Wer selbst harmlose Symptome googelt, hat definitiv Krebs und wird einen langsamen, qualvollen Tod sterben. Um Menschen vor Fehlinformationen und unseriöse Quellen durch „Dr. Google“ zu schützen, hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn das Projekt „gesund.bund.de“ ins Leben gerufen.
Genau gegen dieses Projekt klagen derzeit der Verlag Burda und der Wort & Bild Verlag (Apotheken-Umschau). Der Grund ist Spahns Pakt mit dem Konzern Alphabet. Am Mittwoch werden die Urteile erwartet. Bereits in der mündlichen Verhandlung hat die Richterin aber durchklingen lassen, dass da ein „Störgefühl“ sei.
Prominente Darstellung von „gesund.bund.de“
Die Kooperation mit Google bewirkt eine Bevorzugung und prominente Darstellung der Informationen, die über Spahns Portal „gesund.bund.de“ ausgespielt werden. Gibt man beispielsweise den Suchbegriff Grippe ein, so erscheint rechts neben den Suchergebnissen eine Wissensbox. Aktuell geschieht dies bei 160 Krankheiten und 1.000 Suchbegriffen mit Gesundheitsbezug.
Anlass für das Projekt gaben unter anderem die vielen Falschinformationen, die im Zusammenhang mit dem Coronavirus verbreitet wurden. Im Gesetzesentwurf heißt es, dass das Projekt die Gesundheitskompetenz der Bürger stärken soll. Im entsprechenden Gesetz zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege (DVPMG) heißt es daher, dass „gesundheits- und pflegebezogene Informationen barrierefrei in allgemein verständlicher Sprache zur Verfügung“ gestellt werden sollen.
„Gesund.bund.de“ soll eine Art digitales Wissensmagazin mit verlässlichen Informationen werden. Damit der seriöse Informationsfluss auch nachhaltig gesichert ist, sind die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen zur Mitarbeit verpflichtet. Die Kosten für das Projekt belaufen sich in diesem Jahr auf 4,5 Millionen Euro; 2022 sollen 5 Millionen Euro aus der Steuerkasse „gesund.bund.de“ zufließen.
Die Informationen werden durch einen privaten Contentlieferanten zur Verfügung gestellt. Das Portal selbst wird durch die Digitalagentur Valid betreut, die auch für Firmen wie Eon oder Siemens zuständig ist.
Angriff auf die Pressefreiheit?
Die klagenden Verlage sehen in Spahns Projekt allerdings vor allem eines: Einen unmittelbaren Angriff auf die Pressefreiheit und eine Diskriminierung. So bezeichnet Christoph Fiedler, Geschäftsführer des Bereichs Europa- und Medienpolitik im Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) die Kooperation gegenüber dem Handelsblatt als „albtraumhaften Pakt zwischen privatem Monopol und Staatsmedium“.
Der Burda-Verlag, der das Portal „Netdoktor.de“ betreibt, reichte Klage gegen den Bund und Google ein. Es wird befürchtet, dass die eigenen Informationen aufgrund der bevorzugten Anzeige von Spahns Portal ins Hintertreffen geraten. Schon jetzt beklagte man bei Netdoktor rückläufige Klickzahlen. Kartellrechtlich stelle die Zusammenarbeit mit dem Monopolisten Google einen Marklmissbrauch dar.
Auch der für die die Apotheken-Umschau verantwortliche Wort & Bild Verlag sieht in der Kooperationen einen Angriff auf den fairen Wettbewerb und die Pressefreiheit. „Die Priorisierung eines staatlichen Informationsangebots zu Gesundheitsthemen mithilfe des Quasimonopolisten Google zulasten des professionellen Journalismus ist inakzeptabel“, wird der Verlagschef vom Handelsblatt zitiert.
Ist Jens Spahn naiv?
Der Chaefredakteur von „Netdorktor.de“ attestiert Spahn unterdessen eine „unfassbare Naivität“. Das Unternehmen Google wolle immerhin einfach noch mehr Geld verdienen. Bei Google zeigt man sich aufgrund der Vorwürfe aus dem Hause Burda enttäuscht: „Wir sind enttäuscht, dass Burda von uns verlangt, vertrauenswürdige und relevante Gesundheitsinformationen des Gesundheitsministeriums schwerer auffindbar zu machen und stattdessen ausgewählten Verlagsinhalten den Vorzug zu geben.“
Derweil prüft auch die Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein den Pakt. Dort versteht man, dass ein Vorgehen gegen Verschwörungsideologien lobenswert ist. Was allerdings Begriffe, wie Asthma, Durchfall oder Magenschmerzen mit dem Kampf gegen gezielte Falschinformationen zu tun haben, erschließe sich der Behörde nicht.
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