Das Gesetz für den fairen Wettbewerb hat sich die Vermeidung von Abmahnmissbrauch zur Aufgabe gemacht. Nachdem es um das Gesetz, das viele Online-Händler herbeisehnen, nun längere Zeit ruhig war, ist wieder Schwung in den Gesetzgebungsprozess gekommen. Fest steht: Betrachtet man den aktuellen Entwurf, wird es in der Zukunft zu einigen Änderungen kommen. Inwiefern das Gesetz aber tatsächlich in der Lage ist, den Abmahnmissbrauch wirksam einzudämmen, das wird zur Zeit debattiert und von diversen Seiten durchaus kritisch gesehen.
Am Gesetzgebungsprozess beteiligt ist auch Dr. Manuela Rottmann (Bündnis90/Die Grünen). Sie ist Mitglied und Obfrau im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, in dem das Gesetz maßgeblich behandelt wurde. Wir haben mit Frau Rottmann über das Gesetz für den fairen Wettbewerb, die Gesetzgebung und die Auswirkungen auf den Abmahnmissbrauch gesprochen.
Gesetz zur Förderung des fairen Wettbewerbs – Was sagen Sie, Frau Dr. Rottmann?
Wie bewerten Sie die Einigung der Regierungsfraktionen? Wie erklären Sie sich die lange Zeit, in der das Gesetz seit letztem Oktober von der Bildfläche verschwunden war?
Dr. Manuela Rottmann: Die lange Beratungsdauer innerhalb der Regierungsfraktionen hätte die Hoffnung nähren können, dass die Einwände gegen die Praktikabilität des Entwurfs noch gehört werden. Man hätte die lange Beratungszeit zu diesem Gesetz gut nutzen können, um endlich eine unabhängige Untersuchung über den tatsächlichen Umfang und die Erscheinungsform von Abmahnmissbrauch in Auftrag zu geben, vor allem im Hinblick auf das Dunkelfeld, das nie vor Gericht landet. Tatsächlich haben sich die Fraktionen aber offenbar vor allem damit befasst, wie die nach Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung befürchtete Abmahnwelle verhindert werden kann – eine Befürchtung, die sich, nach allem was wir wissen, bislang nicht verwirklicht hat.
Welche Änderungen gibt es im Gesetzestext unter Berücksichtigung des Änderungsantrags der Koalitionsfraktionen im Vergleich zum Regierungsentwurf?
Dr. Manuela Rottmann: Unter anderem werden die fliegenden Gerichtsstände zum Teil eingeschränkt, § 14 Absatz 2 UWG-E – dies ist ein Fortschritt. Anstelle von Regelbeispielen gelten im § 8c UWG-E und § 2b UKlaG-E jetzt Vermutungsregelungen, wonach bei den aufgelisteten, jedoch nicht abschließenden Konstellationen im Zweifel eine missbräuchliche Abmahnung angenommen wird, durch Gegenbeweis jedoch widerlegt werden kann. Dies ist eine kleine Verbesserung. Sie löst jedoch nicht das Problem, dass Rechtslaien weder diese unbestimmten Rechtsbegriffe sicher anwenden können noch die erforderlichen Informationen haben, um etwa erkennen zu können, dass ihre Abmahnung Teil einer missbräuchlichen Abmahnwelle ist, weil der angebliche Wettbewerber tatsächlich gar keine relevante eigene Geschäftstätigkeit entfaltet.
Außerdem wurden weitere Einzelheiten verändert. So gibt es zukünftig keinen Aufwendungsersatz mehr für die Abmahnung von Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordnung gegen Unternehmen mit bis zu 249 Beschäftigten. Das heißt aber auch: Ein kleines Unternehmen kann solche Verstöße durch einen vergleichsweise großen Wettbewerber mit bis zu 249 Beschäftigten nur noch auf eigene Kosten geltend machen, auch wenn sie wettbewerbsrelevant sind, etwa den Fehlgebrauch von Kundendaten für Werbung betreffen.
Welche Diskussionen wurden im Rechtsausschuss am 09.09. noch geführt?
Dr. Manuela Rottmann: Die Ausschusssitzung ist nicht öffentlich, es folgte aber eine Debatte im Plenum am Donnerstag, bei der der Entwurf in seiner geänderten Fassung diskutiert wurde. Für unser Anliegen, die Abgemahnten durch bessere öffentlich zugängliche Informationen über Abmahnmissbrauch und durch eine einfachere Lösung von Unterlassungserklärungen im Nachhinein auch dann zu schützen, wenn sie den Weg vor Gericht scheuen, gab es keine Offenheit.
„Deshalb glauben wir nicht, dass der Abmahnmissbrauch auf Grundlage der neuen Regelungen bekämpft wird.“
Wird der Abmahnmissbrauch aus Ihrer Sicht durch den vorliegenden Text wirksam bekämpft?
Dr. Manuela Rottmann: Um dem Abmahnmissbrauch wirksam entgegenzutreten, hätte unserer Ansicht nach der Gesetzgeber die Perspektive der Abgemahnten im Moment der meist mit kurzer Frist versehenen Abmahnung einnehmen müssen. Diese sind häufig Rechtslaien und können nicht einschätzen, ob – wie im Änderungsantrag festgehalten – nach einer „umfassenden Würdigung der Gesamtumstände“ eine Abmahnung als missbräuchlich anzusehen ist. Hierfür braucht es mehr Zugang zu Informationsmöglichkeiten, wie zum Beispiel darüber, welche Akteure in diesem Bereich hinreichend bekannt sind.
Zudem fordern wir, dass eine unterzeichnete Unterlassungserklärung im Wege einer Inhaltskontrolle gerichtlich überprüft werden kann, sodass – wenn sich diese im Nachhinein als missbräuchlich herausstellt – der Betroffene sich hiervon rückwirkend von Anfang an lösen kann. Auch sollte er Abmahngebühren und Vertragsstrafen zurückfordern können, wenn in einem anderen Gerichtsverfahren festgestellt wird, dass eine Abmahnung missbräuchlich war. Schließlich wäre ein gemeinsames Klagerecht in Form einer Gruppenklage nötig, damit einzelne Betroffene sich zusammenschließen können und mit geringeren Kosten als bisher Rechtsschutz vor Gericht durchsetzen können.
Diese Aspekte sind weder im Gesetzentwurf der Bundesregierung noch im Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen vorgesehen. Deshalb glauben wir nicht, dass der Abmahnmissbrauch auf Grundlage der neuen Regelungen bekämpft wird.
Einen Aufwendungsersatz für Abmahnkosten sollen Mitbewerber generell nicht mehr geltend machen können, wenn es sich um Verstöße gegen Kennzeichnungs- / Informationspf
Dr. Manuela Rottmann: Einen Ausschluss der Ersatzpflicht bei der ersten Abmahnung sowie eine Art „Notice-and-take-down“-Regelung hat die FDP in ihrem Antrag gefordert. Die zusätzlich formulierten Ausnahmen zu diesem Vorschlag zeigen, dass die Handhabung ebenfalls komplex ist und nicht für mehr Klarheit in der Praxis sorgt. Den seriösen Verbänden nimmt der Gesetzentwurf in weiten Teilen den Aufwendungsersatz. Kleine Branchenverbände werden als Korrektiv in Zukunft sogar ganz ausfallen. Wer von einer missbräuchlichen Abmahnung betroffen war, übersieht oft, dass Abmahnungen überwiegend ein preisgünstiges und sinnvolles Instrument sind, mit dem gerade kleine Unternehmen und Verbraucherschutz- oder Branchenverbände die Einhaltung des Rechts und damit fairen Wettbewerb durchsetzen können. Diese wichtige Funktion wird durch die neuen Regelungen deutlich geschwächt, ohne dass Abmahnmissbrauch dadurch verhindert wird.
Für Verbände ändert sich wenig. Denken Sie, dass auch die einschlägigen Abmahnvereine, die oftmals in Zusammenhang mit Abmahnmissbrauch gebracht werden, künftig besser reguliert sind?
Die von Ihnen genannten einschlägigen Abmahnvereine werden mit die im Gesetzentwurf aufgestellten höheren Hürden zu überwinden wissen. Viele dieser problematischen Verbände arbeiten ja gerade nicht mit überhöhten Abmahngebühren, sondern locken die Abgemahnten eher zu unscharf formulierten Unterlassungserklärungen mit hohen Vertragsstrafeversprechen. Dafür bietet das Gesetz keine Lösung.
Frau Dr. Rottmann, vielen Dank für das Gespräch!
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die den kleinen Onlinehändler vor unseriösen Haien schützen
ist zum k**** . Es wäre mit dem von der FDP geforderten
´´notice-and-take-down´´ Verfahren der ersten kostenfreien
Abmahnung so einfach zu lösen gewesen... aber weil es von
der politischen Konkurrenz kommt wird es nicht berücksichtigt?
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