Das Wort Marktplatz leitet sich aus dem lateinischen von mercatus ab und bedeutet nichts anderes, als: Handelsplatz. Ursprünglich handelte es sich dabei um einen Ort, der im Schnittpunkt von Handelsstraßen liegt.
Dort tummelten sich damals, wie auch heute in der virtuellen Welt, sowohl Händler als auch Käufer. Wo viele Menschen, Waren und Geld zusammenkommen, zeigt sich oft, wie nahe Recht und Unrecht beieinanderliegen. In diesem Beitrag soll es nun um drei kleine Geschichten und deren strafrechtliche Bewertung gehen. Alle haben eine Gemeinsamkeit: Im Zentrum steht ein Marktplatz.
Die Hintergrundgeschichten sind an reale Fälle angelehnt. Namen und ausschmückende Details wurden verändert; an der juristischen Beurteilung ändert sich dadurch allerdings nichts.
Die eiserne Elle von Aschersleben
In Aschersleben trieb einst der findige Händler Tobias Lutterbusch sein Unwesen. Dieser war als Tuchhändler bekannt und bot seine Waren auf dem Markt feil. Allerdings wunderte sich so manche Marktfrau, dass die Tücher mit der Zeit kürzer wurden. Als diese sich bei dem Marktmeister beschwerten, verwarnte er Tobias Lutterbusch. Dieser gab allerdings an, dass seine Elle wohl in der Sonne eingetrocknet sein müsse, weswegen sie nun kürzer als vorher sei.
Doch selbst die Verwarnung durch den Marktmeister ließ Lutterbusch nicht ehrlich werden und so machte er weiter wie bisher. Wieder wurden die Tücher kürzer – und die Konsequenzen härter.
Diesmal sollte Lutterbusch festgenommen werden. Nach einer missglückten Flucht konnte der Betrüger von zwei Stadtknechten gefangen und seiner gerechten Strafe zugeführt werden: Sechs Stunden musste er am Pranger bei der Ecke vor dem Rathaus ausharren und wurde von so mancher Marktfrau mit Abfall beworfen. Danach versprach Tobias Lutterbusch, nie mehr zu betrügen. Damit nie wieder ein Tuchmacher seine Kunden hintergehen konnte, lies der Marktmeister eine eiserne Elle herstellen. Diese hängt noch heute am Rathaus von Aschersleben. Daneben erinnert ein Spruch an die Konsequenzen von Betrug:
„Gut Maß und Gewicht in Korb und Kann'
will für ein Geld sein Jeder han.
Wer frevelt, der soll büßen
in Schellen an Hand und Füßen.“
Früher wie heute tummeln sich auf Marktplätzen so manche Betrüger. Auch ein vertieftender Blick auf das mittelalterliche Marktgeschehen offenbart so manche Ähnlichkeit: So besaß jeder Markt seine eigene Rechtsordnung, deren Einhaltung durch den Marktmeister überwacht wurde. Diese Rechtsordnung garantierte unter anderem auch den sogenannten Marktfrieden. Dieser war Voraussetzung, um überhaupt einen Markt abhalten zu dürfen.
Gänzlich anders sind natürlich die Strafen beim Verstoß gegen die Marktordnung: Die Strafe, die Lutterbusch über sich ergehen lassen musste, zählt zu den Ehrenstrafen. Der Pranger ist dabei der echte Klassiker und leitet sich von dem Wort „prangen“ ab, was „drücken“ bedeutet. Mancherorts nannte man ihn auch Kaak, von „gaffen“, oder Schreiat, was so viel wie „Ort des Beschreiens“ bedeutet.
Wer heutzutage gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Marktplätzen verstößt, fürchtet sich vor allem vor der Kontensperrung.
Ein Paket voller Erde
Maria staunte nicht schlecht, als sie das retournierte Paket im Amazon-Lager in Barcelona öffnete. Statt des erwarteten iPhones fand sie lediglich ein Häufchen Erde. Doch: Wieso lag die Erde dort im Paket? Hier kommt die Geschichte dahinter:
Es heißt, dass einen ein helles Köpfchen nicht weiterbringt, wenn man in der falschen Wiege gelegen hat. Das dürfte eine einfache Tatsache sein, die auch auf Adriano und Dario aus Spanien anzuwenden ist. Als Söhne von wohlhabenden Familien hätten die beiden sicherlich ein ansehnliches Geschäft aufziehen können. So brachten sie es lediglich zu einem Eintrag in dieser kleinen Kriminalgeschichte hier.
Adriano und Dario versuchten schon seit längerer Zeit, Geld zu verdienen. Schließlich kam den beiden die Idee, die Amazon um mehrere Hunderttausend Euro erleichterte. Den beiden war eine Besonderheit bekannt: Amazon überprüft retournierte Pakete für gewöhnlich nur anhand des Gewichts. Also bestellten die beiden hochwertige Geräte, wie etwa iPhones, wogen die Pakete, entnahmen die Produkte, füllten Erde in die Verpackung – und lösten die Retour aus. Amazon erstattete den Kaufpreis und die beiden gründeten nebenbei ihre eigene Firma, um die Geräte zu verkaufen. 330.000 Euro später flog der Schwindel dann auf.
Betrug oder Diebstahl? – Das ist bei diesem Fall die Gretchenfrage, mit der sich bereits Juristen im frühen Studium beschäftigen müssen. Der Unterschied liegt hier in der Tathandlung. Während beim Diebstahl eine fremde Sache weggenommen wird, findet beim Betrug eine freiwillige irrtumsbedingte Herausgabe der Sache statt. Nun könnte man ganz einfach sagen: Naja, Amazon hat die Produkte in dem Irrglauben, es mit ehrlichen Käufern zu tun zu haben, freiwillig herausgegeben. Andererseits könnte der spitzfindige Jurist anmerken, dass die beiden die Produkte als Verbraucher erworben haben und Amazon die Handys im Rahmen des bestehenden Widerrufsrechts zur Verfügung gestellt hat, um die Waren zu prüfen. Diese Konstellation erinnert an einen typischen Übungsfall aus dem Jurastudium:
Der findige T besucht einen Juwelier und lässt sich einen Ring zeigen. Um diesen genauer begutachten zu können, erlaubt der Juwelier dem T, mit dem Ring vor die Tür zu gehen, um ihn im Tageslicht zu begutachten. Als der T ins Freie tritt, flüchtet er mit dem Ring.
In diesem Fall ist der Trickbetrug eigentlich ein Trickdiebstahl, denn: Der Juwelier hat den Ring – im juristischen Sinne – nicht übergeben, sondern lediglich das Gewahrsam über den Ring etwas gelockert, um dem T die Beschaffenheitsprüfung zu ermöglichen. Klingt ein wenig wie das Widerrufsrecht, oder nicht?
Ob das spanische Duo nun betrügerische Diebe oder diebische Betrüger sind – darüber könnten Juristen also Aufsätze schreiben. Wie der Fall ausgegangen ist, entzieht sich leider unserer Kenntnis. Bekannt ist nur, dass den beiden für diese Straftat mit Sicherheit nicht der Pranger, wohl aber das Gefängnis droht.
Skandal im Sperrbezirk: Prostitution über Netz
Marianne steht mit ihren lieblichen 18 Jahren kurz vor dem Abitur und eines ist klar: Sie will studieren! Ihr Traumberuf ist Chirurgin; allerdings ist der Weg dahin lang und vor allem teuer. Etwas Weiteres ist ihr ebenso klar: Das Medizinstudium wird ihr kaum genug Freiraum für einen Studentenjob lassen. Bleibt nur ein Bildungskredit. Allerdings schreckt sie hier das Abzahlen auf Jahre hinweg ab. Ihre Eltern bemühen sich um Unterstützung, doch für mehr als ein kleines Taschengeld reicht es nicht.
Eines hat Marianne jedoch, was für manch einen Mann äußerst wertvoll ist: ihre Jungfräulichkeit. Genau diese bietet sie nun auf einer Plattform im Internet feil – und das mit Erfolg.
Dass es neben den Plattformen Ebay und Amazon, auf denen es vor allem um den Verkauf von Waren geht, noch andere Marktplätze gibt, die sich auf Dienstleistungen spezialisiert haben, ist bekannt. So können sich Frauen über Seiten wie Cinderella-Escorts prostituieren und ihre Dienste an den Meistbietenden verkaufen. Die Meinungen über solche Angebote gehen mit Sicherheit weit auseinander; juristisch gesehen offenbart sich hier allerdings ein spannender Fakt aus unserem Rechtssystem.
Grundsätzlich ist Prostitution nicht verboten. Sie unterliegt allerdings Einschränkungen: So dürfen Landesregierungen „zum Schutz der Jugend oder des öffentlichen Anstandes“ (Art. 297 EGStGB) Sperrbezirke einrichten. Beispielsweise darf Prostitution auf bestimmten Wegen und Plätzen verboten werden. Nun muss man aber wissen, dass dazu dann nicht nur die Dienstleistung an sich zählt, sondern auch die Anbahnung einer solchen. Sprich: Bereits die Kontaktaufnahme zwischen einer oder einem Prostituierten und der Kundschaft ist in solchen Sperrbezirken ein Tabu. Wer dagegen verstößt, erfüllt den Tatbestand des § 184f StGB:
„Wer einem durch Rechtsverordnung erlassenen Verbot, der Prostitution an bestimmten Orten überhaupt oder zu bestimmten Tageszeiten nachzugehen, beharrlich zuwiderhandelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen bestraft.“
Nun ist es aber so, dass die Kontaktaufnahme in der heutigen Zeit eher virtuell stattfindet. Das ist erst Recht der Fall, wenn die Dienstleistung online angeboten wird. Hier könnte nun die Frage gestellt werden, ob es denn rechtens ist, eine solch moderne Form der Kontaktaufnahme zu tätigen, wenn man mit seinem Empfangs- und Sendegerät in einer solchen Sperrzone hockt.
Liest man nur den Wortlaut des Gesetzes, müsste man sagen: Ja, denn hier steht etwas von Prostitution, zu der auch der Erstkontakt zählt. Nach dem Wie der Kontaktaufnahme wird nicht unterschieden. Allerdings ist dieses Ergebnis irgendwie krumm und fühlt sich falsch an. Weiterhelfen kann allerdings hier ein Werkzeug der Juristen: die teleologische Auslegung. Anders gesagt: Man fragt nach Sinn und Zweck des Gesetzes.
Die Einrichtung von Sperrbezirken soll dem Schutz der Jugend oder des öffentlichen Anstandes dienen. Es soll also niemand durch den Anblick von Prostitution belästigt oder verstört werden. Da beim Beantworten von E-Mails eher selten jemand anderes zusieht, können Angebote auf solchen Plattformen auch aus einem Sperrbezirk heraus getätigt werden.
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