Ja, ich weiß, liebe Eltern: Jeder, der gern Fotos von seinen Kindern ins Netz stellt, hängt die Kritik zum Thema „Kinderfotos haben im Netz nichts zu suchen“ schon zum Hals raus. Aber dennoch: Bitte nicht einfach wegklicken. Hier soll es nicht darum gehen, dass man als Elternteil nicht weiß, in welchen dunklen Ecken des Netzes diese Bilder am Ende landen, sondern um eine ganz andere Sache. Lasst uns zur Abwechslung doch mal ernsthaft über die Persönlichkeitsrechte der Kinder reden.
Kinder und Grundrechte
Kinder selbst haben selbstverständlich Grundrechte. Allerdings besteht hier das Problem, dass so ein kleines Würmchen im Zweifel noch nicht frei über seine Grundrechte entscheiden kann. Während das pubertierende Töchterchen eine Woche nicht mit Mama redet, weil die ihr ein Tattoo verboten hat, ist die später erwachsene Frau vielleicht ganz froh, damals noch nicht selbst über ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit entscheiden zu dürfen.
Hier stehen sich im Grunde genommen zwei Grundrechte gegenüber: Das des Kindes, und das im Grundgesetz verankerte Erziehungsrecht der Sorgeberechtigten. Das Erziehungsrecht der Eltern überwiegt vereinfacht gesagt das Recht der Kinder, bis diese grundrechtsmündig sind. Anders als bei der Geschäftsfähigkeit kann die bezüglich des Alters recht flexibel sein.
Zum Beispiel haben Eltern das Recht, ihr Kind taufen zu lassen. Die sogenannte Religionsmündigkeit setzt erst mit 14 Jahren ein. Danach können sich Jugendliche auch gegen den Willen der Eltern von der Kirche verabschieden. Bei Piercings oder Tätowierungen gehen die Meinungen etwas auseinander; allerdings wird Kindern unter 16 Jahren selten die Grundrechtsmündigkeit für die Gestaltung ihres Körpers zugestanden. Je älter ein Kind wird, desto mehr Einsichtsfähigkeit schreibt man ihm zu und desto mehr kollidiert der Kindeswille mit dem Erziehungsrecht der Eltern.
Und wie sieht es in Sachen Persönlichkeitsrecht aus?
Wer die Bilder seines Kindes im Netz veröffentlicht, greift damit in deren Persönlichkeitsrechte ein. Eine Altersgrenze, ab wann Kinder selbst über ihr Persönlichkeitsrecht entscheiden dürfen, besteht nicht. Es kommt hier auf die sogenannte Einsichtsfähigkeit an. Bei Kindern, die bereits einsichtsfähig sind, können Eltern einfach nachfragen, ob das mit den Fotos klar geht. Sie können mit ihren Kindern sogar gemeinsam die Bilder aussuchen, die ins Internet können. Das dürfte bei Kindern ab 13, 14 Jahren gut funktionieren. Bei jüngeren Kindern dürfte die Fähigkeit fehlen, zu begreifen, was es bedeutet, ein Foto im Internet zu veröffentlichen.
Und beim zweijährigen Sohnemann? Hier wird man eher vergebens auf eine Antwort hoffen können. Das ist allerdings kein Freifahrtschein!
Nur, weil ein Kind die Grundrechtsmündigkeit in Bezug auf sein Persönlichkeitsrecht noch nicht erreicht hat, bedeutet das nicht, dass die Eltern schalten und walten dürfen, wie es ihnen passt. Die Aufgabe der Eltern besteht darin, für ihre Kinder abzuwägen.
Viele Likes vs. Vernunft
Auch wenn Kinderfotos viele „Likes“ und „Och wie süß“-Kommentare bringen, sollten Eltern hier nicht über, sondern für ihre Kinder entscheiden. Finden die groß gewordenen Kinder die Bildersammlung im Netz später nicht lustig, wird es für sie schwer sein, die Bilder wieder aus dem Internet zu entfernen. Ein Facebook-Profil mit über hundert Freunden ist eben nicht der engste Freundeskreis, dem man mal die Bildersammlung auf dem Smartphone zeigt. Im Grunde genommen gibt es für jemanden, der sein Profil nicht auf den Kernkreis an Familie und Freunden beschränkt, kaum eine sinnvolle Rechtfertigung, all die süßen Kinderfotos online zu stellen.
Im Zweifel sollten sich Eltern fragen, ob sie ihr Kinderfoto auch mit stolz geschwellter Brust jeder Person im Supermarkt um die Ecke unter die Nase halten würden. Wobei der Vergleich etwas hinkt. Im Netz können die Fotos von anderen permanent und immer wieder hervorgeholt werden. Daher sollten sich Eltern eher die Frage stellen, ob sie Fotos ihrer Kinder auch an Laternenpfähle in der Straße hängen würden.
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