OLG Hamm zur Anfechtung von Unterlassungserklärungen

Veröffentlicht: 06.03.2013 | Geschrieben von: Redaktion | Letzte Aktualisierung: 22.03.2016

Onlinehändler, die eine Abmahnung und vorformulierte Unterlassungserklärung erhalten und Letztere ggf. eilig und ohne weitere Beratung hinzuzuziehen unterzeichnet haben, stellt sich regelmäßig die folgende Frage: Kann eine einmal abgegebene Unterlassungserklärung nachträglich angefochten werden?

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm (Urteil vom 22.3.2012, Az: I-4 U 194/11) hat sich kürzlich mit genau dieser Frage befasst und sie verneint.

Im Sachverhalt, den das OLG zu entscheiden hatte, warb ein Lackierbetrieb in der Zeitung mit der Aussage „... Erstellung von EDV-Gutachten…". Dies wurde als irreführende Werbung im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 1 UWG abgemahnt. Begründung: Der Lackierbetrieb erwecke mit dieser Aussage den - nicht zutreffenden - Anschein, mehr unabhängiger und unparteiischer Gutachter als am Verkauf interessierter Geschäftsmann zu sein. Der Lackierbetrieb unterwarf sich und gab eine strafbewehrte Unterlassungserklärung mit folgender Erklärung ab:

„... (der Lackierbetrieb verpflichtet sich) ... 1. es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr im Zusammenhang mit der Werbung für den Lackier-Karosserie-Fachbetrieb mit Sachverständigenleistungen (z.B. Gutachten) zu werben, 2. für jeden Fall zukünftiger Zuwiderhandlung gegen die unter Ziffer 1. aufgeführte/n Verpflichtung/en an die Wettbewerbszentrale eine Vertragsstrafe in Höhe von 4.000,00 EUR (viertausend) zu zahlen, ...".
Dennoch warb der Lackierbetrieb in der Folgezeit im Internet erneut mit der Aussage: „... mit EDV-Schadensgutachten“. Daraufhin verlangte die Gegenseite die Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe.

Im nachfolgenden Gerichtsprozess entschied nun das OLG Hamm, dass die Abmahnung berechtigt war. Aber selbst wenn es sich um eine unberechtigte Abmahnung gehandelt hätte, hätte sich der Lackierbetrieb laut OLG Hamm nicht im Wege der Anfechtung die einmal abgegebene Unterlassungserklärung vernichten können:

„...Zudem fehlt es aber auch am notwendigen Anfechtungsgrund.(...) Auch wenn die Beklagte sich bei Abgabe der Erklärung in einem Irrtum über die Wettbewerbswidrigkeit ihres Handelns befunden hätte, würde dies keine Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB rechtfertigen. Denn die irrige Annahme wettbewerbswidrig gehandelt und infolgedessen aufgrund des § 8 Abs. 1 UWG zur Unterlassung verpflichtet zu sein, stellt lediglich einen Irrtum im Beweggrund dar. Ein solcher Motivirrtum ist regelmäßig unbeachtlich ...“
Hintergrund:

Erklärungen können nur dann mittels Anfechtung vernichtet werden, wenn ein Erklärungsgrund vorliegt, die Erklärungsfrist noch nicht abgelaufen ist (diese ergibt sich aus dem Gesetz) und die Anfechtung gegenüber dem richtigen Empfänger erklärt worden ist. Als Anfechtungsgründe kennt das BGB den Erklärungsirrtum, den Inhaltsirrtum, die Anfechtung wegen falscher Übermittlung sowie wegen Täuschung oder Drohung.

Ein Erklärungsirrtum liegt vor, wenn der Erklärende aus Versehen ein anderes Erklärungszeichen als gewollt abgegeben hat, z.B. durch Vertippen, Versprechen, Verschreiben, Vergreifen oder eine unwillkürliche Veränderung der Eingabe beim Datentransfer. Der Erklärende hat also versehentlich nicht das erklärt, was er erklären wollte und auch zu erklären glaubte.

Ein Inhaltsirrtum liegt vor, wenn Erklärende die tatsächliche Tragweite seiner Erklärung verkennt. Also er winkt z.B. bei einer Weinversteigerung einem Freund und begreift nicht, dass er mit dem Heben des Armes ein Gebot abgegeben hat. Oder jemand bestellt z.B. 14 Gros Toilettenpapier und meint, er habe 14 große Rollen Papier bestellt, weil er die Mengenangabe „Gros“ nicht kennt. Der Erklärende hat also erklärt, was er auch erklären wollte, hat sich aber unter dem Erklärten etwas ganz anderes vorgestellt.
Der Fall des OLG Hamm lässt sich weder als Erklärungsirrtum noch als Inhaltsirrtum einordnen. Der Lackierbetrieb hat vielmehr - wie es auch das OLG Hamm festgestellt hat - die Rechtslage falsch eingeschätzt. Solche „Motivirrtümer“ berechtigen jedoch nicht zur Anfechtung.

Fazit:

Im Fall des Erhalts einer Abmahnung/ vorformulierten Unterlassungserklärung sollte unbedingt vor Abgabe einer Erklärung und der Zahlung des geforderten Betrages rechtlicher Rat eingeholt werden. Die Abmahnung sollte unverzüglich an den Rechtsbeistand übermittelt werden, da eine gewisse Bearbeitungs- und Prüfzeit jeweils zu veranschlagen ist. Es kommt nicht selten vor, dass das Abmahnschreiben einer näheren Prüfung dann nicht standhält, weil z.B. die Abmahnung unberechtigt oder die Unterlassungserklärung zu weit formuliert ist und entsprechend modifiziert werden kann. Der Händlerbund bearbeitet und vertritt rund 1.500 Abmahnfälle pro Jahr. Im Rahmen des Unlimited-Leistungspakets vertreten wir unsere Mitglieder mit Ihrer Abmahnung außergerichtlich und auf Wunsch auch vor Gericht.

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