbrauch und Marktverzerrung gibt.
Markus
04.06.2025

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Das Mit den Hochpreisfehlern haben wir seit WOCHEN. Artikel die im VK 250€ kosten, mit einer Marge von vll 10€, müssten für für 49€ anbieten. Die Fälle sind etliche seiten lang. Dann wird es irgendwann freigeschaltet und 1 woche später wieder gesperrt.
Peter
04.06.2025

Antworten

Bei uns wird das von AMZ 1:1 genauso durchgeführt. Nur EIN Beispiel: Wir verkaufen einen Artikel zum UVP des Herstellers und wurden immer wieder angemahnt, zu mindern. Nun wird unser Listing ausgeblendet.
ralf
04.06.2025

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Wundert mich, dass das Kartellamt scheint tätig zu werden. War das Geldköfferchen nicht groß genug? Auf die Ausrede von Amazon bin ich gespannt. Denke sie werden wie immer den Bogen nach Kundenfreundlichkeit und Nachhaltigkeit versuchen zu spannen. Ich meine wir kennen doch Amazon, immer nur auf Kundenfreundlichkeit und Nachhaltigkeit aus und es wird schon Kundenfreundlich und nachhaltig sein, dass man Händler dazu zwingt, entweder auf anderen Plattformen die Preise zu erhöhen oder auf Amazon zu senken. Wobei Ersteres mehr Sinn macht, denn dadurch erhöht sich die Provision für Amazon, wenn man die Preise auf anderen Plattformen erhöht anstatt auf Amazon zu senken. Ist eh schwierig, da die Kosten bei Amazon zu hoch sind um diese wirklich zu senken. "Amazon was für ein niedriger Preis" Musste damals schon über diese Werbung lachen, während der Großteil der Republik wohl tatsächlich daran glaubt.
K.I
04.06.2025

Antworten

Meinung: Die Ehrlichkeit von Amazon hat sich in den vergangenen Jahren zu alternativen Fakten entwickelt. Wer den Antworten von Amazon noch Glauben schenkt der glaubt auch an den Weihnachtsmann. Seit dem die gesamte Trump Administration, Bezos, Musk, Cook, Zuckerberg und wie die Tech Giganten alle heißen, die gleichen Interessen vertreten, Gelder hin und her schieben, sich gegenseitig öffentliche Aufträge zuschustern usw... sollte jeder ganz kritisch mit deren Aussagen umgehen!
Markus
04.06.2025

Antworten

Kann ich 1 zu 1 bestätigen, dass wir ständig Hochpreisfehler von Amazon gemeldet bekommen oder Artikel einfach plötzlich von heute auf morgen nicht mehr bestellt werden. Wir müssen dann Preise oft deutlich senken, nur damit die Angebote bei z. B. "Hochpreisfehlern" nicht offline bleiben. Das nervt so dermaßen und kostet auch notwendigen Deckungsbeitrag. Warum muss man wohl auf Amazon teurer verkaufen als im eigenen Shop? Weil Amazon den Rachen eben nicht voll bekommt. 15% Netto Verkaufsgebühren erhöhen nunmal einen Verkaufspreis deutlich, wäre diese Verkaufsgebühr niedriger, könnte man auch günstiger auf Amazon anbieten und würde mehr verkaufen... Aber Amazon bleibt seit Jahren stuhr bei diesen extrem hohen Verkaufsgebühren. Es ist ja nicht so, dass Amazon nicht überall dran verdient (Amazon Ads, Paketmarken, Damage Allowance, Marketing Gebühren, Verpackungsgebühren, kaum noch Kundenservice durch echte Mitarbeiter und wenn sitzen sie in Indien etc., Prime Abos usw.), Amazon ist eine Melkmaschine der Händler geworden - wir sind die Milchkühe von heute... Wir begrüßen also ein Vorgehen des Bundeskartellamtes.
Alexander
04.06.2025

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Ich kann mir nicht vorstellen das hier irgendetwas passiert. Amazon bezahlt dann eben an der richtigen Stelle die richtigen Leute und das wars. Wenn du der "Marktplatz" bist kannst du dir eben alles erlauben
F26
04.06.2025

Antworten

Amazon vergleicht oft idealo Preise mit Webshop Angeboten aber sehr oft kommen dazu noch 4,95€-6,95€ Versandkosten die komplett ignoriert werden beim Preisvergleich … bei Amazon Preisen handelt es sich ja oft um ein All inklusive Preis der Marketplace Händler …..
Klaus
04.06.2025

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Man muss es wirklich sagen, dass ist so: Verkaufe ich meine Artikel auf meinem eigenen Shop billiger (da ja die 15% Gebühren von Amazon wegfallen), dann verliere ich das Einkaufswagenfeld bei Amazon. Meiner Meinung nach ist das moderne Sklaverei.
roland.baer@yahoo.de
03.06.2025

Antworten

Bis da dabei praktisch was vom Kartellamt umgesetzt vergehen Jahre! Viel nachteiliger aus unserer Praxis sind folgende Wettbewerbsunterdrückung: warum in der Buy-Box fast immer A. ist egal wie teuer. Oft Händler mit wenigen Bewertungen zahlenmäßig und außerdem schlechtere Bewertungen als der preisbeste Händler. Thema Freischaltung für den Verkauf unzähliger Markenhersteller oder einiger Produkte dieser Hersteller. Andere deselben Herstellers dürfen verkauft werden! Warum dann 10St oder mehr? Warum Ek innerhalb von 180Tagen bei Nonfood. "MÖGLICHE VERSTÖSSE" wogegen - Keiner kennt die Richtlinien. Wo bleibt die Behörden oder Juristen die durch öffentliche Klagen bekannt werden und damit massenhaft Kundenzulauf erhalten könnten? Etc.... Mit der Buy-Box werden Verbraucher getäuscht und alle schauen zu!!!
cf
03.06.2025

Antworten

Meinung: Amazon lässt sich da schon die passende Ausrede einfallen. Selbst wenn sie von vorne bis hinten verklagt werden und Milliardenstrafen angekündigt werden (die eh niemals eingetrieben werden). Sie werden immer einen Weg finden die Händler auszupressen.