Nicht neu und nicht gebraucht: So werden Ladenhüter und Restposten zur Abmahngefahr

Veröffentlicht: 09.05.2025
imgAktualisierung: 09.05.2025
Geschrieben von: Yvonne Bachmann
Lesezeit: ca. 3 Min.
09.05.2025
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Vogelperspektive auf eine Straße, wo Pfeile in drei Richtungen zeigen
Rangizzz / Depositphotos.com
Ein Händler verkauft ein neues Produkt aus 2012 als „neu“ – und wird abgemahnt. Aber wie neu muss etwas sein, um als „neu“ zu gelten?


Ein Online-Händler bot laut einer aktuellen Abmahnung ein Haushaltsprodukt an, das laut Artikelbeschreibung „neu“ und „originalverpackt“ war. Tatsächlich stammte das Gerät aber aus dem Produktionsjahr 2012. Die Verpackung war unbeschädigt, das Gerät unbenutzt. Dennoch erhielt der Händler eine Abmahnung von der Wettbewerbszentrale – mit Verweis auf eine Irreführung nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).

Der Vorwurf: Die Bewerbung als „neu“ sei wettbewerbswidrig, da der Artikel zwar unbenutzt, aber bereits über ein Jahrzehnt alt war. Nach Auffassung der Wettbewerbszentrale, gestützt auf ein Urteil des OLG Saarbrücken aus dem Jahr 2014 (Az. 1 U 11/13), darf „neu“ nur genannt werden, was tatsächlich fabrikneu ist.

Was bedeutet „fabrikneu“?

Das OLG Saarbrücken, auf welches sich die Abmahnung unter anderem beruft, definiert den Begriff „fabrikneu“ wie folgt:

  • Die Ware wurde nie benutzt,
  • sie ist frei von Lagerschäden,
  • und sie wird noch in gleicher Ausführung hergestellt.

Ein Produkt kann demzufolge selbst dann nicht mehr als „neu“ gelten, wenn es seit Jahren unverändert gelagert wurde, aber nicht mehr der aktuell produzierten Version entspricht – etwa, weil das Modell veraltet ist oder nicht mehr hergestellt wird. Ein weiterer Aspekt betrifft die Materialbeschaffenheit. Besonders bei Kunststoffprodukten kann Alterung auch ohne Nutzung auftreten. Materialien können spröde oder brüchig werden, selbst wenn die Verpackung ungeöffnet war. Das ist besonders im Bereich von Lebensmitteln wie in der Abmahnung eine reale Gefahr. Aber auch andere Sparten wie Spielzeug oder sensible Elektronikartikel können Schaden nehmen, wenn sie zu lange oder unsachgemäß gelagert werden.

Was bedeutet solch ein Urteil aber nun in der Praxis? Wie können Artikel stattdessen noch legal beworben werden, die weder Fisch noch Fleisch sind, ohne potenzielle Käuferinnen und Käufer in die Flucht zu treiben?

Transparenz und Ehrlichkeit sind der beste Schutz

Für Händler kann die ungenaue oder zu optimistische Verwendung des Begriffs „neu“ für Produkte, die zwar unbenutzt, aber deutlich älter sind, juristische Konsequenzen haben, das zeigt die Abmahnung. Ob sie vor einem Gericht noch standhalten würde, steht auf einem anderen Blatt.

Um sich vor diesen Risiken zu schützen, sollten Händler jedoch trotzdem vor allem beim Umgang mit älteren, aber unbenutzten Produkten Sorgfalt walten lassen. Denn Begriffe wie „neu“, „originalverpackt“ oder „unbenutzt“ suggerieren dem durchschnittlichen Verbraucher nach Meinung der Wettbewerbszentrale ein Produkt, das dem aktuellen Stand der Produktion entspricht – technisch wie auch materiell. Entscheidend ist nicht nur der Zustand, sondern auch die Erwartung des Verbrauchers an Aktualität und Produktausführung. Gerade bei Artikeln, die schon mehrere Jahre alt sind, empfiehlt sich eine ehrliche und präzise Artikelbeschreibung, zum Beispiel:

„Unbenutzt und originalverpackt, Restposten aus älterem Lagerbestand, Herstellungsjahr 2012, nicht im aktuellen Modellprogramm.“

Wie sieht es jedoch beispielsweise mit einem iPhone 14 aus, was seit 2024 nicht mehr vom Band läuft? Dürfte dieses Vorgängermodell auch nach Erscheinen des iPhone 15 und 16 noch als „neu“ verkauft werden – vorausgesetzt, es ist unbenutzt, originalverpackt und technisch einwandfrei? Da weder Urteile noch Abmahnungen zu solchen Graubereichen bekannt sind, ist die Rechtslage unklar. Daher sollte auch bei nicht fabrikneuen Geräten (s. o.) mit Zusatzangaben wie „Modelljahr 2023“ oder „aus Lagerbestand“ nicht gegeizt werden, um Irreführungen und Abmahnungen zu vermeiden. 

Veröffentlicht: 09.05.2025
img Letzte Aktualisierung: 09.05.2025
Lesezeit: ca. 3 Min.
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Yvonne Bachmann

Yvonne Bachmann

Expertin für IT-Recht

KOMMENTARE
2 Kommentare
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cf
12.05.2025

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Wenn "neu" nur gilt, wenn ein Produkt noch weiterhin hergestellt wird, sieht man daran wieder, dass alles nur auf Massenproduktion ausgelegt ist. Was ist mit Kleinststückzahlen - z.B. die Tante häkelt 3 gleiche Tischdeckchen und die landen im Shop. Damit werden diese nicht weiterhin produziert und dürften demnach ab dem Zeitpunkt, an dem die Tante die Häkelnadeln aus der Hand legt, nicht mehr als neu bezeichnet werden? Was ein völliger Unsinn. Der Artikelzustand "neu" bezieht sich doch immer auf den GEBRAUCHSZUSTAND der Ware. Hier sollten sämtliche Gerichte mal nachdenken. Alternativ müsste die Rechtssprechung bitte ein "neues" Wort erfinden, welches diesen Zustand der Ware beschreibt, welches dann bei allen Produkten angegeben werden darf/muss. Da eh schon alles reguliert ist, wäre das doch der nächste konsequente Schritt...
Detlev Schaefer
12.05.2025

Antworten

Die o.g. Definition sollte einmal Ebay zur Kenntnis gebracht werden. Das Ärgernis: bei Zustandsauswahl "Gebraucht" fügt Ebay automatisch hinzu: "Dieser Artikel wurde bereits benutzt" (oder noch schlimmer: "getragen"). Das ist doch das, was die Kundschaft abschreckt, da kann man noch so viel erklären.