Kolumne: Ich bin doch nicht blöd! Müssen Verbraucher vor sich selbst geschützt werden?

Veröffentlicht: 16.06.2017 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 18.08.2017

Für die Lebensmittelbranche war das Urteil des EuGH ein – wenn auch ein juristisch befürchteter - Schock, für Fleischliebhaber ein Segen und für Vegetarier und Veganer ein kleiner Stich ins Herz. Seit dieser Woche dürften rein pflanzliche Produkte (z.B. aus Soja oder Tofu) nicht mehr in Zusammenhang mit den Bezeichnungen Milch, Molke, Rahm, Butter, Buttermilch, Käse, Sahne und Joghurt vermarktet werden. Solange man die Sojapflanze nicht melken kann, ist Schluss mit „Sojamilch“ und „Tofukäse“.

Natürlich stritten sich zwei Deutsche. Ein deutscher Verband, der Verband sozialer Wettbewerb e.V., mahnte den Hersteller veganer Lebensmittel – der sich selbst als „Sieger der Herzen“ sieht - ab, da eine Verwechslungsgefahr für den Verbraucher bestehen würde. Auch klarstellende oder beschreibende Zusätze, wie „aus Soja/Tofu” gehören demnach auf die dunkelschwarze Liste der verbotenen Begriffe, die zusammen mit der Bezeichnung „Milch“ nicht mehr verwendet werden dürfen.

Da fällt mir ein: Eine Werbung mit „energiefrei“ oder „ohne Kalorien“ soll jedoch erlaubt sein, wenn das Lebensmittel nicht mehr als 4 Kalorien pro 100 Gramm bzw. Milliliter enthält? Entschuldigung...? Figurbewusste Verbraucherinnen können da schon an den Rand eines Herzinfarktes gelangen und das Gesetz nimmt es einfach so billigend in Kauf! Aber ich schweife ab.

Willkommen im 21. Jahrhundert

Bei dem Urteil fragt man sich doch ernsthaft als Verbraucher... „Denkt ihr eigentlich, ich bin doof“? Auch wenn das Urteil juristisch absolut vertretbar ist. Ich möchte hier und heute keine rechtliche Diskussion führen, ob das Urteil inhaltlich richtig ist. Als Verbraucher halte ich das Urteil des EuGH schlicht und ergreifend für Soja-Käse. Abgesehen von allen Richtlinien und Verordnungen – um eine Werbeaussagen verbieten zu können, muss doch wenigstens ein Mindestmaß an Irreführung vorliegen.

Das Verständnis der Verbraucher in Bezug auf die Bewerbung vegetarischer und veganer Produkte und Bezeichnungen hat sich in den letzten Jahren massiv verändert. Vielleicht sollten sich die zahlreichen Herren und Damen der Wettbewerbs- und Verbraucherverbände um mehr Aufklärung der Käufer bemühen oder ihr Geld lieber in eine Aktualisierung der Gesetze stecken. Der Anteil vegetarischer und veganer Produkte im Supermarkt wächst und gedeiht. Man kann sie auch nicht mit dem Urteil wie dem des EuGH tot kriegen. Es wird Zeit für Gesetze, die dem 21. Jahrhundert angemessen sind.

„Wenn das so weiter geht, darf man bald gar nicht mehr werben.“

Die goldene Regel des Werberechts lautet, dass jegliche Werbung erlaubt ist, solange sie wahr und beweisbar ist und den Kunden nicht in die Irre führt. Natürlich würde uns der Gesetzgeber enttäuschen, wenn es dafür nicht massenhaft gesetzliche Vorschriften samt Ausnahmen und Ausnahmen von den Ausnahmen gäbe. Das Zeichen, dass der EuGH nun für den Handel setzt, ist klar umrissen. Werbung ist und bleibt eine heiße Kiste.

Jeder Online-Händler weiß ganz genau, wovon ich spreche. „Wenn das so weiter geht, darf man bald gar nicht mehr werben“ war schon der Kommentar eines Lesers zum Dextro-Urteil. Ein weiterer Leser beschwerte sich, dass immer nur berichtet wird, wofür man nicht werben darf. Ich habe vollstes Verständnis für den Frust der Händler. Und tatsächlich: Zehn Gründe zu finden, für die man nicht abgemahnt werden kann war schon eine fast unlösbare Mammutaufgabe. Diese Werbeaussagen, die nicht erlaubt sind, habe ich jedenfalls in Sekundenschnelle aufgespürt:

Ich besorg mir jetzt erstmal ne “Tofu-Currywurst” zum Mittag, solange sie noch so heißen darf. Und bevor mir das Wasser im Mund zusammenläuft: Was wird eigentlich aus dem guten alten Fleischkäse-Brötchen?

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