Ab 28. Mai greifen die Regeln der europäischen Omnibus-Richtlinie auch in Deutschland. Dadurch kommen neue Informations- und Kennzeichnungspflichten auf Online-Händler zu – und natürlich auch neue Abmahnrisiken. Die Spannbreite der Themen reicht dabei von Kundenbewertungen über Preisangaben und Unternehmerkennzeichnung bis hin zu einem neuen Schadensersatzanspruch und Bußgeldern. Das verunsichert viele Online-Händler.
Deswegen haben wir die drängenden Fragen unserer Leserschaft zu Pflichten und möglichen Strafen für Händler mit Arndt Stange, Chief Legal Officer beim Händlerbund, besprochen. Nach dem zweiten juristischen Staatsexamen war er 22 Jahre lang in der Versicherungsbranche und zum Schluss Mitglied des Vorstands bei einem der größten deutschen Rechtsschutzversicherer. Seit April 2021 ist er CLO beim Händlerbund und nebenbei Lehrbeauftragter an der Wiesbadener Business School.
Kundenbewertungen: „Händler sollten auf Plattformbetreiber zugehen“
OHN: Auf Marktplätzen und Suchmaschinen werden oft Verbraucherbewertungen veröffentlicht. Wer muss darüber informieren, ob die Echtheit der Rezension geprüft wurde, wie es die Omnibus-Richtlinie vorsieht? Sind Händler oder Plattformbetreiber zuständig?
Arndt Stange: Betroffen von der neuen Informationspflicht sind Händler nur, wenn sie auch Onlineshop-Betreiber sind, die selbst Verbraucherbewertungen zugänglich machen. Die Informationspflicht trifft also nicht diejenigen Händler, die Bewertungen ausschließlich auf Plattformen wie Ebay, Amazon oder Etsy erhalten. Hier ist – nach aktuellem Stand – allein der Plattformbetreiber für die Darstellung der Informationen zuständig. Die Händler haben dort auf die Gestaltung der Bewertungsfunktion schließlich keinerlei Einflussmöglichkeiten.
Ob dennoch Prüfpflichten für die Händler bestehen, kann derzeit aber noch nicht abschließend eingeschätzt werden. Aus diesem Grund sollten die Händler auf die Plattformbetreiber zugehen, um Auskunft über die Verifizierungsprozesse zu erhalten.
So verhält es sich auch bei Suchmaschinen wie Google, Ecosia oder Bing: Sofern auch hier die Bewertungen lediglich auf den Seiten der Suchmaschine, z.B. bei Google, ersichtlich sind und nicht auf der eigenen Seite des Händlers, besteht keine Informationspflicht. Der Händler stellt die Möglichkeit – Bewertungen überhaupt abzugeben und diese dann zu veröffentlichen – nicht selbst zur Verfügung, sondern Google. Also ist Google dafür verantwortlich, dass diese Bewertungen „echt“ sind, und muss darüber und über die Verifizierungsprozesse informieren.
So lassen sich Bewertungen löschen
Können sich Händler künftig dagegen wehren, wenn jemand eine schlechte Bewertung bei Google einstellt, aber nie etwas gekauft hat? Ist Google dann in der Pflicht, die Bewertung zu löschen?
Unabhängig von der Omnibus-Richtlinie konnten sich Händler auch schon in der Vergangenheit gegen ungerechtfertigte Bewertungen auf Plattformen wehren. Grundlage hierfür war die umfangreiche Rechtsprechung des BGH zu dieser Thematik, aber auch bereits bestehende gesetzliche Regelungen. Diese bisherigen Regelungen werden durch die Omnibus-Richtlinie jetzt aber verfestigt.
Werden in einer Bewertung beispielsweise unwahre Tatsachen behauptet, müssen diese von Google auch entsprechend gelöscht werden. Die Händler können sich direkt an Google wenden und unter Mitteilung der Gründe eine Löschung der Bewertung verlangen. Weil das oft schwierig und frustrierend sein kann, bieten wir Händlerbund-Mitgliedern Unterstützung beim Löschen von Bewertungen an, wenn sie unser Paket „Bewertungen Löschen“ buchen.
Bei falscher Kennzeichnung drohen Abmahnungen
Online-Marktplätze müssen künftig darüber informieren, ob es sich beim Verkäufer um einen Unternehmer oder Verbraucher handelt. Wenn ich fälschlicherweise als Verbraucher ausgewiesen werde, kann ich dafür abgemahnt werden?
Mit dieser neuen Informationspflicht möchte der Gesetzgeber die Rechte der Verbraucher stärken, da diesen der gesetzliche Verbraucherschutz nur dann zusteht, wenn der Anbieter auf dem jeweiligen Marktplatz ein Unternehmer ist.
Wird diese Angabe für die Unternehmereigenschaft fehlerhaft angezeigt und der Unternehmer fälschlicherweise als privater Verkäufer ausgewiesen, so wird der Verbraucher über seine ihm zustehenden Rechte getäuscht. Dies stellt einen Wettbewerbsverstoß gemäß § 5 UWG dar. Daher besteht in einem solchen Fall die Gefahr einer Abmahnung für den Händler. Sollte ein Händler bemerken, dass er auf dem Marktplatz fehlerhaft als Privatperson angezeigt wird, sollte er sich umgehend an den Marktplatz wenden, um eine entsprechende Korrektur zu erreichen.
Durch die Omnibus-Richtlinie kommt es auch zu großen Änderungen bei der Anzeige von Preisen im Online-Handel. Kann ich den empfohlenen Verkaufspreis als Streichpreis darstellen und kann ich zusätzlich auf meinen letzten eigenen niedrigsten Verkaufspreis der letzten 30 Tage hinweisen?
Die Werbung mit einer „Unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers“ bzw. „UVP“ ist grundsätzlich auch in durchgestrichener Form zulässig, sofern tatsächlich eine aktuelle unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers besteht. Die Werbung mit dem UVP muss zudem klar, bestimmt, zutreffend und nicht mehrdeutig formuliert sein. Das bedeutet, dass bei der Werbung mit dem UVP stets klar sein muss, dass es sich lediglich um eine Preisgegenüberstellung und um keine eigene Preisreduzierung handelt.
Beispielsweise könnte man das im Shop wie folgt formulieren: „Unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers: 19,99 €, bei uns nur 14,99 €“. Ein reiner Streichpreis ohne Erläuterung ist für das Werben mit der UVP somit unzulässig, da für den Verbraucher dann nicht klar erkennbar wird, ob es sich um eine Preisgegenüberstellung oder um eine eigene Preisreduzierung handelt.
Bei einer eigenen Preisreduzierung ist es ausreichend, dass es sich bei dem durchgestrichenen Preis um den niedrigsten ehemaligen Verkaufspreis handelt, der die letzten 30 Tage gegenüber Verbrauchern verlangt wurde. Es muss daher nicht explizit erwähnt werden, dass es sich um den Preis der letzten 30 Tage handelt.
Verbraucher können Schadensersatz von Händlern fordern
Verbraucher erhalten durch die Omnibus-Richtlinie einen neuen Schadensersatzanspruch im UWG. Wie gehe ich damit um, wenn so ein Anspruch gestellt wird? Wird das nun häufig passieren?
Ja, der Schadensersatzanspruch für Verbraucher wird in § 9 Abs. 2 S. 1 UWG neu geregelt. Darin heißt es, dass Unternehmer zu Schadensersatz verpflichtet werden, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig eine unzulässige geschäftliche Handlung vornehmen, die den Verbraucher zu einer Kaufentscheidung veranlasst, die er sonst nicht getroffen hätte.
Die unlautere geschäftliche Handlung des Unternehmens wird also an eine daran anknüpfende geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers gekoppelt, also wenn er beispielsweise etwas kauft, eine Zahlung leistet oder eine Ware behält oder retourniert. Wenn der Verbraucher hierbei einen wirtschaftlichen Schaden erleidet, aber er die Handlung ohne einen UWG-Verstoß des Händlers nicht vorgenommen hätte, kann er einen Schadensersatz verlangen. Die näheren Umstände des Schadens sind dabei unerheblich, aber die Beweislast liegt allein bei dem Verbraucher.
Da fahrlässiges Handeln des Händlers bei unlauteren Geschäftspraktiken vermutlich für den Verbraucher leicht zu beweisen sein wird, kann man davon ausgehen, dass diese Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch seitens des Verbrauchers häufig erfüllt werden kann. Verantwortlich für den Schaden ist dann derjenige, der ihn mit einer unlauteren Geschäftshandlung verursacht hat. Das könnte außer dem Händler natürlich auch der Hersteller oder andere Unternehmen sein.
Wird so ein Anspruch gegen einen Händler geltend gemacht, sollte zunächst geprüft werden, ob die Voraussetzungen tatsächlich vorliegen. Hier empfiehlt es sich, einen Rechtsanwalt zu konsultieren.
Durch die Omnibus-Richtlinie werden auch neue Bußgelder für weit verbreitete Verstöße eingeführt. Betrifft das auch die kleinen Händler?
Ja, auch kleine Händler sind betroffen. Wie Online-Händlern sicherlich bekannt ist, verhält es sich in Deutschland bisher so, dass Mitbewerber und Wettbewerbsverbände Verstöße gegen das UWG mit Abmahnungen ahnden könnend.
Mit der Einführung des neuen § 19 UWG können nun auch behördliche Bußgelder im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens für „weitverbreitete Verstöße“ verhängt werden. „Weit verbreitet“ bedeutet dabei, dass Verbraucher in mindestens zwei anderen EU-Mitgliedstaaten ansässig sind als dem Mitgliedstaat, von dem aus der Verstoß ausging oder in dem das verantwortliche Unternehmen seinen Sitz hat.
Vielen Dank für das Gespräch!
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Die Omnibus-Richtli nie schreibt auch eine Preistransparen z vor, die bei der Angabe von Rabattpreisen z.B. die Nennung des günstigsten Preises der letzten 30 Tage fordert.
Warum wird sowas etwa bei Amazon nicht realisiert? Stattdessen ist von UVP die Rede.
Reicht das, um sich aus einer realistischen und transparenten Preisangabe rauszumogeln?
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Antwort der Redaktion:
Hallo M. Wagner,
die Gegenüberstellu ng mit der unverbindlichen Preisempfehlung ist weiterhin erlaubt und von der Regelung nicht betroffen.
Alles Gute
die Redaktion
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