1. Hintergrund: Wann und warum der Hinweis auf die alternative Streitbeilegung notwendig ist
2. Hinweis zur alternativen Streitbeilegung
3. Die Universalschlichtungsstelle: Eine weitere Instanz für Verbraucher?
4. Wie ein Gericht, nur günstiger
5. 3-Wochen-Fiktion: Kostenfalle oder Stolperstein?
Das Thema der alternativen Streitbeilegung wird bei Online-Händlern eher stiefmütterlich behandelt. Schließlich handelt es sich bei dem Hinweis, inwiefern Unternehmer bereit sind, an einem solchen Schlichtungsverfahren teilzunehmen, um eine weitere lästige Informationspflicht, die erfüllt werden muss. Der Umstand, dass die Kosten der alternativen Streitbeilegung dabei vom Unternehmer zu tragen sind, trägt zusätzlich nicht gerade zum guten Ruf bei.
Dabei handelt es sich bei der alternativen Streitbeilegung um eine Option, über die Unternehmer ernsthaft nachdenken sollten.
Hintergrund: Wann und warum der Hinweis auf die alternative Streitbeilegung notwendig ist
Die Pflicht, einen klickbaren Link auf die Online-Streitbeilegungsplattform der EU (kurz: OS-Link) anzugeben, und der Hinweis zur alternativen Streitbeilegung werden oft in einen Topf geworfen. Eigentlich handelt es sich aber um zwei voneinander unabhängige Pflichten. Die Pflicht, den OS-Link anzugeben, kommt aus der Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten (ODR-Verordnung) und trifft ohne Ausnahme jeden Unternehmer, der im Netz unterwegs ist.
Der Hinweis, inwiefern man bereit ist, an einem außergerichtlichen Schlichtungsverfahren teilzunehmen, kommt hingegen ursprünglich aus der Richtlinie über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten (ADR-Richtlinie), die ihre Umsetzung im Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) findet. Während bestimmte Gewerbe (zum Beispiel Stromanbieter) prinzipiell dazu verpflichtet sind, an einem alternativen Streitbeilegungsverfahren teilzunehmen und diese Pflicht auch mit einem Hinweis auf der Webseite offenbaren müssen, sieht es bei Händlern in aller Regel anders aus: Von einer Hinweispflicht gemäß § 36 VSBG sind diese erst betroffen, wenn sie am 31.12. des Vorjahres mehr als 10 Beschäftigte haben. Erst dann müssen Online-Händler angeben, ob sie bereit sind, an einem alternativen Schlichtungsverfahren teilzunehmen.
Hinweis zur alternativen Streitbeilegung
Händler haben folgende drei Möglichkeiten, um über die eigene Teilnahme am alternativen Schlichtungsverfahren zu informieren. Der Hinweis nach § 36 VSBG gehört wie auch der OS-Link in das Impressum. Zusätzlich gehört der Hinweis auch in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wenn solche verwendet werden.
1) Sie können erklären, dass sie nicht dazu bereit sind, an einem Verfahren vor einer alternativen Schlichtungsstelle teilzunehmen. Das bedeutet aber nicht, dass diese Tür prinzipiell verschlossen bleibt. Regt ein Verbraucher ein Verfahren an, so können die Unternehmen frei entscheiden, ob sie diesen Weg gehen wollen – oder eben nicht. Außerdem können die Händler im Falle eines Problemes dem Verbraucher einen Antrag auf Schlichtung nahe legen. Diese Möglichkeit haben Händler auch dann, wenn sie sich nicht zu einer Teilnahme bereit erklärt haben. Sollte es dazu kommen, dass der Unternehmer das Problem mit dem Kunden nicht lösen kann, ist er ohnehin dazu verpflichtet, den Verbraucher nach § 37 VSBG „auf eine für ihn zuständige Verbraucherschlichtungsstelle unter Angabe von deren Anschrift und Webseite hinzuweisen“.
2) Sie können formulieren, dass die Bereitschaft besteht, ohne dabei eine konkrete Stelle zu benennen. Etwas anderes gilt hier übrigens für Anbieter, die zur Teilnahme verpflichtet sind. So müssen beispielsweise Stromanbieter immer eine konkrete Stelle benennen. Wendet sich ein Verbraucher im Streitfall dann beispielsweise an die Universalschlichtungsstelle, kann sich der Händler hier frei entscheiden, ob er damit einverstanden ist. Lehnt er seine Teilnahme innerhalb einer bestimmten Frist ab, entstehen keine Kosten.
3) Sie können angeben, dass sie mit der Teilnahme an einer Schlichtung vor einer konkreten Stelle, wie zum Beispiel der Universalschlichtungsstelle, bereit sind. Auf die Folgen dieses Hinweises wird im Abschnitt „Wer A sagt, muss auch B sagen“ eingegangen.
In jedem Fall sollten Händler eine eindeutige Formulierung wählen. Zusätze, wie „prinzipiell bereit“ oder „grundsätzlich bereit“ sorgen nur für Unsicherheit beim Leser und können zudem abgemahnt werden.
Die Universalschlichtungsstelle: Eine weitere Instanz für Verbraucher?
Das Gesetz über die alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen (VSBG) regelt das Verfahren vor der Universalschlichtungsstelle. Oft herrscht das Vorurteil, dass es sich dabei lediglich um eine weitere Stelle handelt, die sich für die Rechte von Verbrauchern stark macht. Dem ist aber nicht so. „Die Universalschlichtungsstelle schaltet sich als objektive Stelle ein und bewertet den Sachverhalt rechtlich anhand der vorgebrachten Tatsachen”, erklärt uns dazu Felix Braun, Leiter der Stelle. Dabei arbeiten die Schlichter unbefangen, unparteiisch und unabhängig. Je nachdem, wie sich die Sachlage darstellt, kann der Fall also sowohl zugunsten des Verbrauchers als auch des Unternehmens ausfallen.
Wie ein Gericht, nur günstiger
In diesem Sinne übernimmt die Universalschlichtungsstelle dabei eine ähnliche Rolle, wie ein Gericht, ist dabei aber auch günstiger. Während ein Gerichtsverfahren abhängig vom Streitwert schnell in den vierstelligen Bereich wandern kann, betragen die Kosten vor der Universalschlichtungsstelle zwischen 40 bis 800 Euro (§ 6 Universalschlichtungsstellenverordnung). Die Höhe der Gebühr richtet sich auch hier nach dem Streitwert. Die höchste Gebühr von 800 Euro wird allerdings erst bei einem Streitwert von 30.000,01 Euro veranschlagt. Es gibt auch Ermäßigungen in bestimmten Konstellationen, etwa bei einem Anerkenntnis oder wenn der Verbraucher das Verfahren vorzeitig beendet. Zum Vergleich: Bei gleichem Streitwert beträgt das Kostenrisiko in einem Gerichtsverfahren rund 7.000 Euro.
Während beim Gerichtsverfahren allerdings bis zum Urteil offen ist, wer unterliegt und damit die Kosten trägt, kann der Unternehmer bei der alternativen Streitbeilegung von Anfang an das Kostenrisiko kalkulieren.
Anders als bei einem Gerichtsverfahren, muss das Verfahren vor der Universalschlichtungsstelle allerdings vom Verbraucher angestoßen werden. Nur dann schalten sich die Schlichter ein. „Allerdings kann der Unternehmer den Verbraucher im Streitfall auch auf die Schlichtungsstelle aufmerksam machen“, erläutert Braun weiter. Das ist immer dann denkbar, wenn der Unternehmer bei einem Konflikt mit dem Kunden einfach nicht weiter kommt. Dabei ist übrigens komplett irrelevant, wie viele Mitarbeiter das Unternehmen beschäftigt oder ob die Bereitschaft zur Teilnahme an so einem Verfahren in den AGB kommuniziert wurde.
3-Wochen-Fiktion: Kostenfalle oder Stolperstein?
Auf eine Sache macht Felix Braun allerdings aufmerksam: die 3-Wochen-Fiktion. Dabei handelt es sich um eine Besonderheit im VSBG, die unnötigerweise Kosten auf Seiten des Unternehmers verursachen kann.
„Von der Bereitschaft des Unternehmers ist auch dann auszugehen, wenn er zwar keine Teilnahmebereitschaft nach Satz 1 (s. unten „Wer A sagt, muss auch B sagen!“) erklärt hat, aber die Teilnahme am Verfahren nicht innerhalb von drei Wochen ablehnt, nachdem ihm der Antrag des Verbrauchers von der Universalschlichtungsstelle des Bundes übermittelt worden ist“, heißt es dazu in § 30 Abs. 6 S. 2 VSBG.
Das bedeutet in der Praxis: Ein Unternehmer hat auf seiner Online-Präsenz erklärt, dass er prinzipiell nicht dazu bereit ist, an einem alternativen Streitbeilegungsverfahren teilzunehmen. Nun kommt es zum Streit mit einem Verbraucher, der einen Antrag auf Schlichtung bei der Universalschlichtungsstelle stellt. Diese sendet eine Mitteilung an den Unternehmer, der allerdings nicht reagiert. Nach drei Wochen geht die Schlichtungsstelle davon aus, dass der Unternehmer mit der Durchführung der alternativen Streitbeilegung einverstanden ist. Unabhängig davon, ob der Unternehmer nun noch aktiv an der Schlichtung mitwirkt, entstehen Kosten, die das Unternehmen zu tragen hat. Wirkt der Unternehmer nicht mit, kann die Schlichtungsstelle auf Grundlage der durch den Verbraucher eingebrachten Tatsachen entscheiden.
Was erst einmal wie eine Kostenfalle wirkt, ist für Unternehmer meistens aber eher ein kleiner Stolperstein mit Hinweisschild: Die Universalschlichtungsstelle schickt dem Unternehmer nicht nur einen Brief, in dem der Unternehmer über den Schlichtungsantrag des Verbraucher informiert wird; dem Schreiben liegt außerdem ein auffallend blauer Brief bei, in dem genau auf die 3-Wochen-Fiktion hingewiesen wird. Das ist aber noch nicht alles: „Hören wir nichts weiter, kontaktieren wir den Unternehmer wenn möglich sogar telefonisch vor Ablauf der Frist“, beschreibt Felix Braun weiter die Vorgehensweise.
Bis auf Weiteres wird in der Corona-Krise die 3-Wochen-Fiktion so ausgelegt, dass Unternehmer hierdurch nicht zusätzlich in dieser Krise belastet werden. Dies wird jedoch nicht immer so bleiben, so dass sich Aufmerksamkeit empfiehlt.
Wer A sagt, muss auch B sagen
Wer allerdings in seinen AGB erklärt hat, dass er prinzipiell dazu bereit ist, an Verfahren vor der Universalschlichtungsstelle teilzunehmen (Variante 3 der oben genannten Hinweismöglichkeiten), für den gilt keine Frist: Stellt der Verbraucher den Antrag, wird in diesem Fall automatisch davon ausgegangen, dass der Unternehmer mitwirken will. Und damit fallen Gebühren an. Schließlich hat er diese Bereitschaft öffentlich kundgetan.
Wer prinzipiell nichts gegen außergerichtliche Schlichtungsverfahren einzuwenden hat, aber nicht sofort durch Antrag des Verbrauchers diese Verbindlichkeit eingehen möchte, darf in seinem Hinweis also nicht schreiben, dass er mit einem Schlichtungsverfahren vor der Universalschlichtungsstelle einverstanden ist. Vielmehr muss sich der Hinweis allgemein darauf beziehen, vor einer Verbraucherschlichtungsstelle zu einem Verfahren bereit zu sein. Geeignet dürfte beispielsweise der Textbaustein, der vom Händlerbund zur Verfügung gestellt wird, sein, jedenfalls ist noch keine entgegenstehende Rechtsprechung bekannt.
Entscheidung nach Rechtslage
Wie eingangs erwähnt, handelt es sich bei der Universalschlichtungsstelle um eine objektive Anlaufstelle zur Streitschlichtung. Die Entscheidung über einen Sachverhalt wird hier nicht Pi mal Daumen gefällt, sondern anhand der konkreten Rechtslage. Das bedeutet, dass beide Seiten angehört werden und ihre Sicht der Dinge schildern können. Untermauert werden kann diese Schilderung durch Beweise, wie zum Beispiel Rechnungen oder den E-Mail-Verlauf mit dem Kunden.
Am Ende steht ein Schlichtungsvorschlag im Raum. Ob die Parteien diesen annehmen, bleibt vollkommen ihnen überlassen, denn: Rechtlich bindend ist dieser nicht. Bevor der Online-Händler im Streitfall aber einen Gang vor Gericht in Erwägung zieht, kann er das Verfahren vor der Universalschlichtungsstelle auch als kostengünstigen Gradmesser sehen. Entscheidet die Schlichtungsstelle zugunsten des Händlers und weigert sich der Kunde noch immer, die Rechtslage anzuerkennen, bleibt der Weg zum Gericht in jedem Fall geöffnet.
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Das dürfte wohl einer der Top-Gründe sein, warum sich nur sehr wenige Unternehmer für diese Schlichtungsste lle entscheiden und das stattdessen lieber von vorn herein vollständig verneinen.
Es ist so schade. Unternehmer werden für solche Formulierungen abgemahnt, während diese Sprech- und Schreibweise in der Politik Usus ist.
Da kümmert sich keiner drum, oder anders formuliert: Da trauen sich die Abmahner nicht ran?!
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Antwort der Redaktion
Hallo Susanne,
wie geschildert kann jeder Händler für jedenfall individuell entscheiden, ob er sich an dem Verfahren beteiligen will. Wird das Verfahren rechtzeitig, also innerhalb der Drei-Wochen-Fri st abgelehnt, entstehen für den Händler keine Kosten. Etwas anderes gilt nur, wenn sich der Händler in seinen AGB und dem Impressum zur Teilnahme an einem Verfahren vor der Universalschlic htungsstelle bereiterklärt hat.
Beste Grüße
die Redaktion
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