Das Wichtigste in Kürze:

  • Die EU hat Ende 2019 den Green Deal vorgestellt, eine Strategie für nachhaltiges Wachstum.
  • Damit hat sich die EU zum Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu wirtschaften. Bis 2030 gibt es das Zwischenziel einer 55-prozentigen Verringerung der Treibhausgasemissionen. 
  • Es gibt viele neue Gesetze und Gesetzesvorhaben, um die Ziele aus dem Green Deal zu erreichen.
  • Für den Online-Handel besonders wichtig: Es soll Transparenzregeln für Retouren, ein Recht auf Reparatur, ein Verbot von Greenwashing und neue Kennzeichnungs- und Informationspflichten geben.

 

„Der europäische Grüne Deal ist unsere neue Wachstumsstrategie. Er wird es uns ermöglichen, die Emissionen zu senken und gleichzeitig Arbeitsplätze zu schaffen.“ So stellte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 11. Dezember 2019 den Green Deal vor. 

Mit dieser umfassenden Strategie, die verschiedene Pakete mit Maßnahmen und Gesetzen enthält, will die Europäische Union bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent der Welt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, soll effizienter mit Ressourcen umgegangen, eine kreislauforientierte Wirtschaft eingerichtet und Schadstoffbelastungen, wie der Ausstoß von Treibhausgasen, reduziert werden – und zwar in allen Bereichen der Wirtschaft. Gleichzeitig soll mit dem Green Deal ein nachhaltiges, „grünes“ Wirtschaftswachstum angekurbelt werden.

Bei so einem großen Vorhaben, das Nachhaltigkeit und Wachstum verspricht, werden die Auswirkungen natürlich auch im Online-Handel zu spüren sein. Vom Produktdesign über den Umgang mit Retouren bis hin zu Kennzeichnungspflichten haben wir uns einige Pläne der EU – insbesondere das Europäische Klimagesetz, den zweiten EU-Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft und das Programm „Fit for 55“ – angeschaut, um herauszufinden, welche Effekte der Green Deal auf den Online-Handel schon jetzt hat und in Zukunft haben kann. 

Die Basis: Das Europäische Klimagesetz

Ausgangspunkt der Bemühungen der EU, den Green Deal und seine Idee vom nachhaltigen Wachstum umzusetzen, ist das Europäische Klimagesetz. Bereits kurz nach der Vorstellung des Green Deals im Dezember 2019, wurde im März 2020 ein Entwurf für das Klimagesetz veröffentlicht. Am 29. Juli 2021 ist es in Kraft getreten. 

Damit wurde zum Gesetz, dass die EU bis 2050 klimaneutral sein muss. Das heißt, dass die EU ihre Kohlenstoffemissionen durch weltweite Maßnahmen zur Kohlenstoffbindung aus der Atmosphäre ausgleicht. Um das Ziel erreichen zu können, müssen die Emissionen der EU deutlich reduziert werden. Außerdem wurde ein Zwischenziel festgesetzt: Der Ausstoß von Treibhausgasen in der EU soll bis 2030 um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 reduziert werden. 

Das Europäische Klimagesetz gibt also das Ziel vor und verpflichtet die EU rechtlich, ihre Klimaziele einzuhalten. Es gibt jedoch keine Maßnahmen vor, wie die Klimaneutralität erreicht werden soll. Diese Maßnahmen findet man derzeit vor allem im Programm „Fit for 55“.

Das Zwischenziel erreichen: Fit for 55

„Fit for 55“ ist ein Reformpaket, das im Juli 2021 vorgestellt wurde. Darin sind die Maßnahmen festgelegt, um das Zwischenziel der EU zu erreichen, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Dazu gehören etwa mehrere neue Gesetze und eine Überarbeitung von alten Gesetzen.

Dazu zählen etwa die Änderung der Emissionshandel-Richtlinie und die damit einhergehende Neuausrichtung des Emissionshandelssystems. Außerdem sollen den Mitgliedstaaten Ziele für die jährliche Reduzierung von Treibhausgasemissionen vorgegeben werden. 

Darüber hinaus will die EU im Rahmen von „Fit for 55“ neue Ziele setzen, wie etwa für den Anteil von Erneuerbaren Energien im Energiemix, für die Energieeffizienz sowie für alternative Kraftstoffe. Damit wird es natürlich Auswirkungen auf die komplette Wirtschaft geben, doch „Fit for 55“ enthält keine Reformen, die sich speziell auf den E-Commerce beziehen. Dafür muss man in den zweiten EU-Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft schauen.

Relevant für den E-Commerce: Der zweite EU-Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft

Der zweite EU-Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft wurde bereits im März 2020 veröffentlicht. Er gibt innerhalb des Green Deals die politischen Ziele hinsichtlich der Kreislaufwirtschaft vor und enthält eine detaillierte Aufstellung der Gesetze, die geändert oder neu geschaffen werden müssen, um Waren vom Design über die Produktion bis hin zur Entsorgung möglichst nachhaltig zu gestalten. 

Damit betrifft der Aktionsplan den Online-Handel unmittelbar. Schließlich geht es etwa um die Änderung der Ökodesign-Richtlinie, in der unter anderem das geplante Recht auf Reparatur und der Umgang mit Retouren geregelt sein sollen. 

Nachhaltige Produkte: Die Ökodesign-Verordnung

Am 30. März 2022 veröffentlichte die EU-Kommission deshalb mehrere Gesetzesentwürfe im Rahmen ihrer Initiative für nachhaltige Produkte (Sustainable Products Initiative (SIP)). Für den E-Commerce besonders relevant ist der Entwurf für die Ökodesign-Verordnung, mit dem die bisherige Ökodesign-Richtlinie abgelöst werden soll. 

Der Grund für die Ablösung der Richtlinie ist, dass diese nur zu einer kleineren Zahl von Produkten Vorgaben hinsichtlich Reparierbarkeit und Lebenszeit macht. Darunter fallen etwa Waschmaschine, Kühlschränke, Beleuchtung oder Motoren. Von der neuen Verordnung sollen jedoch auch Textilien, Möbel, Chemikalien, kleinere Elektroprodukte und zahlreiche weitere Produktgruppen erfasst sein.

Digitaler Produktpass und nachhaltigeres Design

Produkte sollen damit schon vom Design her nachhaltiger und ressourceneffizienter als bisher gestaltet sein, besser repariert und aufgearbeitet werden sowie mit einem längeren Leben und besseren Möglichkeiten für Recycling ausgestattet sein. Es soll für die unter die Verordnung fallenden Produkte digitale Produktpässe geben, die die Reparatur und das Recycling erleichtern sollen und Kennzeichnungen, die die Kundschaft darüber informieren, welche Effekte die Produkte auf die Umwelt haben könnten.

Verantwortlich dafür, dass der Produktpass für die Kundschaft leicht zugänglich ist, und dafür, dass alle Informationen aus Kennzeichnungspflichten zugänglich sind, sind laut Artikel 25 des Entwurfs für die Ökodesign-Verordnung auch die Online-Händler. Da der Gesetzentwurf noch einige Stationen durchlaufen wird, muss abgewartet werden, welche Kennzeichnungspflichten am Ende in der fertigen Verordnung stehen.

Vernichtungsverbot für Retouren soll ermöglicht werden

Laut Artikel 20 des Entwurfs für die Ökodesign-Verordnung sollen Online-Händler, die unverkaufte Waren –  also auch Retouren – vernichten, detaillierte Transparenzberichte anfertigen, die etwa über die Anzahl von vernichteten Produkten und über die Gründe für die Entsorgung informieren. 

Doch damit nicht genug: Art. 20 Abs. 3 sieht sogar vor, dass die Kommission die Entsorgung von Retouren und unverkauften Verbraucherprodukten komplett untersagen könnte, wenn sie bei bestimmten Produktgruppen Gefahren für die Umwelt identifiziert. Diese Pläne sind von den deutschen Maßnahmen zur Bekämpfung von Retourenvernichtung inspiriert. So plant Deutschland auch eine nationale Transparenzpflicht für Online-Händler und will im nächsten Schritt ein generelles Verbot der Retourenvernichtung prüfen (siehe Infobox „Mehr zum Thema“). 

„Die Auswirkungen der Regelungen der EU-Ökodesignverordnung auf das deutsche Recht – insbesondere auf die geplanten Verordnungen des KrWG [Kreislaufwirtschaftsgesetz, Anm. d. Red.] –  werden derzeit durch das BMUV mit Blick auf die Leistungsfähigkeit und Stringenz der beiden Ansätze bewertet“, erklärte dazu ein Sprecher des deutschen Bundesumweltministeriums auf Nachfrage von OnlinehändlerNews.

Sonderfall Textilien: Mehr Nachhaltigkeit und mehr Möglichkeiten zum Recycling

Innerhalb der Verbraucherprodukte spielen Textilien eine Sonderrolle. Daher wurde im Rahmen der Initiative für nachhaltige Produkte eine eigene Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien erlassen. So sollen Textilprodukte bis 2030 besser recyclebar sein und so weit wie möglich aus recycelten Fasern hergestellt werden. Sie sollen frei von Gefahrenstoffen sein und auch soziale Standards sollen befolgt werden. 

Daher will die EU in den kommenden Jahren Anforderungen an das Ökodesign speziell für Textilien entwerfen, die erweiterte Kennzeichnungs- und Informationspflichten, einen digitalen Produktpass sowie Regelungen für Herstellerverantwortungen einführen. 

Mehr zum Thema:

 

Recht auf Reparatur: Entwurf soll bald kommen

Ein schon länger bekannter Plan der EU, mit dem die Kreislaufwirtschaft gestärkt werden soll, ist das sogenannte Recht auf Reparatur. Das bedeutet vor allem, dass Produkte so gestaltet sind, dass man sie einfach und sicher reparieren kann und dass Einzelteile ausbau- und austauschbar sind. Das EU-Parlament forderte im April 2022 auch, dass der Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen zu bestimmten Produkten für Reparaturdienstleister und Verbraucher kostenlos sein soll. 

Die EU signalisiert schon länger, dass ein solches Recht auf Reparatur umgesetzt werden soll, aktuell gibt es aber noch keinen Entwurf. Das soll sich aber noch in diesem Jahr ändern. Derzeit arbeitet die Kommission an einem Entwurf zur Änderung der Warenkaufrichtlinie. In diesem Rahmen soll auch ein eigener Rechtsakt über das Recht auf Reparatur diskutiert werden. 

Online-Händler müssten sich bei einem Recht auf Reparatur wahrscheinlich mehr mit der Reparierbarkeit ihrer Produkte auseinandersetzen und darauf achten, dass die verkauften Produkte die Anforderungen bezüglich der Reparatur erfüllen.

Falsche „grüne“ Produktaussagen sollen verboten werden

Außerdem wurde im März 2022 ein Verbot des sogenannten Greenwashings auf den Weg gebracht und hierfür ein erster Gesetzesentwurf veröffentlicht. Das Greenwashing-Verbot soll im Rahmen einer Änderung des EU-Verbraucherrechts erfolgen, die ebenfalls das Ziel verfolgt, den Green Deal umzusetzen. Dazu sollen die EU-Richtlinie über unlautere Wettbewerbspraktiken und die EU-Verbraucherrechterichtlinie geändert werden. 

Konkret soll die sogenannte schwarze Liste mit verbotenen Geschäftspraktiken erweitert werden. Auf dieser Liste sollen bald dann folgende Praktiken stehen: 

  • vage und zu allgemeine Aussagen über die Umwelteigenschaften eines Produktes, wenn diese nicht nachweisbar sind, wie etwa „umweltfreundlich“, „öko“ oder „grün“;
  • Umweltaussagen über ein gesamtes Produkt, wenn sie nur auf einen Teil des Produkts zutreffen,
  • die Nutzung freiwilliger Nachhaltigkeitssiegel, die weder auf einem Prüfverfahren durch Dritte basiert noch von Behörden stammt, 
  • fehlende Angaben über die Lebensdauer gezielt beschränkende Eigenschaften, wie etwa Software, die die Funktionalität des Produkts nach einer gewissen Zeit mindert oder unterbindet.

Viele Vorhaben für die nächsten Jahre

Die Umsetzung des Green Deals ist noch in vollem Gange. Viele Gesetze und Reformen, gerade die, die den Online-Handel betreffen, befinden sich noch im Entwurfsstadium. Trotzdem ist klar, dass der Trend in der EU –  wie auch in Deutschland –  hin zu einer Wirtschaft geht, die möglichst auf Kreislauf, Recycling und Wiederverwertung ausgerichtet ist. 

Neben dem Klimagesetz, „Fit for 55“, dem Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft und dem Verbot von Greenwashing gibt es natürlich noch weitere Komponenten des Green Deals, die sich etwa mit Energiebeschaffung, Naturschutz, Biodiversität oder der Förderung nachhaltiger Energie beschäftigen. Die EU-Kommission bietet eine Übersicht mit Zeitstrahl auf ihrer Webseite.

 

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