„Notice and Take Down“ bei Amazon: Ungerechtfertigte Meldung kann wettbewerbswidrige Abmahnung sein

Veröffentlicht: 14.09.2018 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 14.09.2018

Die Löschung einer vermeintlichen Produktnachahmung ausgelöst über das Amazon-eigene „Infringement“-Verfahren kann laut dem Landgericht Hamburg eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung darstellen. Im vorliegenden Fall betraf die Abmahnung das Design eines speziellen Weinglases. Der Abmahner hatte eine Verletzung seines Geschmacksmusters geltend gemacht, wurde nun aber durch das Gericht selbst zu einer Unterlassung aufgefordert.

Wein, der in ein Weinglas gefüllt wird
© Ievgenii Meyer / Shutterstock.com

Im Rahmen des Gerichtsprozesses vor dem Landgericht Hamburg (AZ.: 308 O 63/18) hatte sich ein Amazon-Händler gegen die Löschung eines seiner Produkte gewehrt. Amazon hatte das Weinglas namens „Glass Bottle Cap“, dass sich durch sein spezielles Design direkt auf einer Weinflasche befestigen lässt, aus dem Verkehr gezogen. Grund dafür war die Meldung eines anderen Händlers über die angeblich designverletztende Nachahmung.

Mit dem sogenannten Infringement-Verfahren stellt Amazon eine Möglichkeit zur Verfügung, Rechtsverletzungen zu melden, die sich beispielsweise auf Designs oder Marken beziehen. Nach dem „notice and take down“-Prinzip nimmt Amazon den Artikel dann nach dem Hinweis auf eine konkrete Rechtsverletzungen automatisiert aus dem Sortiment – nach der eingängigen Rechtsprechung würde das Unternehmen bei Kenntnis des Rechtsverstoßes sonst selbst haftbar werden.

Glass Bottle Cap
© Amazon-Produktseite / Screenshot

Design war bereits bekannt: „Guzzle Buddy“ kam in TV-Serie vor

Der Abmahner berief sich auf ein eingetragenes europäisches Gemeinschaftsgeschmacksmuster aus dem Jahr 2016. Die Richter stellten fest, dass die Abmahnung in Form der Mitteilung an Amazon verbunden mit einem Unterlassungsgesuch eine Schutzrechtsverwarnung darstelle, diese aber unberechtigt ist. Laut der entsprechenden EU-Verordnung können nur solche „Erscheinungsformen eines Erzeugnisses“ als Geschmacksmuster geschützt werden, die neu sind und eine „Eigenart“ haben.

Das Design des Weinglas, so die Richter, habe zu seiner Anmeldung als Gemeinschaftsgeschmacksmuster diese Merkmale aber nicht erfüllt. Bereits im März 2014 kam in der US-Comedy-Serie „C.T.“ nämlich ein Flaschenaufsatz als „Guzzle Buddy“ vor, der sich im Gesamteindruck nicht von dem angemeldeten Gemeinschaftsgeschmacksmuster unterschied. Das Gericht betrachtete es damit als „offensichtlich löschungsreif“ – womit die Abmahnung unberechtigt war.

Abmahner muss Löschung gegenüber Amazon zurücknehmen

Bemerkenswert ist, dass der Abmahner selbst damit wirbt, das Glas aus der Serie zu vertreiben. Schließlich muss ihm damit bekannt gewesen sein, dass das Design die notwendigen Voraussetzungen zur Eintragung als Geschmacksmuster gar nicht erfüllen konnte, wie auch die Richter im Ergebnis bemerkten. Diese ordneten die Löschung über den Meldeprozess von Amazon schlussendlich als unberechtigte Schutzrechtsverwarnung ein. Solche darf der Abmahner laut Urteil auf Amazon künftig nicht mehr durchführen. Außerdem müsse er bereits durchgeführte Löschungen zurücknehmen und dies auch tatsächlich gegenüber Amazon erklären, da ohne die Rücknahme ein erneutes Einstellen des Produkts auf der Plattform nicht möglich ist.

Vorsicht bei Meldungen von Rechtsverletzungen geboten

An und für sich bietet die Nutzung des Infringement-Verfahren Rechteinhabern den Vorteil, einfach und schnell gegen Verstöße vorzugehen. Die Einfachheit auf der einen Seite führt aber zu Schwierigkeiten auf der anderen, wenn die Meldung nämlich ungerechtfertigt ist und die rechtliche Prüfung des Sachverhalts erst dann ins Rollen kommt. Händler und Hersteller sollten vorsichtig sein, um sich nicht von dem augenscheinlich einfachen Prinzip der Mitteilung einer Rechtsverletzung an Amazon zu voreiligen Handlungen hinreißen zu lassen. Sollte sich wie in diesem Fall ihre Meldung als unbegründet erweisen, muss zumindest damit gerechnet werden, die Kosten eines potentiellen Rechtsstreits tragen zu müssen. Als Opfer einer unberechtigten Meldung bedarf es außerdem einer schnellen –möglichst juristisch begleiteten– Klärung mit dem Abmahnenden, da die die Meldung durch diesen bei Amazon zurückgezogen werden muss, um das Produkt wieder vertreiben zu können.

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