Das Jahr 2019 steht bislang im Zeichen des Klimaschutzes. Die Grünen erzielen rekordverdächtige Wahlergebnisse, die Klimastreiks finden unbeirrt weiterhin jeden Freitag statt und überall wird überlegt, wie man die Gesellschaft klimafreundlicher gestalten kann.
Vor diesem Kontext forderten die Grünen Anfang Juni 2019, die Retourenvernichtung komplett zu verbieten. Die Universität Bamberg hatte zuvor herausgefunden, dass 2018 knapp vier Prozent der Retouren in Deutschland vernichtet wurden. Das sind immerhin 19 Millionen Artikel, die im Müll landen. Im August legte das Bundesumweltministerium dann nach: Die EU-Abfallrahmenrichtlinie muss in deutsches Recht umgesetzt werden und das soll unter anderem durch eine Änderung des deutschen Kreislaufwirtschaftgesetzes passieren. Im ersten Entwurf schlägt Ministerin Svenja Schulze vor, dass höhere Auflagen für die Retourenvernichtung gelten sollen.
Die Branche sieht Verbesserungsbedarf
Die Retourenvernichtung wird also nicht zu 100 Prozent verboten. Doch auch höhere Auflagen bei der Intakthaltung von Waren oder bei Nachweis- und Meldepflichten könnten gerade für kleine und mittelständische Online-Händler eine große Herausforderung werden. Der Vernichtung von retournierten Waren geht eine unternehmerische Prüfung voraus; niemand schmeißt intakte Waren aus Spaß in den Müll. Daher fordern Wirtschaftsvertreter die Regierung dazu auf zu überdenken, wie eine geplante „Obhutspflicht” für Händler aussehen soll, durch welche diese Waren „gebrauchstauglich” gehalten werden sollen. Denn auch das Spenden von retournierten Artikeln ist teuer, weil auf Unternehmensspenden die Umsatzsteuer berechnet wird. Für viele Unternehmer fehlt da der finanzielle Anreiz, die Ware weiter im Umlauf zu halten.
Der Branchenverband Händlerbund fordert das Umweltministerium in einer Stellungnahme zu einer differenzierteren Betrachtung des Problems auf. Im Gesetzentwurf würden wichtige Unterscheidungen nicht sorgfältig getroffen. Erstens sei Retourenvernichtung kein alleiniges Phänomen im Online-Handel, sondern auch ein Thema des stationären Handels. Zweitens müsse man grundsätzlich zwischen Retouren und Überhängen unterscheiden, um praxistaugliche Regelungen zu schaffen. Dazu komme, dass außer der Studie der Universität Bamberg kein brauchbares Datenmaterial zum Umgang mit Retouren und Überhängen vorliege. Dadurch fehle dem Entwurf eine Grundlage für „eine faktenbasierte Suche nach geeigneten und notwendigen Lösungen”, so der Händlerbund.
Daher und um einen Überblick über die aktuellen Herausforderungen der Händler zu den Themen Retouren, Versand und Verpackungen zu erhalten, hat der Händlerbund die Logistik-Studie 2019 gestartet. Die Umfrage richtet sich an alle Händler, hier kann man an der Studie teilnehmen.
Retouren sind eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung
Die Notwendigkeit einer nachhaltigen Gestaltung des Versandhandels erkennen alle Akteure als grundlegend an, auch die Wirtschaftsvertreter. Doch es dürfe nicht nur das Symptom der Vernichtung von Retouren bekämpft werden, sondern die hohen Retourenquoten insgesamt müssen verringert werden. Denn diese schaffen hohe CO2-Ausstöße, Belastung der Post- und Kurierdienste sowie zusätzlichen Verpackungsmüll. Der Händlerbund fordert daher, dass die Politik eine „Änderung des Verbraucherverhaltens anstreben, informieren und für einen bedachten Umgang mit Retouren Anreize schaffen” muss. Nur so könne man die gesamtgesellschaftliche Aufgabe der Ressourceneffizienz lösen.
Die Gesetzgeber sollten die Kritik aus der Wirtschaft ernst nehmen. Retouren gehören teilweise zum Geschäftsmodell von Online-Händlern, schon deswegen ist es keine Lösung, Retouren einfach zu verbieten – vom Verbraucherschutz ganz zu schweigen. Genausowenig kann es aber im Sinne der Politik sein, dass die Retourenquote noch höher wird, als sie es bereits ist. Es braucht innovative Lösungen, neue Möglichkeiten der Retourenabschätzung durch KI-Technologien und Aufklärung der Verbraucher über klimaschädliche Auswirkungen von Retouren. Die Einbindung von Augmented-Reality-Technik in Online-Shops könnte die Notwendigkeit von Retouren verringern. Und letztlich braucht es finanzielle Anreize zur Weiterverwendung von B-Ware, wie die Möglichkeit für Unternehmer, Retouren steuerfrei zu spenden oder günstig im Ausland weiterzuverkaufen.
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