Zum ersten Mal seit der Einführung im Jahr 2018 soll die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) umfangreich reformiert werden. Ein Entwurf des entsprechenden Änderungsvorschlags sieht vor, vor allem die Dokumentationspflichten massiv zu entschlacken. So besagt Artikel 30 der DSGVO bislang, dass ein Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten geführt werden muss und welche Informationen darin enthalten sein sollen.
Für kleine und mittlere Unternehmen mit bis zu 250 Beschäftigten ist eine Ausnahmeregelung vorgesehen. Unter bestimmten Bedingungen entfällt dort die Aufzeichnungspflicht. Die Ausnahme von der Dokumentationspflicht soll künftig „vereinfacht“ werden. Aufzeichnungen sollen nur dann vorgeschrieben sein, wenn die verarbeiteten Daten ein „hohes Risiko für Rechte und Freiheiten“ bedeuten könnten. Was das am Ende genau bedeutet? Wahrscheinlich Auslegungssache.
Ausnahmen bis 500 Beschäftigte
Viel bedeutender ist wohl, dass die Kommission die Ausnahme auf Unternehmen und Organisationen mit bis zu 500 Mitarbeitenden, die unter einer bestimmten Umsatzgrenze bleiben, ausdehnen will. Damit wären theoretisch sogar sogenannte Midcap-Unternehmen mit mittlerer Marktkapitalisierung durch die Ausnahme geschützt. Das würde laut Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) auf 99 Prozent aller europäischen Firmen zutreffen.
Der Europäische Datenschutzbeauftragte und der Europäische Datenschutzausschuss haben laut Netzpolitik bereits signalisiert, der Reformentwurf könne mit einer „vorläufigen Zustimmung“ rechnen. Sie fordern aber von der Kommission, zu prüfen, ob der Entwurf einen angemessenen und fairen Ausgleich zwischen dem Schutz personenbezogener Daten und den Interessen der Organisationen gewährleistet.
Heftige Kritik aus der Zivilgesellschaft
Itxaso Domínguez de Olazábal von EDRi, dem europäischen Dachverband der digitalen Zivilgesellschaft, vergleicht kurzfristige Änderungen an der DSGVO mit dem Öffnen der „Büchse der Pandora“. Die Reform könne im derzeitigen politischen Klima ein Türöffner für weitere Deregulierung sein. Noyb warnt davor, dass eine Reform DSGVO-Verfahren künftig undurchführbar machen könnte. Der vzbv befürchtet, dass die geplanten Änderungen das „Tor für weitergehende Aushöhlungen der DSGVO öffnen könnten“.
In einem gemeinsamen offenen Brief fordern über 100 zivilgesellschaftliche Initiativen, Wissenschaftler:innen, Unternehmen, Gewerkschaften und Expert:innen eine Ablehnung der Überarbeitung der DSGVO. Auch wenn einzelne vorgeschlagene Änderungen theoretisch sinnvoll sein könnten, könnte die DSGVO durch den Prozess anfällig für weitergehende Deregulierung werden. „Viele solcher Bestrebungen sind bereits erkennbar, darunter Forderungen nach einer Schwächung der Einwilligungsvorschriften ohne wirksame Schutzmaßnahmen für die Nutzer:innen oder nach einer Legitimierung der invasiven Nutzung personenbezogener Daten für KI-Trainingszwecke“, heißt es in dem offenen Brief.
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