Behörden setzen mehr auf Künstliche Intelligenz – folgt bald die Abmahn-KI?

Veröffentlicht: 04.06.2025
imgAktualisierung: 04.06.2025
Geschrieben von: Yvonne Bachmann
Lesezeit: ca. 4 Min.
04.06.2025
img 04.06.2025
ca. 4 Min.
Eine Welle aus verworrenen Straßen droht über einem Mann zusammenzubrechen
lightsource / Depositphotos.com
Die Bafin nutzt bereits KI. Was passiert, wenn auch Verbände oder Abmahner künstliche Intelligenz losschicken?


Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) nutzt seit einer Weile Künstliche Intelligenz, um Marktmanipulationen schneller zu erkennen. Doch was nach einer guten Nachricht für einen fairen Markt klingt, könnte bald auch für andere Branchen richtungsweisend sein. Etwa für den Online-Handel. Denn wenn auch andere Behörden, Abmahnkanzleien oder Wettbewerbsverbände nachziehen, könnten Bußgelder, Abmahnungen oder andere Sanktionen noch mehr zur Bedrohung werden.

Bafin erleichtert Arbeit mit Künstlicher Intelligenz

Mark Branson, Präsident der Bafin, verkündete am Montag einen Meilenstein: Seit rund einem Jahr arbeitet die Behörde mit einem KI-gestützten System namens ALMA, um verdächtige Handelsmuster zu erkennen. So soll die Behörde präziser, schneller und effizienter werden. Die Ergebnisse sprechen laut dem Behördenleiter für sich. Die Chancen, bei Marktmissbrauch erwischt zu werden, seien noch nie so groß gewesen.

Es ist ein Fortschritt, der lange überfällig war. Denn zu oft agieren Behörden überfordert, antiquiert und einfach nur lahm, weil ihnen Personal, finanzielle Mittel und Pioniergeist fehlen. Dass staatliche Organe nun aufrüsten und neue Technologien einsetzen, ist im Grundsatz begrüßenswert – besonders wenn dadurch große Fische ins Netz gehen, die sich bislang zu geschickt durch Schlupflöcher manövriert haben.

Problem: Was hier gefeiert wird, dürfte auch in anderen Bereichen nicht unbemerkt bleiben. Und das hat Folgen – besonders für einen Sektor mit komplexen Rechtsvorgaben und einem knallharten Wettbewerb, der immer auf dem virtuellen Präsentierteller steht: dem Online-Handel. Was passiert, wenn auch andere Institutionen – Wettbewerbsverbände, Datenschutzbehörden, Konkurrenten – Künstliche Intelligenz auf Online-Händler loslassen? Drohen bald automatisierte Abmahnwellen und Bußgelder durch Maschinen?

Wenn die KI nun auch in deinem Shop stöbert

Ohne Frage: Schon heute setzen Kanzleien, Abmahnvereine und Plattformbetreiber Software ein, um potenzielle Verstöße zu identifizieren. Das ist nichts Neues und auch keine Raketenwissenschaft mehr. Crawler durchforsten Shops nach Impressumsverstößen, Preisfehlern oder kopierten Bildern. Der Unterschied zur KI: Diese Tools erkennen nur das, wofür sie programmiert wurden.

KI-Systeme hingegen lernen Muster selbstständig, analysieren große Mengen an Daten und erkennen Verstöße, die nicht klar definiert wurden. Sie erkennen Zusammenhänge, die vorher kein Mensch gesehen, geschweige denn definiert hat – und das kann insbesondere kleinere Händler mit limitierten Ressourcen hart treffen. Ein Beispiel: Während Keyword-basierte Tools vielleicht „versicherter Versand“ oder „TÜV-geprüft“ markieren, versteht eine KI den sprachlichen Kontext – und schlägt auch dann Alarm, wenn die Formulierung rechtlich nur grenzwertig ist. So entstehen Risiken an Stellen, wo Händler bisher dachten, noch auf der sicheren Seite zu sein.

Kommen Händler jetzt unter die Räder?

Die Gefahr besteht jedoch, dass die Logik der Maschine das menschliche Ermessen ersetzt – und aus einem Grenzfall eine einfach hingenommene Entscheidung wird. Dass sich viele Menschen zu sehr auf das fremde Gehirn verlassen, ist jedoch bereits jetzt real. Klingt überzogen? Nach Zukunftsmusik? Schließlich war selbst das Internet lange #neuland für uns. Aber: Die Technologie existiert. Und Behörden, Konkurrenten und Verbände könnten damit beginnen, sie produktiv einzusetzen.

Natürlich ist es gut, wenn mehr Fairness in den Handel kommt. Viele kleine Händler wünschen sich seit Jahren, dass gerade große Plattformen und übermächtige Anbieter endlich genauer überprüft werden. Künstliche Intelligenz kann dabei helfen, weil sie schneller und gründlicher arbeiten kann als eine überlastete Behörde mit Faxanschluss.

KI erfindet keine neuen Fehler, aber macht alte sichtbarer

Man muss auch ehrlich sagen: Die KI fördert keine neuen Fehler zutage – sie macht einfach nur sichtbar, was schon lange im Shop falsch läuft, nur bisher nicht entdeckt wurde. Eine normale Software konnte auch bisher schon Keywords wie „30 Jahre Garantie“ ausfindig machen. Eine KI kann analysieren, ob die Formulierung „Sie können sich auf unsere Qualität jahrzehntelang verlassen“ rechtlich problematisch ist – auch wenn die Wortwahl nicht 1:1 aus einer Blacklist stammt. Sie versteht den Kontext, nicht nur das Wort.

Für Shop-Betreiber bedeutet das, dass die Fehlertoleranz sinken wird. Bislang verborgene Unstimmigkeiten im Shop könnten zu weiteren Maßnahmen führen. Die gute Nachricht: Wer seinen Shop ordentlich führt, muss jetzt nicht in Panik verfallen. Ja, die Latte hängt künftig höher – aber das heißt auch: Wer sauber arbeitet, hebt sich deutlicher ab. Und vielleicht bringt genau das am Ende sogar wieder mehr Vertrauen in den E-Commerce.

Was denkst du? Wird KI zur modernen Hilfe oder zur neuen Bedrohung? Teile deine Einschätzung in den Kommentaren.

Artikelbild: http://www.depositphotos.com

Veröffentlicht: 04.06.2025
img Letzte Aktualisierung: 04.06.2025
Lesezeit: ca. 4 Min.
Artikel weiterempfehlen
Yvonne Bachmann

Yvonne Bachmann

Expertin für IT-Recht

KOMMENTARE
5 Kommentare
Kommentar schreiben

ElaJi
06.06.2025

Antworten

Eigentlich müssten sich alle Onlinehändler zu einem wehrhaften Verband zusammenschließen, um Lösungen zu finden. Vorschlag von Frank2 finde ich gut und es wäre sicherlich umsetzbar, wenn die Onlinehändler+innen mehr Rückendeckung von der Politik bekämen. Alleine ist dieses Dickicht nicht zu lichten :-(
Frank2
05.06.2025

Antworten

Wenn dann... können wir Deutschland schließen, Sinnvoller wäre es eine KI den Shops zur verfügung stellen die solche Fehler sucht. Dann bleibt nur noch das Risiko marginal unterschiedlicher Rechtssprechung in Deutschland. Alternativ könnte man Abmahnungen gesetzlich ja auch anders Struckturieren, sprich ein Anwalt kriegt 70€ pauschal um auf Fehler in einer Produktbeschreibung hinzuweisen (wer zu erst kommt malt zu erst). Nach nachweislichen Eingang des Schreibens hat der Shop Betreiber 14 Tage Zeit das Problem zu bearbeiten. Sollte er es nicht machen oder innerhalb eines Jahres wieder auffliegen werden max. 10% des erwirtschafteten Umsatzes durch den Artikel als Strafe fällig.
K.I
05.06.2025

Antworten

Meinung: Im Zusammenhang mit Abmahnungen ist das natürlich sehr kritisch zu betrachten Da es um das liebe Geld geht werden Onlinehändler jetzt gegen KI kämpfen müssen und verlieren! Anwälte werden die KI ausschließlich unter den Vorwand "Fairer Handel" nutzen um Geld zu verdienen!
cf
05.06.2025

Antworten

Wie hier schon beschrieben wird, werden letztlich die kleinen Händler das Problem haben, denn selbst wenn bei den großen Anbietern etwas gefunden wird, dann werden Milliardenstrafen angekündigt und irgendwie verläuft es sich dann im Sande und die Großkonzerne machen einfach weiter wie bisher.
Frank Pagenkemper
05.06.2025

Antworten

Ich bin kein Freund der Abmahnindustrie. Das ist moderne Wegelagerei, legitimiert durch Abgeordnete im deutschen Bundestag, die selbst Anwälte sind. Das allein finde ich zumindest anrüchig. Aber klar, Fehler sollen korrigiert werden und Betrug soll auch geandet werden. Ich finde daher es sollte eine Regelung geschaffen werden, bei dem der erste Kontakt durch einen Anwalt, Abmahnverein etc begrenzt ist auf eine Gebühr von €25,00. Aber vermutlich bricht dann das Geschäftsmodell der Abmahnzecken zusammen. Aber eigentlich möchte ich das auch, diese Branche darf gerne zusammenbrechen.