Der Digital Markets Act (DMA; auch Digitale-Märkte-Gesetz) ist so gut wie fertig. Die EU-Kommission, die Vertreter der Mitgliedstaaten und das EU-Parlament haben sich vergangene Woche nach zweimonatigen Verhandlungen auf einen gemeinsamen Text verständigen können. Dieser muss zwar noch im Rat der Europäischen Union und im EU-Parlament final abgesegnet werden, dabei handelt es sich jedoch nur noch um eine Formalität.
Mit dem DMA will die EU ihr Wettbewerbsrecht modernisieren und an die neuen Herausforderungen anpassen, die im Zusammenhang mit digitalen Riesenunternehmen wie Amazon, Google, Apple oder Meta entstanden sind. Solche Digitalriesen sollen künftig nicht erst kartellrechtlich behandelt werden, wenn ihre Marktmacht schon zu groß ist. Vielmehr soll proaktiv verhindert werden, dass einzelne Unternehmen zu mächtig in ihrem Markt werden. So soll der Wettbewerb zwischen europäischen Unternehmen und US-Riesen fairer gestaltet werden.
Für diese Unternehmen wird der DMA gelten
Eine Streitfrage in den Verhandlungen war, für welche Unternehmen der DMA eigentlich gelten soll. Klar war, dass nur sehr wenige, extrem große Unternehmen – sogenannte Gatekeeper – unter die neuen Regelungen fallen sollen. Wie genau solche Gatekeeper definiert werden, war aber noch umstritten.
Der Kompromiss der EU-Institutionen sieht vor, dass als Gatekeeper solche Unternehmen gelten, die einen weltweiten Jahresumsatz von mindestens 7,5 Milliarden Euro oder eine Marktkapitalisierung von mindestens 75 Milliarden Euro haben. Außerdem müssen sie zwischen mindestens 10.000 aktiven gewerblichen Nutzern und mehr als 45 Millionen Verbrauchern über einen zentralen Plattformdienst vermitteln.
Die Zahlen zeigen, dass in der ganzen EU nur etwa 10 bis 15 Unternehmen mit einem Plattformdienst diese Anforderungen erfüllen. Darunter befinden sich natürlich Googles Suchmaschine, Amazon mit seinem Marktplatz und dem Cloud-Service AWS, Booking.com oder Facebook. Dabei beziehen sich die Regeln aus dem DMA nur auf den Plattformdienst, der angeboten wird und nicht auf das gesamte Unternehmen.
Diese Regeln wurden beschlossen
Noch ist der Volltext des DMA-Kompromisses nicht veröffentlicht, aber die EU hat die wichtigsten Punkte vorgestellt. Kern des DMA sind Verhaltensregeln für die Gatekeeper. So wird es ihnen verboten, eigene Produkte und Angebote bevorzugt zu präsentieren, sogenanntes Self-Preferencing. Im Online-Handel wurde diese Praktik allem auf dem Amazon-Marktplatz beobachtet und kritisiert.
Personalisierte Werbung wurde nicht komplett oder nur für Jugendliche verboten, wie es vor und während der Verhandlungen von einigen Seiten gefordert wurde. Trotzdem soll sie stärker reguliert werden. So sollen Gatekeeper personalisierte Werbung künftig nur noch mit Einwilligung der Verbraucher ausspielen dürfen. Dark Patterns, also manipulative Schaltflächen, sollen bei der Einwilligung verboten werden. Auch wenn Nutzer die Datenabgabe verweigern, sollen sie die Dienste der Gatekeeper weiter nutzen dürfen.
Außerdem werden gewerbliche Nutzer von Plattformen besseren Zugriff auf die Transaktionsdaten erhalten, die sie mit Verkäufen generieren. Bisher wurde die Nutzung dieser Daten oft von den Plattformen verweigert, die sich damit selbst einen Vorteil verschafften.
Interoperabilität bei Messengern beschlossen
Eine besondere Neuerung wird es durch den DMA bei Messengern geben. Denn die großen Messenger – vor allem WhatsApp – werden sich öffnen müssen. Künftig sollen auch Nutzer kleinerer Messenger, wie Telegram, Threema oder Signal, Nachrichten mit WhatsApp-Usern austauschen können, ohne selbst WhatsApp installiert zu haben. WhatsApp hat nach Inkrafttreten des DMA bis zu einem Jahr Zeit, um diese Interoperabilität zu ermöglichen. Bis WhatsApp auch Gruppenchats für andere Anbieter öffnen muss, sollen sogar weitere drei Jahre vergehen.
Keine Interoperabilität gibt es hingegen für Social-Media-Plattformen. Vor allem das EU-Parlament hatte sich gewünscht, dass die Timelines geöffnet werden, damit man Inhalte von Facebook, Twitter oder Instagram zusammen darstellen könnte. Diese Forderung scheiterte aber in den Verhandlungen.
Bei Verstößen drohen hohe Strafen
Verstoßen Gatekeeper gegen den DMA, könnten Strafen von bis zu 10 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes fällig werden. Sollten die Verstöße öfter vorkommen, können sich die Sanktionen auf bis zu 20 Prozent erhöhen. Im Extremfall und bei systematischer Nicht-Beachtung des DMA, kann die EU-Kommission Unternehmen sogar zerschlagen.
Sven Giegold (Die Grünen), der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, äußerte sich vergangene Woche positiv zu dem Ergebnis der EU-Verhandlungen: „Zu lange haben die großen Digitalriesen wie Google, Facebook, Amazon und Co den Markt dominiert, so dass es neuen Wettbewerbern fast unmöglich war, Fuß zu fassen. Künftig gilt für alle großen Digitalunternehmen ein klarer Verhaltenskodex.“
Nach der Zustimmung zum DMA durch den Rat und das EU-Parlament könnte das neue Gesetz frühestens bereits im Oktober in Kraft treten. Der DMA ist Teil eines Gesetzespakets, dessen zweiter Teil der Digital Services Act (DSA) ist. Im DSA geht es um gesellschaftliche Themen, wie etwa illegale Inhalte und Mobbing im Netz. Auch über den DSA wird derzeit zwischen den Institutionen verhandelt. Noch ist nicht bekannt, wann eine Einigung zum DSA erfolgen wird.
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