Früher waren passionierte Computerspieler gesellschaftlich gesehen eher verschrobene Typen. Heute zockt fast jeder irgendwas. Auch wenn es nur Candy Crush Soda Saga ist. Computerspiele haben längst eine breites Publikum für sich erobert und sind im Mainstream angekommen. Entsprechend können Interessierte auf ein breites Spektrum zurückgreifen. Rechtlich gesehen sind vor allem sogenannte „Ballerspiele“ immer wieder in der Diskussion. Dabei gibt es noch so viel mehr, was, juristisch betrachtet, spannend ist.
Killerspiele im Kinderzimmer
Computerspiele können brutal sein. In den Ballerspielen geht es nicht selten darum, den Gegner mal mehr, mal weniger brutal zu töten. Das Thema Jugendschutz haben wir bereits an anderer Stelle auch im Zusammenhang mit der Let’s-Play-Plattform Twitch erörtert. Während man bei Filmen von einer JSK-Einstufung spricht, heißt das Kind bei Computerspielen USK. Die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle ist die verantwortliche Stelle in Deutschland, die Computerspiele, aber auch die dazugehörigen Trailer, nach Jugendschutzrecht einordnet. Aber: Wie läuft das alles ab?
Schwere Anfänge: Wenn die Kids zum Daddeln eingeladen werden
Die Altersfreigabe geschieht im Auftrag der Spielehersteller. Seit der Reform des Jugendschutzgesetzes im Jahre 2003 ist die Prüfung durch die USK verpflichtend. Spiele, die nicht geprüft wurden oder keine Jugendfreigabe erhalten haben, werden in der Regel indiziert. Beim Prüfverfahren selbst muss der Inhalt natürlich unter die Lupe genommen werden und das geschieht, indem das Spiel durchgezockt wird.
Heute stellen Spielehersteller der Stelle dafür Lösungshilfen und Zusatzmaterial zur Verfügung. Doch der Anfang war schwer. Der Ego-Shooter Wolfenstein 3D war damals eines der ersten Spiele, das geprüft werden sollte. Als die USK 1994 gegründet wurde, saßen die für die Prüfung zuständigen Angestellten etwas ratlos vor dem Computerspiel. Es musste also ein Fachmann her: Dieser kam in Gestalt eines jungen Mannes daher, der der Einrichtung zeigte, wie das mit dem Zocken funktioniert.
Urheberrecht: Wer ist der Schöpfer?
Ein modernes Computerspiel kann heutzutage recht unproblematisch als Werk im Sinne des Urheberrechts eingeschätzt werden. Schon, wenn man sich Spiele wie die Ezio-Trilogie von Assassins Creed oder The Witcher 3: Wild Hunt ansieht, wird einem klar: Da ist schon allein die Geschichte, die der Spieler durch den Charakter erlebt, ein Werk. Dazu kommt aber noch viel mehr: Die Grafik, die Musik, die Texte und auch der Code.
All das können für sich genommen Werke sein, sodass die Frage, wer eigentlich Urheber des Spiels ist, gar nicht so einfach zu beantworten ist. Der Hersteller an sich ist es zumindest nicht, denn: Urheber können nur natürliche Personen und keine Unternehmen sein. So gesehen ist das fertige Spiel ein Gesamtwerk aus einzelnen Werken mit verschiedenen Urhebern, die ihre Verwertungsrechte im Wege des Arbeitsverhältnisses allerdings vollumfänglich an den Hersteller abgeben.
Let’s Play: Die gewünschte Verletzung des Urheberrechts
Im Zusammenhang mit Let’s Plays kommt auch häufig die Frage nach dem Urheberrecht auf. Bei Let’s Plays nimmt der Spieler auf, wie er sich durch die virtuelle Welt kämpft und stellt dieses Video zur Verfügung. Teilweise wird das ganze auch auf Plattformen wie Twitch live gesendet. Streng genommen handelt es sich dabei um einen Urheberrechtsverstoß, denn: Eine Erlaubnis, sprich Lizenz, besitzen die Let’s Player selten. Allerdings müssen die Streamer hier selten mit Konsequenzen rechnen. Für die Hersteller sind solche Let’s Plays letzten Endes kostenlose Werbung.
Ist das Kunst?: Nazisymbolik
Immer wieder Teil der Debatte um Computerspiele ist der Umgang mit der NS-Zeit. In Spielen wie Wolfenstein taucht der Spieler in das Setting des zweiten Weltkrieges ein. Teil dieser Spiele ist auch die Darstellung von NS-Symbolen, wie beispielsweise das Hakenkreuz oder die SS-Rune. Laut § 86a StGB ist die Verwendung verfassungswidriger Symbole strafbar. Grundsätzlich ist dieser Tatbestand erfüllt, wenn Filme, aber auch Computerspiele, das Hakenkreuz darstellen.
Umgang in Filmen
Wieso gibt es denn dann Filme, in denen Flaggen und Uniformen mit diesen Symbolen gezeigt werden? Der Grund ist, dass Filme als kulturelles Gut, sprich Kunst, gelten. Daher werden sie im Wege der FSK nicht indiziert. Das gilt auch für Filme, die historisch nicht korrekt sind, wie beispielsweise Iron Sky, Inglourious Basterds und die Serie The Man in the High Castle.
Für Computerspiele galt dieses Privileg nicht. Hier mussten Hersteller eine extra Variante für Deutschland heraus bringen, in denen die entsprechenden Symbole verfremdet wurden. So wurde aus dem Hakenkreuz im weißen Kreis auf rotem Grund meist ein einfaches schwarzes Kreuz in der gleichen Farbkombination.
Wolfenstein-Urteil
Grundlage für diese Ansicht ist ein Urteil (Aktenzeichen: 3 Ws 107/96) aus dem Jahr 1998: Damals stand Wolfenstein 3D auf dem Prüfstand. Dieses wurde aufgrund der Nazi-Symbole indiziert. Das OLG Frankfurt bestätigte diese Entscheidung. Die Darstellung verbotener Propagandamittel sei „der Kunst oder der Wissenschaft, der Darstellung von Vorgängen des Zeitgeschehens oder der Geschichte“, vorbehalten.
Die Kehrtwende
Mittlerweile ist hier aber eine Veränderung eingetreten: Im Jahr 2018 hat die USK ihre Regeln geändert: „Through the Darkest of Times“ war das erste Spiel, welches trotz Hakenkreuzen und dem Zeigen des Hitlergruß’ veröffentlicht werden durfte. In dem Spiel taucht der Nutzer in die Rolle von Widerstandskämpfern gegen das NS-Regime ein.
Die neue Beurteilung rührt daher, dass die USK die sogenannte Sozialadäquanzklausel in die Betrachtung einbezieht. Wie bei Filmwerken überprüft die USK nun, in welchem Kontext die Symbole im Spiel verwendet werden. Die Wolfenstein-Rechtsprechung gilt hingegen mittlerweile als veraltet.
Steam – kaufen, spielen, weiterverkaufen?
Spielehüllen, die die Regale der heimischen Wohnzimmer sprengen, sind heute eher eine Seltenheit. Anbieter wie Steam ermöglichen es, eine rein virtuelle Spielothek zu pflegen. Der Gamer legt sich dafür einen Account an, kauft das Spiel und kann es direkt auf seinen PC oder die Konsole downloaden.
Und was ist, wenn man das Spiel durchgezockt hat? Früher ging es mit der – hoffentlich noch vorhandenen Originalverpackung – auf den Markt für gebrauchte Spiele. Bisher ist der Weiterverkauf von Spielen auf der Plattform Steam nicht möglich. Das könnte sich aber bald ändern: Im September 2019 hat ein Pariser Gericht festgestellt, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Steam hier gegen das EU-Recht verstoßen. Nutzern muss es nach dem Urteil möglich sein, auf Steam erworbene Spiele weiterzuveräußern. Allerdings hatte Steam-Eigentümer Valve gegen das Urteil Rechtsmittel eingelegt. Hier muss also abgewartet werden, was final bei dem Streit heraus kommt.
Glücksspiel im Online-Game – die Lootbox
Mit einer Lootbox sollen Spieler dazu animiert werden, echtes Geld in Online-Spielen auszugeben. Dabei erwirbt der Spieler Boxen, ohne deren Inhalt zu kennen. In den Boxen kann sich alles mögliche befinden: Von Basis-Items, die kaum einen Effekt haben, bis hin zu Premium-Ausrüstung, die dem Spieler einen echten Vorteil verschafft, kann alles drin sein. Dabei sind die wertvollen Gegenstände zwar selten in einer solchen Lootbox enthalten, kommen aber so oft vor, dass der Spieler zumindest daran glaubt, Glück haben zu können.
Funfact: Bei „Counter-Strike: Global Offensive” erhielt ein Spieler über so eine Lootbox einen Gegenstand, der später für 60.000 US-Dollar den Besitzer wechselte.
Fassen wir zusammen: Der Spieler zahlt Geld und bekommt mit etwas Glück etwas sehr nützliches. Der Erfolg ist schlicht und ergreifend vom Zufall abhängig. Erinnert ein wenig an Glücksspiel. Wenn der Erwerb von Lootboxen mit Glücksspiel gleichzusetzen wäre, hätten Spielemacher ein echtes Problem: Zum einen dürften sie die Boxen nicht an unter 18-Jährige verkaufen, zum anderen ist Glücksspiel aufgrund des Suchtpotentials streng geregelt. Ab Mitte 2021 soll Online-Glücksspiel zwar bundesweit erlaubt sein; allerdings werden Anbieter hier sehr wahrscheinlich eine Genehmigung benötigen und Auflagen erfüllen müssen.
Die Frage, ob solche Lootboxen Glückspiel darstellen und damit illegal sind, lässt sich nicht einfach beantworten. Von einem Glücksspiel sprechen Juristen immer dann, wenn eine Gewinnchance, die von einem zufälligen Ereignis abhängt, gegen ein Entgelt angeboten wird. Es kommt also entscheidend darauf an, ob der Inhalt der Lootboxen als Gewinn einzustufen ist.
Das kann der Fall sein, wenn
- dieselben Gegenstände innerhalb des Spiels auch einzeln gegen Echtgeld gekauft werden können oder
- wenn die erhaltenen Gegenstände aus der Box auf Plattformen mit dem Einverständnis des Herstellers gegen reales Geld gehandelt werden dürfen.
Wie man sieht, kommt es hier wie immer auf den Einzelfall an. Die Diskussion ist übrigens nicht neu: Bereits in den 90ern spalteten die Pokemon-Sammelkarten die Meinungen. Bei Sammelkarten erwirbt der Käufer ein Päckchen mit zumeist fünf bis zehn zufälligen Karten. Irgendwann fingen die Hersteller an, besonders seltene, sogenannte legendäre Karten reinzumischen. Hier ergab sich auch schnell die Frage, ob die Möglichkeit, eine besonders seltene, wertvolle Karte zu erhalten, aus dem Sammelkartenspiel nicht auch ein (illegales) Glücksspiel macht.
Es gilt jedenfalls als nicht unproblematisch, bereits Kinder zum Kauf von Sachen zu animieren, bei denen der Überraschungseffekt im Mittelpunkt steht. Dies könne das Entstehen einer Spielsucht bereits früh begünstigen.
Wenn das Kind für 500 Euro Pokebälle kauft...
À pro pos Kinder, Spiele und Geld: Gerade die Spiele, die es für Smartphones gibt, sind auf ein jüngeres Publikum ausgelegt. Beispielhaft kann hier an Pokemon Go und Fortnite gedacht werden. Beide Spiele haben gemeinsam, dass hier gegen Echtgeld virtuelles Equipment erworben werden kann. Kinder, die noch über kein eigenes Konto verfügen, daddeln entweder über das Handy der Eltern oder aber die Bezahldaten eben jener sind irgendwie auf dem Handy des Sprösslings hinterlegt.
Wie auch immer es dazu kommt: Hin und wieder hört man von Berichten von Eltern, die aus allen Wolken fallen, wenn sie sehen, wie viel Geld das Kind für Pixel ausgegeben hat. Häufig folgt die Frage: Und nun?
Geschäftsfähigkeit von Kindern
Grundsätzlich sind Kinder bis zur Vollendung des siebten Lebensjahres nicht geschäftsfähig. Das bedeutet, dass sie keine wirksamen Verträge schließen können. Ein Minderjähriger, der das siebte Lebensjahr vollendet hat, ist hingegen beschränkt geschäftsfähig. Die Wirksamkeit seiner Verträge hängt von der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters ab. Dieser kann Verträge auch noch im Nachgang genehmigen – oder eben nicht. Werden Verträge nicht genehmigt, gelten sie als nicht geschlossen.
Eine Ausnahme bietet der sogenannte Taschengeldparagraph, § 110 BGB: Bekommt Junior Taschengeld, darf er damit machen, was er möchte, solang die Ausgabe vom Zweck gedeckt ist. Wollen die Eltern nicht, dass Junior sich mit dem Taschengeld Pornohefte holt, bedarf dieser Kauf wieder der Genehmigung. Ist das Taschengeld hingegen dafür gedacht, um im Sommer den Freibadbesuch zu verwirklichen, ist für diese Ausgabe keine Einwilligung notwendig.
Allerdings gibt es in Sachen In-App-Käufe einen Haken: Diese werden meist auf Rechnung getätigt. Der Kauf auf Rechnung ist aber gerade nicht vom Taschengeldparagraphen gedeckt. Daher müssen Käufe in Spielen meist von den Eltern gestattet werden. Erfolgt keine Einwilligung, so ist der Kaufvertrag bis zur Genehmigung durch die Eltern schwebend unwirksam.
Kind nutzt Account der Eltern
Etwas anders sieht die Sache aus, wenn das Kind nicht seinen eigenen Account nutzt, sondern den der Eltern. Hier ist es so, dass der Spieleanbieter gar nicht erkennen kann, dass er gerade versucht, einen Vertrag mit einem Kind zu schließen. Es ist so, dass das Kind unter dem Namen der Eltern einen Vertrag schließen möchte. Hier ist der Vertrag nur dann verbindlich, wenn die Eltern sich vom Kind vertreten lassen.
Doch Vorsicht: Auch wenn die Eltern nicht mit der Vertretung einverstanden sind, können sich hier Ersatzansprüche des Spieleanbieters ergeben. Dies kommt vor allem dann in Betracht, wenn die Eltern ihre Sorgfaltspflichten verletzt haben.
Product-Placement
Jeder kennt den Hinweis: „Diese Sendung wurde durch Product-Placement finanziert.“ Die Rede ist von Marken, die über Product-Placement auf den heimischen Fernseher gelangen. Aus Kinofilmen ist das ganze ebenso bekannt. Hier stellen Hersteller die Produkte meist kostenlos zur Verfügung. So können die Actionhelden immer die neusten Automodelle zu Schrott fahren.
Die Werbung ist schon längst in Computerspielen angekommen: So machte auch schon Barack Obama Wahlwerbung in einem Spiel. Anders als im TV muss das Product Placement aber nicht gekennzeichnet werden. Das liegt daran, dass die Regeln der Produktplatzierung im Rundfunkstaatsvertrag geregelt sind und dieser gilt nicht für Games. Übrigens müssen auch Filmemacher keine Kennzeichnung vornehmen. Sie haben – wie Spielehersteller auch – die Freiheit, selbst entscheiden zu können, inwiefern sie mit der Industrie kooperieren wollen.
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