Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) unter Robert Habeck (Grüne) arbeitet derzeit an einer Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Dafür plant Habeck die Einführung missbrauchsunabhängiger Entflechtungen von Unternehmen, eine Senkung von Hürden, um Gewinne abzuschöpfen sowie schlagkräftigere Sektoruntersuchungen.
Gerade die mögliche Einführung von Entflechtungen setzt ein großes Ausrufezeichen. Zwar wird die Gesetzesänderung vor dem Hintergrund der Spritpreiskrise vorangetrieben – doch sollten die jetzt vorgeschlagenen Regelungen kommen, könnte das auch Auswirkungen auf Digitalriesen wie Amazon haben, die Entflechtungen bisher nicht fürchten mussten.
Habeck setzt auf missbrauchsunabhängige Entflechtungen
Das GWB ist das Hauptgesetz für das deutsche Kartellrecht. Daher können die Bundesregierung und das Bundeskartellamt bisher nur in Märkte eingreifen, in denen Kartellrechtsverstöße stattgefunden haben oder wo Fusionskontrollen vorgenommen werden. Das reiche aber nicht immer aus, wie in dem Dokument, in dem das BMWK nun seine Pläne zur Verschärfung des GWB vorstellt und das OnlinehändlerNews vorliegt, argumentiert wird. Oftmals gebe es nämlich Wettbewerbsprobleme in Märkten, auf denen keine Kartellrechtsverstöße nachweisbar sind. In diesen Fällen sieht das BMWK die Entflechtung von Konzernen – unabhängig davon, ob es einen Missbrauch von Marktmacht gab – als Lösung. Entflechtung würde bedeuten, dass man einen großen Konzern in mehrere Geschäftsteile aufteilt, die dann als eigenständiges Unternehmen agieren.
Wenige Unternehmen mit viel Marktmacht
Habecks Ministerium führt den Kraftstoffmarkt als Beispiel auf. Hier sei es aktuell kaum möglich, einen Kartellrechtsverstoß nachzuweisen. Trotzdem werden Preise für Sprit sehr schnell einander angeglichen, weil der Markt sehr transparent ist und die Unternehmen die Preise ihrer Mitbewerber kennen. Zudem sei der Markt von Oligopolen geprägt, weil nur wenige Ölkonzernen am Markt tätig sind, aber von der Ölförderung über den Transport, die Raffinerie bis hin zur Tankstelle die komplette Marktmacht in der Hand haben.
Eine Entflechtung, die unabhängig von Kartellrechtsverstößen ist, könne dabei helfen, verfestigte Märkte aufzubrechen und für mehr Wettbewerb zu sorgen, so das BMWK. Das helfe zwar nicht kurzfristig für die Umsetzung des Tankrabatts, würde aber zukünftig das Bundeskartellamt stärken. „Das Instrument kann dabei auch schon präventiv wirken dort, wo Marktmacht missbraucht werden kann, der Missbrauch aber schwer nachweisbar ist“, heißt es im Schreiben von Habecks Ministerium. Trotzdem soll die Entflechtung nur das letzte Mittel und an klar definierte Bedingungen geknüpft sein.
Hürden für Gewinnabschöpfung sollen gesenkt werden
Eine zweite Maßnahme, die das BMWK in der GWB-Novelle umsetzen will, ist die Absenkung der Hürden für die sogenannte kartellrechtliche Vorteilsabschöpfung, die in § 34 GWB geregelt ist. Bisher ist die Regelung, dass das Bundeskartellamt Unternehmen Vorteile entziehen kann, die sie aus Kartellrechtsverstößen erlangt haben.
Allerdings wurde dieses Instrument bisher noch nie genutzt, weil die rechtlichen Hürden hoch sind. Voraussetzung für eine Gewinnabschöpfung ist, dass Unternehmen nachgewiesen wird, dass sie vorsätzlich oder fahrlässig gegen das Kartellrecht verstoßen haben und dadurch einen wirtschaftlichen Vorteil erhalten haben.
Diese Nachweise sind laut dem BMWK mit Blick auf die Kraftstoffmärkte nur schwer zu erbringen, gerade weil auch der Marktmachtmissbrauch von Ölkonzernen grundsätzlich schwer nachzuweisen ist. Darum will das Ministerium die Hürden für Gewinnabschöpfungen senken. Wie das konkret aussehen soll, ist bisher aber noch nicht bekannt.
Die kartellrechtliche Gewinnabschöpfung ist eine Reaktion Habecks darauf, dass die sogenannte Übergewinnsteuer Widerstand vom Koalitionspartner FDP erhalten hat. Hintergrund ist die Empörung über die Ölkonzerne, die derzeit vom Tankrabatt profitieren, anstatt Preisnachlässe an die Endkundschaft weiterzugeben. So will das BMWK nun dafür sorgen, dass die Ölkonzerne nicht von Subventionen profitieren können, die nicht für sie gedacht waren.
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Sektoruntersuchungen sollen schlagkräftiger werden
Die dritte Änderung, die das BMWK nennt, betrifft die Sektoruntersuchungen des Bundeskartellamtes. Diese Untersuchungen führt die Kartellbehörde schon heute zahlreich durch, bekannte Beispiele sind etwa die Untersuchungen zu Online-Vergleichsportalen oder Bewertungen im E-Commerce. Laut BMWK könnten die Sektoruntersuchungen noch besser mit Maßnahmen zur Verbesserung der Märkte verbunden werden. Daher will das Ministerium prüfen, wie das Bundeskartellamt künftig unmittelbar aus einer Sektoruntersuchung Maßnahmen ableiten könnte, wie etwa das neue missbrauchsunabhängige Entflechtungsinstrument.
Die Reform könnte sich auch auf Amazon auswirken
Die Pläne des BMWK sind eine echte Neuerung. Bisher gibt es keine rechtliche Grundlage für Unternehmensentflechtungen in Deutschland. Die Einführung eines solchen Instruments könnte auch Auswirkungen auf andere Großkonzerne wie Amazon haben. Immer wieder wird auch mit Blick auf den E-Commerce-Riesen gefordert, dass dieser entflechtet werden müsse. Hier wird oftmals vorgeschlagen, den Marktplatz strukturell vom restlichen Unternehmen zu trennen, damit Amazon nicht gleichzeitig Marktplatzbetreiber und Händler auf diesem Marktplatz ist.
Auch das BMWK sieht die Möglichkeit, die Entflechtung für andere Märkte als den Kraftstoffmarkt zu nutzen. So heißt es im Dokument: „Somit kann das Instrument auf zahlreichen Märkten – nicht nur im Kraftstoffbereich – das Marktergebnis für die Verbraucherinnen und Verbraucher deutlich verbessern.“
Auch eine Gewinnabschöpfung könnte perspektivisch Auswirkungen für Amazon haben. Zuletzt gab es in der Coronakrise immer wieder die Forderung, Gewinne von Amazon verstärkt abzuschöpfen, weil der Konzern überproportionale Gewinne während der Pandemie einfuhr.
GWB-Novelle soll noch in diesem Jahr starten
Bisher gibt es noch keinen Gesetzentwurf für die GWB-Novelle. Das BMWK will aber noch in diesem Jahr einen Entwurf liefern. Schon im März hatte das Ministerium seine Pläne für die Kartellrechtserneuerung vorgelegt, damals war aber noch keine Rede von einem Entflechtungsinstrument. Die letzte Novelle des GWB fand in der vergangenen Legislaturperiode statt und verfolgte das Ziel, das GWB digitaler auszurichten. Im Zuge dieser Novelle wurden mittlerweile auch neue Kartellrechtsverfahren, etwa gegen Amazon und Google, gestartet.
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