Am 28.06. wird über den Regierungsentwurf des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs diskutiert. Besonders die Anforderungen an das Aussprechen von Abmahnungen wurden verändert. Beispielsweise soll der Aufwendungsersatz für Abmahnungen wegen Verstößen gegen gesetzliche Informationspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr teilweise ausgeschlossen werden. Außerdem soll die Vertragsstrafe auf 1000 Euro bei Zuwiderhandlungen, die Mitbewerber, Verbraucher und andere Marktteilnehmer in nur unerheblichen Maße beeinträchtigen gedeckelt werden; für Mitbewerber und Vereine verändern sich die Voraussetzungen um überhaupt Abmahnungen aussprechen zu dürfen (mehr dazu).
Abmahnungen per se nicht abgeschafft
Zunächst: Die Möglichkeit, wettbewerbsrechtliche Abmahnungen auszusprechen, wird nicht abgeschafft. Abmahnungen sind ein geeignetes, kostengünstiges Rechtsinstrument um die Einhaltung rechtlicher Rahmenbedingungen herbeizuführen. Dieses Instrument des Wettbewerbsrechts zur Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen trägt zur Entlastung von Behörden und Gerichten bei: Die meisten Rechtsstreitigkeiten rund um wettbewerbsrechtliche Verstöße werden außergerichtlich unter den Parteien geklärt. Aus einer Pressemitteilung des Händlerbundes geht hervor, dass das deutsche System der Abmahnungen in den letzten 15 Jahren „maßgeblich zu Rechtssicherheit und dem Erfolg der Onlinehandelsbranche in Deutschland beigetragen" hat.
Der Funktionstüchtigkeit dieses Systems steht natürlich der Rechtsmissbrauch durch massenhafte Abmahnungen entgegen. Von rechtsmissbräuchlichen Abmahnungen wird gesprochen, wenn die Abmahnungen lediglich den Zweck verfolgen, Abmahngebühren und Vertragsstrafen zu kassieren. Davon kann beispielsweise bei Massenabmahnungen ausgegangen werden.
Dass das Thema Abmahnmissbrauch auch in der Politik angekommen ist, ist durchaus begrüßenswert. Allerdings ist der Regierungsentwurf nicht dazu geeignet, dem Missbrauch entschieden entgegen zu treten.
Unterscheidung zwischen Verbänden und Mitbewerbern
Der Entwurf sieht vor, dass Verbände und Mitbewerber in Bezug auf den Aufwendungsersatzanspruch grundsätzlich unterschiedlich behandelt werden. Für Mitbewerber soll der Aufwendungsersatzanspruch bei Abmahnung von Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr, sowie bei Abmahnung von Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordnung und das Bundesdatenschutzgesetz ausgeschlossen werden. Auf Verbände, Industrie- und Handelskammern trifft das nicht zu.
Für Abmahnungen durch Mitbewerber soll außerdem die Vereinbarung einer Vertragsstrafe bei einer erstmaligen Abmahnung ausgeschlossen werden. Auch das trifft auf Verbände, Industrie- und Handelskammern nicht zu. Verbände sollen laut Regierungsentwurf weiterhin einen Aufwendungsersatz verlangen dürfen und auch beim erstmaligen Verstoß gegen eine abgegebene Unterlassungserklärung eine Vertragsstrafe vereinbaren können.
Welchen Grund hat der Gesetzgeber für diese Unterscheidung? Leider lässt der Entwurf diese Frage offen, denn sachgerechte Argumente sind in der Gesetzesbegründung nicht anzutreffen. Ein Großteil von Abmahnungen wegen kleiner, aber leicht zu erkennender Verstöße wird inzwischen von Verbänden ausgesprochen. Dienen diese, in beachtlichen Größenordnungen ausgesprochenen Abmahnungen tatsächlich immer dem Zweck des fairen Wettbewerbs? Worin sieht der Gesetzgeber diese Differenzierung begründet? Sieht der Gesetzgeber bei Verbänden die wirksamere Durchsetzung von Recht als bei Mitbewerbern? Tragen Abmahnungen durch Mitbewerber per se weniger zur Rechtsdurchsetzung bei als Abmahnungen durch Verbände und IHK's? Sind Abmahnungen durch Mitbewerber per se rechtsmissbräuchlich? Wohl kaum.
Wenn sich Unternehmen anwaltlicher Hilfe bedienen, Kosten für einen rechtskonformen Internetauftritt aufwenden, sollen und müssen diese das Recht haben mittels eines Anwalts Konkurrenten abzumahnen, die gegen Impressums- , Informations- und Kennzeichnungspflichten verstoßen. Das wäre fair!
Ein Grund für die Entscheidung der Ungleichbehandlung könnte sein, dass der Gesetzgeber die Abmahnbefugnis von Verbraucherschutzverbänden nicht antasten möchte. Dem kann aber entgegnet werden, dass auch Abmahnungen von Mitbewerbern, zumindest mittelbar, dem Verbraucherschutz dienen: Wettbewerbsrechtliche Verstöße sind zumeist auch Verstöße gegen verbraucherschutzrechtliche Normen. Wer keine Widerrufsbelehrung vorhält oder fehlerhafte Preise angibt, verschafft sich nicht nur einen Wettbewerbsvorteil, er führt den Verbraucher in die Irre. Derart unlauteres Verhalten muss von Verbänden und Mitbewerbern mit gleicher Konsequenz abmahnfähig bleiben.
Geringfügige Verstöße, die keine Bagatellen sind
Bei der Regelung zu den geringfügigen Verstößen, auch Bagatellen genannt, schießt der Gesetzgeber leider weit übers Ziel hinaus.
Im Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums finden sich eine Reihe solcher Beeinträchtigungen. Dazu zählen beispielsweise die Abkürzung des Vornamens im Impressum, die Verwendung der Angabe „zwei Wochen” statt „14 Tage” in der Widerrufsbelehrung, sowie eine fehlende Verlinkung zur Europäischen Plattform zur Online-Streitbeilegung (OS-Link). All das sind auf Grund ihrer leichten Erkennbarkeit massenhaft abgemahnte Verstöße, die Händler zu Recht als Bagatellen bezeichnen.
Der jetzt diskutierte Regierungsentwurf geht aber viel weiter und schießt ordentlich übers Ziel hinaus: Das gänzliche Fehlen von Impressum und Widerrufsbelehrung oder Verstöße gegen die Produktkennzeichnungspflichten – all das belohnt der Entwurf mit dem Wegfall des Anspruches auf Aufwendungsersatz bei Abmahnungen durch einen Mitbewerber.
Hier verkennt der Gesetzgeber, dass es sich bei den zuletzt genannten Verstößen gar nicht mehr um unerhebliche Beeinträchtigungen handeln kann: Ein fehlender OS-Link oder die Angabe „zwei Wochen” statt „14 Tage” kann kaum mit dem Fehlen einer Widerrufsbelehrung gleichgesetzt werden.
Damit werden die groben Fehler mancher Online-Shops nicht nur belohnt; gleichzeitig wird der Verbraucherschutz geschwächt. Schließlich dienen die Informationspflichten zumeist dem Schutz von Verbrauchern. Ist das wirklich so gewollt? Wozu dient der Rechtsrahmen, wenn plötzlich jeder Verstoß zur Bagatelle wird? Wo besteht der Anreiz für Unternehmen, sich an gesetzliche Pflichten zu halten?
Zurück zu dem, was wirklich unerheblich ist…
Auch wenn die wachsende Sensibilisierung für dieses Thema begrüßenswert ist, so lässt der Gesetzgeber eine klare Linie vermissen. Dazu gehört auch die Anwendung des Rechtsrahmens, sowie der gesetzlichen Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr mit gesundem Sach- und Menschenverstand - auch durch die Gerichte, die Rechtsverstöße als erheblich oder unerheblich bewerten.
Was der Wettbewerb benötigt, ist eine klare Linie gege Abmahnmissbrauch! Der Kampf gegen rechtsmissbräuchliche Abmahnungen ist mit diesem Regierungsentwurf noch nicht gewonnen. Die Diskussion um eine Stärkung des fairen Wettbewerbs damit gewiss nicht ausdiskutiert.
Kommentar schreiben
Antworten
Leider wird der Gesetzentwurf auf anderen Plattformen viel zu oft als ein "Erfolg" verkauft.
Den Missbrauch von Abmahnungen verhindert man nicht indem man den unlauteren Wettbewerber bevorteilt und das Geschäftsmodell der Massenabmahnung allein an Abmahnvereine überträgt!
Der Gesetzgeber muss hier viel genauer hinschauen und nicht pauschal gegen Unternehmer vorgehen, die an einem sicherem Marktumfeld interessiert sind!
Ihre Antwort schreiben