Der Abgeordnete des Europaparlaments und Bürgerrechtler Dr. Patrick Breyer (Piratenpartei) geht im Wege einer Unterlassungsklage gegen Meta, den Mutterkonzern von Facebook vor. Der Grund: Verdachtslose, automatisierte Nachrichtendurchsuchung. Derzeit besteht eine europarechtliche Regelung, nach welcher eben solche Diensteanbieter wie Facebook oder auch Google die privaten Nachrichten ihrer Nutzer nach Darstellungen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen scannen dürfen. Geplant ist von der EU-Kommission jedoch, die verdachtslose Nachrichten- und Chatkontrolle für sämtliche Anbieter von E-Mail-, Messenger- und Chatdiensten verpflichtend zu machen.
Chatkontrolle sei ineffektiv und illegal
Zuletzt war Mitte 2021 eine Eilverordnung auf EU-Ebene eingeführt worden, die Ausnahmen von einigen Vorgaben der E-Privacy-Richtlinie (nicht zu verwechseln mit der „hin und wieder“ in Planung befindlichen E-Privacy-Verordnung) vorsieht. Kritik gab es daran zahlreich, unter anderem vom Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber, der die flächendeckende und anlasslose Überwachung von digitalen Kommunikationskanälen zu diesem Zweck „weder zielführend noch erforderlich“ sei.
„Dieser Big Brother-Angriff auf unsere Handys, Privatnachrichten und Fotos mithilfe fehleranfälliger Algorithmen ist ein Riesenschritt in Richtung eines Überwachungsstaates nach chinesischem Vorbild. Chatkontrolle ist, wie wenn die Post alle Briefe öffnen und scannen würde – ineffektiv und illegal. Ich sehe der Zerstörung des Grundrechts auf digitales Briefgeheimnis nicht zu, sondern schalte jetzt die Justiz ein“ kommentiert Patrick Breyer seine Klage, die er auch anlässlich der geplanten Verschärfung erhoben hat und bei der mit Blick auf deutsche und europäische Grundrechte argumentiert wird.
Überwachung von Chats und Nachrichten durch private Unternehmen
Organisierte Kinderpornografie-Ringe würden keine E-Mails oder Messengerdienste nutzen, sondern abgeschottete und selbst betriebene Foren. Mit den weiteren Plänen zur Chatkontrolle würde die EU-Kommission aus kurzfristigen Überwachungswünschen heraus die allgemeine Sicherheit der privaten Kommunikation und öffentlicher Netze, Geschäftsgeheimnisse und Staatsgeheimnisse aufs Spiel setzen, so Breyer weiter: „Was wir brauchen, ist Löschen statt Schnüffeln!“.
Tatsächlich hatte das Europäische Polizeiamt (Europol) zuvor auf eine Anfrage Patrick Breyers hin mitgeteilt, dass bekanntes kinderpornografisches Material nicht zur Löschung gemeldet würde. Auch das Bundeskriminalamt weigere sich, die Löschung solcher Darstellungen zu veranlassen.
„Während EU-Politiker einerseits behaupten, uns vor Übergriffen durch Facebook, Google und Co. zu schützen, beauftragen sie gleichzeitig dieselben Unternehmen damit, unsere komplette Kommunikation zu durchleuchten und zu überwachen. Dass der Europäische Gerichtshof (und die Gerichte vieler EU-Mitgliedstaaten) eine solche totale Überwachung schon desöfteren untersagt hat, wird einfach beiseite geschoben“, erklärt Prof. Dr. Ralph Wagner, Rechtsanwalt von Breyer. Wer Datenschutz nicht als Bürokratiemonster betreibe, sondern ernst meine und damit Freiheitsrechte schützen wolle, der dürfe nicht die gesamte Kommunikation durchleuchten und damit dann auch noch Facebook beauftragen, so Wagner weiter.
Chatkontrolle: Kritik von vielen Seiten
Weitere Kritik bekommt die Chatkontrolle auch von anderen Stellen. So hat die digitale Gesellschaft am 11. Mai zu einer Demonstration in Berlin aufgerufen. Der Chaos Computer Club bezeichnete die Chatkontrolle unter anderem als „nie dagewesenes Überwachungswerkzeug“ und „fundamental fehlgeleitete Technologie“. Auch der Deutsche Kinderschutzbund hat das Vorhaben als „unverhältnismäßig und nicht zielführend“ bezeichnet, soweit dies Messenger oder E-Mails betrifft.
Die EU-Kommission will ihren Gesetzentwurf zur verpflichtenden Chatkontrolle am 11. Mai 2022 öffentlich vorstellen.
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