Der fliegende Gerichtsstand – das klingt nach etwas, das nicht unbedingt nur Positives mit sich bringt. Für Online-Händler ist er jedenfalls recht relevant und spielt beim Verstoß insbesondere gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften eine Rolle. Für Betroffene bedeutet er, dass sie sich im Falle einer gerichtlichen Verhandlung womöglich auf eine weite Reise machen müssen. Ebenfalls steht immer wieder im Raum, dass sich der Gegner hier nun ein Gericht rauspicken kann, bei dem schon feststeht, dass es zu seinen Gunsten entscheiden wird.
Wir wurden gefragt, was es nun eigentlich auf sich hat mit diesem fliegenden Gerichtsstand, und was sich mit dem Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs hieran ändert.
Von der Abmahnung vor das Gericht
Abmahnungen, die stellen für Händler ein ganz ungemütliches Thema dar – insbesondere, wenn so ein Brief an einen adressiert ist. Während die Abmahnungen ein außergerichtliches rechtliches Mittel zur Durchsetzung von Ansprüchen ist, ein Richter hat hier also erstmal seine Finger nicht im Spiel, kann das Ganze schnell zu einer gerichtlichen Angelegenheit werden. Zum Beispiel, wenn ein Händler den Gedanken hat, den vermutlich ein jeder bereits geteilt hat: Der Brief da im Briefkasten sieht böse aus, den werf ich lieber gleich weg – und das dann aber tatsächlich in die Tat umsetzt. Ob nun das, oder schlicht der Fall, dass die Unterlassungserklärung nicht abgegeben wird: Es gibt diverse Fälle, in denen ein Wettbewerbsverstoß vor Gericht enden kann.
Fliegender Gerichtsstand: Ein Gericht am anderen Ende Deutschlands entscheidet
Das Ganze landet nun nicht vor irgendeinem wahllosen Gericht. Im Standardfall hat der Beklagte zumindest etwas Glück im Unglück: Örtlich zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat – also etwa dort, wo er wohnt. Von diesem Grundsatz gibt es allerdings diverse Ausnahmen. Eine davon ist der „fliegende Gerichtsstand“. Gemeinhin wird dieser oft so aufgefasst, dass sich der klagende Mitbewerber einfach den Ort eines Gerichtes aussuchen darf. Das ist nicht falsch, zumindest im Ergebnis.
Rechtlich gesehen heißt es im Gesetz aber nicht: Freie Wahl des Klägers. Sondern vielmehr: „Für Klagen auf Grund dieses Gesetzes ist außerdem nur das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.“, § 14 Abs. 2 UWG.
Hier schaut man sich also nun an, wo die Handlung, der Wettbewerbsverstoß, begangen wurde und kommt zu dem Schluss: Im Internet – was zunächst kaum weiterhilft. Der Gedanke ist nun: Online-Händler bieten ihre Ware bundesweit an, sodass sich der damit einhergehende Wettbewerbsverstoß quasi auch deutschlandweit erfolgt. Dies ermöglicht den fliegenden Gerichtsstand, der ja an den Ort dieser Handlung anknüpft. Auch wenn der Abmahner in München und der Abgemahnte in Leipzig ansässig sind, könnte das Verfahren also z.B. vor einem Gericht in NRW geführt werden.
Ein Problem für Online-Händler
Der Gedanke hinter dem Grundsatz ist klar: Muss sich der Beklagte schon darauf einlassen, dass er verklagt wird, und der Kläger etwa Zeitpunkt und Umfang damit bestimmt, soll er im Gegenzug den Vorteil haben, dass das vor einem Gericht in seiner Nähe abläuft. Der Gedanke hinter dem Gerichtsstand der unerlaubten Handlung alias dem fliegenden Gerichtsstand ist, dass das sog. Tatortgericht besondere Ortskenntnisse hat, oder auch besser um die lokalen Handelsbräuche weiß. Im Online-Handel zieht dieses Argument nicht wirklich stark – wobei sich kaum bestreiten lässt, dass einige Gerichte durch den fliegenden Gerichtsstand sicherlich öfter in Kontakt mit Rechtsstreitigkeiten im E-Commerce kommen und dadurch eine großzügigere Expertise in diesem Bereich besitzen.
In Zukunft: Kein Problem für Online-Händler?
In der freien Wahl des Klägers über den Gerichtsstandort kann aber ebenso zweifelsfrei eine Benachteiligung des Beklagten gesehen werden, welcher der Wahl des Klägers ausgeliefert ist. Nicht von der Hand gewiesen werden kann dabei zudem die Möglichkeit, dass der Kläger ein Gericht wählt, was womöglich eher zu seinen Gunsten entscheiden wird. Die sog. prozessuale Waffengleichheit der Streitparteien kann insofern zu Recht hinterfragt werden.
Und wie wird es nun nach den Änderungen aussehen? Künftig müssen sich Online-Händler weniger Gedanken um den fliegenden Gerichtsstand machen. Diesen gibt es zwar im Bereich des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb grundsätzlich weiterhin. Im Bereich der Rechtsstreitigkeiten wegen Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien – mithin also im Online-Handel – werden sich klagende Mitbewerber allerdings nicht mehr auf ihn berufen können. So sieht es der Entwurf des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vor. Der Kläger kann sich örtlich also nicht mehr einfach ein Gericht in Deutschland aussuchen. Stattdessen wird es darauf hinauslaufen, dass das Gericht am Sitz des Beklagten entscheidet.
Der Zeitpunkt, zu dem die Gesetzesänderung in Kraft tritt, ist noch nicht besiegelt. Mehr Informationen zu den geplanten Anpassungen gibt der Händlerbund in seinem FAQ.
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